Sonntag, 28. August 2022

Alles für alle

 Inklusion und Barrierefreiheit sind heute in aller Munde. Alfred Beyer, der am 22. August seinen 80. Geburtstag feiert, hat die Hälfte seines Lebens auf dieser Baustelle gearbeitet. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Behindertenselbsthilfe und der chronischen Kranken (AGB) und des Vereins für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) schaut auf Erfolge und auf noch offene Baustellen seiner Arbeit.

Wie kamen Sie zu Ihrem ehrenamtlichen Engagement?

Beyer: Ich habe mich ursprünglich in der Jugendarbeit des Kolpingwerkes engagiert. Die Arbeit mit und für Kinder und Jugendliche, die sich Schritt für Schritt weiterentwickeln und so ihren Lebensweg gehen, begeistert mich bis heute.

Wie kamen Sie zum Behinderten- und Rehabilitationssport?

Beyer: Nachdem ich durch meine Knochenkrebserkrankung ein Bein verloren habe und meine berufliche Selbstständigkeit als Raumausstatter aufgeben musste und mir ein Amtsarzt bescheinigt hatte: ‚Sie leben nicht mehr lange‘, habe ich im Behinderten- und Rehabilitationssport Erfolgserlebnisse und vor allem eine neue Lebensaufgabe gefunden.

Was verstehen Sie unter Inklusion?

Beyer: Das Prinzip: „Alles für alle!“ Wir müssen begreifen, dass es keine behinderten, sondern nur beeinträchtigte Menschen gibt, die durch die Gesellschaft behindert werden.

Wodurch zum Beispiel?

Beyer: Indem man nicht aufeinander zugeht und miteinander spricht. Indem Arbeitgeber und beeinträchtigte Arbeitnehmer nicht zueinanderkommen, weil sie die ihnen zustehenden beruflichen Integrationshilfen nicht einfordern und nutzen. Indem Autofahrer Behindertenparkplätze oder Gehwege zuparken. In dem es in unserer Stadt viel zu wenige barrierefreie Toiletten gibt oder in dem das Schreiben vom Amt zu klein gedruckt wird, um für Sehbehinderten lesbar zu sein.

Was sehen Sie als Erfolg Ihrer Arbeit an?

Beyer: Dass inzwischen einige beeinträchtige Menschen mit entsprechenden Integrationshilfen bei der Stadtverwaltung arbeiten. Dass die Checkliste für barrierefreies Bauen, die wir zusammen mit dem damaligen Behindertenkoordinator der Stadt, Hermann Hofmann und seiner Nachfolgerin Felicitas Bütefür, erarbeitet haben inzwischen nicht nur in Mülheim, sondern bundesweit genutzt wird. Automatiktüren, breite Türen, die auch von Rollstuhlfahrern passiert werden können. Taktile Leitlinien im öffentlichen Raum, kontrastreiche Türen und Treppenstufen, Induktionsschleifen für Schwerhörige, Aufzüge mit elektronischer Etagenansage, Rampen, Haltestellen-Caps, die einen barrierefreien Zugang zu Bussen und Bahnen ermöglichen sind klassische Formen des barrierefreien Bauens. Das muss nicht teuer sein, wenn man es von Anfang an in die Bauplanung mit einbezieht. Leider ist diese Einsicht bei einigen Architekten noch nicht angekommen, so dass ich auf hartnäckige Überzeugungsarbeit leisten muss. Ich freue mich aber darüber, dass das Historische Rathaus heute weitgehend barrierefrei ist und dass wir an der Kaiserstraße und an der Mintarder Straße zwei weitgehend barrierefreie Sporthallen haben.

Wie ist es um die Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr bestellt?

Beyer: Da hat sich in den letzten beiden Jahren viel zum Besseren gewandelt, weil die Ruhrbahn ihre Fahrer und Fahrerinnen für den Umgang mit beeinträchtigten Menschen geschult hat. Und auch die von mir erwähnte Akustik-App erleichtert es blinden Menschen, in den richtigen Bus und die richtige Bahn einzusteigen und auch nach dem Aussteigen ihren Weg durch die Stadt zu finden. 


Meine Beiträge in NRZ/WAZ und: Zum VBGS Mülheim

Sonntag, 21. August 2022

Genau hingeschaut

 Kommunalpolitiker machen während der parlamentarischen Sommerpause nicht nur Urlaub. Sie besuchen, wie hier, Mitglieder der CDU-Ratsfraktion, "Baustellen" der Stadt, um sich vor Ort ein Bild zu machen, mit Fachleuten ins Gespräch zu kommen und sich von diesen mit Fakten füttern zu lassen, die sie dann später in ihren fraktions- und koalitionsinternen Beratungen mit ihren politischen Zielen abgleichen. 


Die Windkraftanlage im Styrumer Ruhrbogen, die seit 2019 mit jährlich 5,1 Millionen Kilowattstunden 2000 Haushalte versorgt, war dabei nur eine Station der christdemokratischen Sommerferientour. Hier wiesen Geschäftsführer Dr. Hendrik Dönnebrink und Projektleiter Marius Schreckenberg von der Mülheimer Energiedienstleistungsgesellschaft auf den Mehrwert, den eine Photovoltaikanlage und eine zweiten Windkraftanlage hin. Mit ihrer Hilfe könnten, sobald der nahegelegene Deponiebetrieb Ende 2023 eingestellt werde, eine Strom- und Wärmeversorgung für 3000 weitere Haushalte hergestellt werden könnte. Einig war man sich auf der Styrumer Ruhrhöhe, dass Rat und Verwaltung planungsrechtlich den Weg zügig freimachen müssten, um die Energiewende vor Ort voranzutreiben und damit den Folgen des Klimawandels und der durch den Ukraine-Krieg gefährdeten Energiesicherheit zu begegnen.

Zu wenig Personal und unkalkulierbare Kosten 


Der inklusive Kulturverein Art Obscura an der Georgstraße und das Ledermuseum an der Düsseldorfer Straße gehörten ebenso zu den Haltepunkten der kommunalpolitischen Realitäts-Checker, wie das Transformationsgebiet des 65.000 Quadratmeter großen ehemaligen Tengelmann-Areals qn der Wissollstraße in Broich, dass sich unter der Regie des österreichischen Investors Soravia bis 2030 zur Parkstadt, inklusive nicht unumstrittener Hochhäuser, wandelt. Am 8. Septemberlädt Sorvaia von 16 bis 20 Uhr zu einer Projektinformation in den ehemaligen Spiegelsaal der Tengelmann-Zentrale.

Baustellenbesuche im wörtlichen Sinne waren auch die Visiten im städtischen Pflegeheim an der Gracht sowie an der Otto-Pankok- und der Gesamtschule Saarn. Auch dort, wo Mülheim ewige Ruhe und grüne Idylle ausstrahlt, tut sich immer wieder kommunalpolitischer Handlungsbedarf auf, wie der Fraktionsbesuch auf dem 1916 eröffneten angelegten Hauptfriedhof der Stadt zeigte. Der Hauptfriedhof wurde ab 1915 auf einem 45 Hektar großen Exerzierplatz angelegt.

Grundsätzlich zeigte sich bei allen "Stations-Gesprächen" der Sommerferientour: Immer wieder geht es ums Geld, mal um einige 1000 Euro, mal um etliche Millionen. Das Geld. dass im hochverschuldeten Mülheim schon vor dem Beginn des Ukraine-Krieges-Mangelware war, wird jetzt durch den Preisgalopp der kriegsbedingten Inflation zunehmend weniger wert. Auch in dem 2007 von der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft errichteten Josefshaus der Caritas, in dem an der Gracht psychisch erkrankten Menschen betreut leben, bekamen die Ratsmitglieder der CDU die Sorge des Trägers vor stark ansteigenden Energiekosten zu hören.

Baukosten werden für dem städtischen Immobilienservice immer unkalkulierbarer. Und das Problem des Fachkräftemangels ist inzwischen sogar bei der Grünpflege der Friedhöfe angekommen, wo das zuständige Grünflächenmanagement der Stadt inzwischen nicht nur mit Radrowdys, die Trauerzüge stören, sondern auch mit externen Auftragnehmern, die ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, ihren gepflegten Ärger hat. Dem stehen begrenzte personelle Bordmittel der Friedhofsverwaltung gegenüber, die mit aktuell 45 Mitarbeitenden Verwaltungs- und Bestattungsdienst gewährleisten muss. Das Problem des realexistierenden Fachkräftemangels und dessen finanziellen und menschlichen Folgen, waren auch beim Baustellenbesuch an der Gracht ein wichtiges Thema. In dem von den Mülheimer Seniorendiensten getragenen Haus, das in den 1960er Jahren errichtet wurde, leben zurzeit 168 pflegebedürftige Menschen. Die dortigen Umbaumaßnahmen sollen nach fünf Jahren im Frühjahr 2023 abgeschlossen werden und rund 21,5 Millionen Euro kosten.

Kultur ist schön, kostet aber auch etwas

An den Kulturorten Ledermuseum und Art Obscura wurde deutlich, dass die der Finanznot geschuldete politische Prioritätensetzung der Kommune dazu führt, dass bestimmte kulturelle Angebote, die der Stadtgesellschaft Kommunikation, Zusammenhalt, Bildung und Identifikation stiften, nur durch bürgerschaftliches Engagement und gemeinnützige Stiftungen, wie etwa der Aktion Mensch, die den inklusiven Kulturverein Art Obscura unterstützt, aufrechterhalten werden können.

An den Schulbaustellen in Stadtmitte und Saarn wurden die Fraktionsmitglieder der CDU nicht nur mit sichtbaren Fortschritten der notwendigen Modernisierung und Erweiterung, sondern auch mit der Tatsache, dass der Unterricht in Schulcontainern, zumindest mittelfristig, weiterhin zum Schulalltag gehören wird. Die Baustelle Otto-Pankok-Gymnasium soll 35 Millionen Euro kosten und bis 2025 beendet werden. Für das Schulzentrum Saarn prognostiziert der städtische Immobilienservice 50 Millionen Euro als Baukosten und das Jahr 2026 als Zielpunkt für den Abschluss des Schul- und Ausbaus, der dann insgesamt zehn Jahre in Anspruch genommen wird.

Freitag, 19. August 2022

Altes Haus, ganz neu!?

 Mit einem breiten Bürgerbündnis wollen die Naturfreunde ihr 1932 am Böllrodt in Raadt errichtetes Ruhrtalhaus vor einem möglichen Verkauf retten. Es ist eines von bundesweit 400 Häusern der Naturfreunde.  „Wir haben interessante Kaufangebote privater Investoren, aber wir möchten das Haus der Öffentlichkeit erhalten. Deshalb gehen wir neue Wege und sind offen für eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, Vereinen, Verbänden und Parteien, die mit uns das Ruhrtalhaus professionell weiterführen wollen“, sagte der kommissarische Ortsgruppenvorsitzende der Naturfreunde, Wofgang Hendges, am Sonntagnachmittag bei einem Sommerfest vor Ort.

Unter den gut 60 Gästen, die sich unter schattigen Bäumen Kaffee und Kuchen schmecken und sich anschließend durch das sichtlich in die Jahre gekommene Ruhrtalhaus führen ließen, waren auch Vertreter der Linken und der Grünen, aber auch Nachbarn, wie Thomas Schroeder, der sich gerne „an die tollen Partys und Feste, aber auch an interessante politische Veranstaltungen, die wir hier erlebt haben“, erinnerte. „Wie erleben es gerade in diesen Zeiten, in denen wir große gesellschaftliche Umbrüche und Herausforderungen erleben, dass die Menschen vor Ort Räume brauchen, in denen sie sich in aller Ruhe und generationsübergreifend treffen und miteinander austauschen können. Denn nur so können sich Menschen in unsere Gesellschaft einbringen und sich in die Lösung sozialer und ökologischer Probleme einbringen“, sagte der Landesvorsitzende der Naturfreunde, André Stinka, der für die SPD im Landtag sitzt.

 Gemeinsam Hand angelegt

„Wir haben hier in dem seit zwei Jahren geschlossenen Haus mit zwölf Leute in den vergangenen Wochen richtig Hand angelegt und schon mal eine Grundreinigung durchgeführt. Damit wir heute dieses Sommerfest durchführen konnten“, berichtete Naturfreund Rüdiger Sagel. Wolfgang Hendges ergänzte: „Wir haben ein bewusst offen gehaltenes und auf eine kooperative Nutzung angelegtes Nutzungskonzept für eine demokratisch geführte gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung erarbeitet und Gespräche mit möglichen Kooperationspartnern und Geldgebern geführt.“ Zu den Gesprächspartnern gehörten unter anderem der Kinderschutzbund, die PIA-Stiftung, die Aktion Mensch und katholische Gemeindemitglieder aus St. Mariae Geburt und Heilig Geist, die nach der geplanten Aufgabe des Gemeindezentrums Heilig Geist an der Zeppelinstraße/Ecke Dinnendahls Höhe einen neuen Treffpunkt für Chorproben, Gruppenstunden, Feste und Veranstaltungen suchen.

Schon während der Führung durch das Ruhrtalhaus, das auf einem fast 7000 Quadratmeter großen Areal, unweit des Wohnstiftes Raadt steht, gaben einige Gäste ihren Aufnahmeantrag bei den Naturfreunden ab oder signalisierten ihre Bereitschaft, sich finanziell an der geplanten gGmbH zu beteiligen. „Wir haben bei einem Architekten ein Gutachten eingeholt, dass uns zeigt, dass wir mindestens 500.000 Euro in die Modernisierung des Hauses stecken müssen. Das Haus muss außerdem hauptamtlich betrieben werden, da die größtenteils schon älteren Mitglieder nicht mehr in der Lage sind, wie früher, den Betrieb ehrenamtlich aufrechtzuerhalten. Außerdem wollen wir das Haus barrierefrei umbauen und von der Ölheizung weg zu einer Solar-energieversorgung kommen“, erklärte Wolfgang Hendges. Die Mitgliederzahl der Naturfreunde sei in dem vergangenen Jahre vor Ort von 200 auf 80 zurückgegangen. Laut Andre Stinka gibt es landesweit aktuell rund 3900 Naturfreunde.

Politische Unterstützung

Die grünen Ratsmitglieder, Bürgermeisterin Ann-Kathrin Allekotte, und Timo Spors, die sich vor Ort ein eigenes Bild machten, signalisierten den Naturfreunden ihre Sympathie und ihre Unterstützung für „Ruhrtalhaus, dass für die Öffentlichkeit erhalten bleibt und perspektivisch für Raadt und Menden-Holthausen vielleicht einmal eine Funktion, wie die Feldmannstiftung für Styrum bekommen könnte.“ Allekotte kann sich zum Beispiel einen Waldkindergarten gut vorstellen. Und Spors verwies unter anderem auf die begrenzten, aber vorhandenen Fördermittel der Bezirksvertretung Rechtsruhr-Süd, „zumal es in diesem Bereich der Stadt bis jetzt noch keine Bürgerbegegnungsstätte gibt.“ Wer die Naturfreunde beim Erhalt des Ruhrtalhauses unterstützen will, erreicht Wolfgang Hendges per Mail an: wolfgang.hendges@naturfreunde-nrw.de  


Meine Beiträge in NRZ/WAZ  und: Zu den Naturfreunden NRW

Mittwoch, 17. August 2022

Schön war's

 Sommerzeit ist Urlaubszeit. Es sei denn, die Corona-Pandemie oder das eigene Portemonnaie machen den Reiseplänen einen Strich durch die Rechnung. Die Mülheimer Eva Timm (Jahrgang 1926), Horst Heckmann (Jahrgang 1928) und Dieter Schilling (Jahrgang 1939) erinnern sich, passend zur Jahreszeit, im Gespräch mit dieser Zeitung an die Sommerferien ihrer frühen Jahre.

Der erste Urlaub, an den sich Eva Timm erinnern kann, führte sie, ihre Eltern und ihren sieben Jahre älteren Bruder im Sommer 1932 nach Westerland auf Sylt. „Westerland und Sylt waren damals nicht so mondän, wie heute“, erinnert sich Timm. Doch ein Blick in ihr Familienalbum zeigt die vier Timms, wie sie denkbar elegant gekleidet, über Westerlands Strandpromenade flanieren. Gleich daneben sieht man die kleine Eva mit anderen Kindern an einem Tisch auf der Strandpromenade, an der sich der damalige Boxweltmeister Max Schmeling mit seiner Entourage niedergelassen hatte. „Meine Eltern standen nachts auf, um ihm die Radioreportage über Schmelings Titelkämpfe in den USA zu hören“, weiß Timm. Ein drittes Foto, zeigt die sechsjährige Eva mit ihrer Mutter vor einem Friesenhäuschen.

Doch schon ein Jahr später, war für Familie Timm an einen Sommerurlaub auf Sylt nicht mehr zu denken. Der Vater, der als Maßschneider ein Tuchgeschäft betrieb, starb 1933. Jetzt musste die Mutter ihre beiden Kinder als Handelsvertreterin einer Modefirma durchbringen. „Erst als meine Mutter 1936 wieder heiratete und ich den besten Stiefvater der Welt bekam, konnten wir im Sommer wieder reisen, zum Beispiel nach Österreich oder wieder nach Westerland“, erzählt Timm. Doch auch in den Sommerwochen der Jahre 1933 bis 1935 bekam die kleine Eva etwas von der großen Welt zu sehen. Ein Hausmädchen ihrer Mutter nahm sie im Sommer auf ihren Heimaturlaub mit aufs Land nach Pommern. „Das habe ich sehr genossen. Da waren viele andere Kinder, mit denen ich die Kühe gehütet habe. Und mittags aßen wir an einem Tisch, auf dem eine große Schüssel stand, aus der wir uns mit einem Löffel bedienen durften“, blickt Timm zurück. Und dann fällt ihr auch noch ein, „dass ich einmal von einem verheirateten, aber kinderlosen Onkel ins polnische Lodz eingeladen wurde, wo die beiden mich nach allen Regeln der Kunst verwöhnt haben.“

Horst Heckmann, der als Sohn einer bei Thyssen verdingten Stahlarbeiterfamilie, in Heißen aufgewachsen ist, konnte von solchen Urlaubsreisen im Sommer als Kind nur träumen. Den ersten Urlaub seines Lebens erlebte Heckmann als Achtjähriger mit einer 19-jährigen Cousine im Sauerland. „Ich habe damals zum ersten Mal Kühe, dunkle Wälder und eine Tropfsteinhöhle gesehen. Das war für mich als Junge aus dem Ruhrgebiet eine völlig neue und abenteuerliche Welt“, erinnert sich Horst Heckmann, der heute in Styrum lebt.

In den späteren Sommern seiner Jugend, nahm Heckmann an den von der Hitlerjugend organisierten Zeltlagern auf der Sternwiese in Selbeck teil oder half bei Kartoffelernte in der Lüneburger Heide. „Wir wurden bei Geländespielen, aber auch mit Leichtathletik oder beim Fuß- und Handball auf dem RSV-Platz in Heißen sportlich richtig rangenommen. Abends haben wir am Lagerfeuer Volks- und NS-Lieder gesungen“, berichtet Heckmann. Wie der Bericht aus einer anderen Welt erschienen ihm die Erzählungen eines bei der NSDAP aktiven Nachbarn, der mit der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ eine Italien-Kreuzfahrt unternommen hatte. Erst im beginnenden Wirtschaftswunderjahren hatten Horst Heckmann und seine spätere Frau 1952 wieder Zeit für einen Sommerurlaub. Bevor das damals unverheiratete Paar mit einer Lambretta zu ihrer Mosel-Tour aufbrachen, kauften sie sich Ringe, um sich auf Reisen als Ehepaar ausgeben zu können. Denn damals galt noch der 1876 erlassene Kuppelei-Paragraf, der es Hoteliers verbot, unverheirateten Paaren ein Zimmer für die Nacht zu vermieten.

Obwohl ein gutes Jahrzehnt jünger als Horst Heckmann, verbrachte der in Halle an der Saale geborene Dieter Schilling die Sommerferien seiner Kindheit ganz ähnlich. Statt der NSDAP und der Hitler-Jugend, organisierten die Thälmann-Pioniere und die Freie Deutsche Jugend (FDJ) im Auftrag der DDR-Staatspartei SED Ferienlager für Kinder und Jugendliche. „Die Kommunisten haben uns ähnlich wie die Nazis mit Wanderungen, Sport und gemeinsam am Lagerfeuer gesungenen Arbeiterliedern gefangen. Wir übernachteten während einer Nachtwanderung in einer Scheune  und ansonsten in einem Zeltlager, das aus Militärzelten bestand“, erinnert sich Schilling. Seine Feriengenossen und er schliefen nachts auf Strohsäcken und wurden tagsüber mit Nudel- und Puddingsuppe, nebst Roggenbrötchen, versorgt. „Meinen ersten richtigen Urlaub erlebte ich im Sommer 1955, als ich mit vier Kollegen, die mit mir ihre Maschinenschlosserlehre abgeschlossen hatten, mit dem Zug und mit Zelten und Fahrrädern an die mecklenburgische Ostseeküste gereist bin. Wir haben damals auf unserer Radtour unter anderem in Plau am See und an den Kreidefelsen auf Rügen gezeltet“, berichtet Schilling. Die eigens eingepackten Beutelsuppen dienten als Reiseproviant, ergänzt durch vor Ort gekaufte Brötchen und Wurst.  Unvergesslich bleibt ihm ein Zeltstopp auf einem Rügener Campingplatz in Breege, der, was die fünf jungen Schlosser aber nicht wussten, unmittelbar an einem FKK-Strand lag. „Als wir morgens aufwachten und beim Blick aus unseren Zelten lauter nackte Menschen rund um uns herum sahen, trauten wir uns erst gar nicht heraus.“ Doch dann stellten sich Dieter und seine Kollegen den nackten Tatsachen und spielten, wie Gott sie geschaffen hatte, mit ihren unbekleideten Strandgenossen stundenlang in der Sonne Volleyball, was sie auf ihrer weiteren Tour-Etappen mit einem schmerzhaften und langen anhaltenden Sonnenbrand zu spüren bekamen.


Meine Beiträge in NRZ/WAZ und: Mülheimer Zeitzeugenbörse

Montag, 15. August 2022

Ordnung muss sein

 Wie arbeitete die Polizei anno dazumal in Mülheim? Der Mülheimer Polizeibeamte und Polizeiwissenschaftler, Dr. Frank Kawelovski, hat es in seinem neuen Buch "David, bitte kommen! - Die Geschichte der Polizei in Mülheim an der Ruhr auf 488 reich bebilderten Seiten beschrieben, Der Rückblick auf mehr als 200 Jahre lokaler Polizeigeschichte ist im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW entstanden. Die Hochschule, an der auch Kawelovski lehrt, ist noch bis Ende August mit einer Außenstelle an der Dümptener Straße in Styrum vertreten.

Das Buch, das für 18,90 Euro beim Autor (per E-Mail an: kawelovski@online.de) und im örtlichen Buchhandel erhältlich ist, erzählt wie aus einer Handvoll von Polizeidienern und Polizeiserganten eine schlagkräftige Polizeibehörde erwuchs, deren Mitarbeiterzahl im 20. Jahrhundert dreistellig wurde. Kawelovski schildert die Entwicklung des Mülheimer Polizeiapparates: "Im Kaiserreich kamen alles Polizeibeamte aus dem Militär. Bis 1922 waren die Bürger- und Oberbürgermeister qua Amt Vorgesetzte der Polizei. Erst während des Kaiserreiches wurden aus den schlecht bezahlten Polizei-Angestellten gutdotierte Polizeibeamte, die sich als Stellvertreter des Kaisers auf der Straße sahen.  Sie waren mit einem Säbel bewaffnet und riefen: 'Kerl, drei Schritte zurück, wenn ihnen ein Bürger zu nahekam und sie so in Gefahr gerieten, ihn nicht mehr auf Abstand halten zu können!"

Aufgerüstete Bürgernähe

Erst in der Weimarer Republik wurde die Polizei zum Freund und Helfer" der Bürger. Das entsprach zumindest dem Leitbild des damaligen sozialdemokratischen Innenministers Carl Severing. Die Wirklichkeit sah in den Jahren heftiger innenpolitischer Straßenkämpfe oft anders aus. "Die Polizei wurde während der Weimarer Republik aufgerüstet und erhielt unter anderem Maschinenpistolen, Handgranaten und Panzerwagen", erklärt Kawelovski.

In der NS-Zeit wurde die Polizei zum politisch gleichgeschalteten Macht- und Verfolgungsinstrument der NSDAP, die die Regimegegner verhaftete, das sogenannte Arbeits- und Erziehungslager am Flughafen leitete und bewachte, an der Deportation jüdischer Bürger mitwirkte und im Zweiten Weltkrieg als Polizei-Soldaten militarisiert wurden. 

"Es gab aber auch Leuchttürme bei der Mülheimer Polizei, wie den örtlichen Chef der Geheimen Staatspolizei, Karl Kolk und der Leiter der Schutzpolizei, Major Wilhelm Büttner", unterstreicht Kawelovski. Büttner verweigerte kurz vor dem Einmarsch der US-Truppen am 11. April, den Befehl, Polizeibeamte als letztes militärisches Aufgebot und als Sprengmeister der Mülheimer Brücken einzusetzen. Kolk spielte mit seinem Leben, weil er, anders als linientreue Gestapo-Kollegen und entgegen den Befehlen des damaligen deutschen SS- und Polizeichefs, Heinrich Himmler, zumindest vereinzelt Verfolgte und Regimegegner vor ihrer drohenden Verhaftung warnte, so dass sie rechtzeitig untertauchen konnten. Anders, als viele andere ihrer Kollegen, wurden Büttner und Kolk nach 1945 deshalb auch jeder Mitschuld an den NS-Verbrechen freigesprochen. Und zumindest Büttner konnte auch nach 1945 seinen Polizeidienst weiter versehen.

Schwerer Neuanfang

Nach Kriegsende stand die, zunächst nur mit Holzknüppeln bewaffnete Stadtpolizeiunter der Kontrolle der amerikanischen und ab Juni 1945 der britischen Militärregierung. Viele der neuen Ordnungshüter waren politisch unbelastet, aber auf ihre Aufgabe auch unzureichend vorbereitet. In den beiden ersten Nachkriegsjahren musste die örtliche Polizei gegen eine vor allem aus der Not heraus geborene Kriminalität ankämpfen. Dazu gehörten nicht nur der Schwarzmarkt und der Diebstahl von Lebensmitteln, Lebensmittelkarten Kleidung und Kohlen, sondern auch die Fahndung nach sogenannten "unbeschäftigten und arbeitsscheuen Männern", die sich der Trümmerbeseitigung entzogen oder die Aufnahme tödlicher Verkehrsunfälle mit technisch untauglichen Fahrzeugen und Schwarzfahrern, die beim Auf- und Abspringen unter die Straßenbahn kamen. Besonders problematisch für die Polizei waren in den Jahren 1945 bis 1947 Plünderungen, Überfälle und Morde, die von ehemaligen Zwangsarbeitern begangen wurden, die sich nach ihrer jahrelangen Qual zu Banden zusammengetan und mit Waffen aus alten Kriegsbeständen ausgerüstet hatten, um sich mit Gewalt zu holen, was sie zum Leben zu brauchen glaubten. 

"Eine Besonderheit der polizeilichen Nachkriegsgeschichte war die umstrittene Frage, ob die zunächst zum Oberhausener und seit 2007 zu Essen gehörende Polizeibehörde Mülheims ein eigenes Polizeipräsidium bekommen sollte. Ein Gebäude war bereits 1936 an der Von-Bock-Straße errichtet worden. Davor war die Mülheimer Polizei in der Hauptverwaltung der Deutschen Röhrenwerke an der Wiesenstraße Untermieterin gewesen", weiß Kawelovski zu berichten.

Und was war mit den Frauen bei der Mülheimer Polizei, die zwischen 1955 und 2007 eine eigenständige Polizeibehörde war, die 1983 sogar als Polizeipräsidium aufgewertet wurde. An dessen Spitze stand mit der Juristin Gisela Röttger-Husemann, von 1993 bis 2006 eine der ersten deutschen Polizeipräsidentinnen.  Kawelovski zeigt anhand der Weiblichen Kriminalpolizei, die seit der Weimarer Republik vor allem dann gerufen wurde, wenn Kinder, Jugendliche und Frauen straffällig oder Opfer von Straftaten und sozialer Verwahrlosung geworden waren, bis zur ersten 1991 gleichberechtigt ausgebildeten und eingestellten Polizeibeamtin, Claudia Thomas. wie lange der Weg zur polizeiinternen Geschlechtergerechtigkeit war.


Zum Infopool Polizeigeschichte

Sonntag, 14. August 2022

Eine Kirche hat Geburtstag

 Mariä Himmelfahrt, der 15. August, ist nur in den katholisch geprägten Bundesländern Bayern und Saarland ein gesetzlicher Feiertag. Doch für die gleichnamige Mülheimer Pfarrgemeinde links der Ruhr ist ihr Patronatstag auch ohne gesetzlichen Segen und Arbeitsruhe ein Feiertag, in diesem Jahr sogar ein ganz besonderer. Denn am 18. September 1897, also vor 125 Jahren, wurde die Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt geweiht.

Um diesen Kirchengeburtstag gebührend zu feiern, laden die Kirchengemeinde und der seit 1983 aktive Verein der Freunde und Förderer des Kloster Saarn e.V. gemeinsam am 13. und 14. August in die Klosteranlage an der Klosterstr. 55 ein.

Klaus Fiß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Verein der Freunde und Förderer des Klosters Saarn gibt eine Programmvorschau. „Am 13. August wird es einen zum Himmelfahrtstag passenden Kräuterworkshop in dem 2011 angelegten Kräutergarten im Klosterhof geben. Den Mariä-Himmelfahrts-Sonntag (14. August) läuten wir um 11.30 Uhr mit einer Festmesse ein. Um 16 Uhr führt Stefanie Horn durch den Kräutergarten. Und zum Ausklang des Kirchengeburtstagsfestes laden wir um 18 Uhr zu einer musikalischen Serenade in den Innenhof von Kloster Saarn ein und knüpfen damit an unsere seit 1985 bewährte und beliebte Reihe „Musik im Kloster Saarn“ an. Weitere Informationen rund um das Weihejubiläum und unsere Aktivitäten finden Interessierte auf unserer Internetseite: www.kloster-saarn.com Und natürlich würden wir uns freuen, wenn unser Kirchengeburtstagsfest dazu beitragen könnte, dass mehr Menschen Kloster Saarn und seine Kirche (wieder) entdecken und so selbst zu Freunden und Förderern des Klosters werden würden.“
Weil die 1891 gegründete Pfarrgemeinde, zu der heute 15.000 katholische Christen gehören, 1897 zum Erzbistum Köln gehörte, wurde die Kirchenweihe am Kloster Saarn im Beisein des damaligen Pfarrer Johannes Gimken vom damaligen Weihbischof Anton Fischer vorgenommen, der fünf Jahre später von Papst Leo XIII. zum Kölner Erzbischof ernannt und 1903 zum Kardinal erhoben wurde. Saarn war 1897 noch kein Stadtteil Mülheims, sondern Teil der 1904 eingemeindeten Landbürgermeisterei Broich.

Ein Festtag

"Unsere katholischen Mitbürger hatten und haben die Ehre, den Weihbischof Dr. Fischer in ihrer Mitte zu haben. Der Kirchenvorstand geleitete ihn in einer Prozession zur Kirche der sich die Schulen, die katholischen Vereine und die Sankt- Sebastianusschützenbruderschaft anschloss. Die Straßen der Umgebung waren mit Kränzen und Fahnen geschmückt. Trotz des niederströmenden regens standen die menschen dicht an sicht Spalier. Der Bischof hat auch die Firmung vorgenommen und hat heute um 4 Uhr die Stadt wieder verlassen." (Zitat Mülheimer Zeitung vom 20.09.1897)
Die mit Mainsandsteinen im neuromanischen Stil errichtete Pfarrkirche ist ein im Stil einer Basilika errichteter Anbau der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Saalkirche, die heute den hinteren Teil des Kirchenschiffes bildet. „In unserer Kirche sind die unterschiedlichen Teilbauten sehr harmonisch miteinander verbunden worden“, sagt der heutige Pfarrer von St. Mariä Himmelfahrt, Christian Böckmann. Mit dem 1895 begonnen Kirchenumbau verschwand der Chorraum der alten Klosterkirche und mit ihm die dort installierte Kanzel. Außerdem erhielt die Kirche größere Fenster, durch die mehr Tageslicht ins Gotteshaus hineinkommen konnte. Doch ein Teil des alten Kirchenschiffs und mit ihm die bis zur Klosterschließung 1808 von den Zisterzienserinnen genutzte Nonnenempore blieb erhalten.

Hatte die alte Kirche des 1214 gegründeten Zisterzienserinnenkloster nur einen kleinen Dachreiter, so erhielt die neue Pfarrkirche mit der Erweiterung einen eigenen Glockenturm. Der vom erzbischöflichen Baurat Blanke geplante Kirchenneubau wurde am Ende des 19. Jahrhundert auch deshalb notwendig, weil die Zahl der Gemeindemitglieder im Zuge der Hochindustrialisierung durch die Zuwanderung von Arbeitskräften anstieg und die ehemalige Klosteranlage damals als Tapetenfabrik genutzt wurde.

Begegnungsstätte

„Dank der Klosterrestaurierung in den Jahren 1979 bis 1989 ist unsere Pfarrkirche als Teil des Klosters heute nicht nur ein Gottesdienstort, sondern auch ein Bürgerbegegnungszentrum“, sagt Pfarrer Böckmann mit Blick auf die Bürgerbegegnungsstätte Kloster Saarn, zu der die Pfarrbücherei, ein Bürgersaal, eine Cafeteria, Wohnungen der SWB, das im Jahr 2008 eröffnete Klostermuseum und seit 2011 ein Kräutergarten gehören. Dabei gehen der Kräutergarten und das Klostermuseum unmittelbar auf die Initiative der Saarner Klosterfreunde zurück, die sich bis heute intensiv um deren Betreuung und Fortführung bemühen.

Drei Orgeln

Mit ihrer drei Orgeln und durch das hohe Engagement von Professor Werner Schepp sowie die Initiative und stetige Unterstützung der Klosterfreunde, ist St. Mariä Himmelfahrt im Kloster Saarn seit den 1980er Jahren ein Zentrum der konzertanten Orgel- und Kirchenmusik.
Und dank der Oblaten des Heiligen Franz von Sales, die als Gemeindeseelsorger vor 53 Jahren ins Kloster Saarn einzogen, konnte auch die geistliche Tradition eines Ortes wiederbelebt werden, der nach der Reformation des 16. Jahrhunderts eine Enklave des katholischen Christentums blieb und an dem heute die ökumenische Gemeinschaft und Nachbarschaft mit der Evangelischen Kirchengemeinde Broich-Saarn gelebt wird. Von Ökumene war zum Zeitpunkt der Kirchenweihe anno 1897 noch keine Rede. Denn vor allem die Fronleichnamsprozessionen der Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt wurden von den evangelischen Saarnern, 20 Jahre nach dem Ende des preußischen Kulturkampfes gegen die römisch-katholische Kirche, immer wieder mit Argwohn und Protest begleitet. Das Grabmal der letzten Äbtissin, Agathe von Heinsberg, die bis zu ihrem Tod (1822) im späteren Pfarrhaus an der Klosterstraße lebte, ist bis heute ein sichtbares Zeichen des klösterlichen Ursprungs der Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt und ihrer jetzt 125 Jahre alten Pfarrkirche.

Donnerstag, 11. August 2022

DFB, bitte melden

 Die Profifußballerinnen der deutschen Nationalmannschaft genießen nach der erfolgreichen Europameisterschaft noch ihre Sommerpause. Ihre Amateur-Kolleginnen vom Niederrhein-Ligisten SV Heißen treten am 14. August bereits zu ihrem ersten Saison-Spiel bei den Fußballfrauen von Borussia Mönchengladbach an. In der abgelaufenen Spielzeit landeten die von Hasan Gören trainierten Heißenerinnen in der 4. Frauen-Fußball-Liga auf Platz 10 und damit im Tabellenmittelfeld.


"Der Spaß und die Leidenschaft für den Fußball steht für uns an erster Stelle. Aber wir sind als Mannschaft natürlich auch motiviert und ambitioniert und wollen deshalb jedes Spiel gewinnen", sind sich die vier Mannschaftsführerinnen Lisa Mölders, Katrin Wittfeld, Anna Rimkus und Shuipg Saliji einig. Einig sind sich die Versicherungsmaklerin, die Gesundheitskauffrau, die Bürokauffrau, die Gesundheitskauffrau und die Sozialversicherungsfachangestellte auch darin, "dass die deutschen Nationalspielerinnen eine großartige Europameisterschaft gespielt haben, bei der es Spaß gemacht hat, zuzuschauen." Doch nur Anna Rimkus glaubt nach der Vize-Europameisterschaft für die deutschen Profi-Fußballerinnen an einen langfristigen Schub für den Frauenfußball in Deutschland, der viel bewirken werde. Ihre Mannschaftskameradinnen gehen eher vor einem kurzfristigen Werbeeffekt, einem Strohfeuer der Euphorie aus, der vielleicht das eine oder andere Mädchen zum Fußballspielen bringen werde, vielleicht in einer der drei Mädchen-Mannschaften des SV Heißen.

Regionale Ausstrahlung



Für die Amateurfußballerinnen vom SV Heißen, die nicht nur aus Mülheim, sondern aus der gesamten Region kommen, wäre schon viel gewonnen, wenn sie, wie jetzt nach Mönchengladbach, nicht auf eigene Kosten mit dem eigenen Auto, sondern in einem Mannschaftsbus zu Auswärtsspielen fahren könnten. Einen Saison-Zuschuss des Deutschen Fußballverbandes für Amateurvereine, der das möglich machen könnte, wäre auch ganz im Sinne des Trainers Hasan Gören, der von den beiden Ko-Trainern Maurice Füssing und Kevin Bröhl unterstützt wird. Auch das Trainerteam arbeitet ehrenamtlich und mit Leidenschaft für den Fußball. Hasan Gören verdient seinen Lebensunterhalt als Energie-Elektroniker. 

Gören, der früher selbst Amateurfußballer war und nach einer Verletzung auf die Trainerbank wechselte sieht den Frauenfußball als "absolut etabliert" an. "Da gibt es für mich keinen Uterschied zum Männerfußball. Fußball ist Fußball. Und Team ist Team", sagt er. Doch seine Mannschaftsführerinnen würden sich schon eine finanzielle Besserstellung des Frauenfußballs durch den Deutschen Fußballbund wünschen, um Profifußballerinnen eine hauptberufliche Karriere und den Amateurspielerinnen zumindest eine überschaubare und ausgleichende Aufwandsentschädigung zu gewähren. "Denn Sprit ist teuer und wir investieren ja schon viel und kommen nach Feierabend dreimal pro Woche zum Training und sonntags zum Spiel", betont Anna Rimkus.

Jenseits aller materiellen Überlegungen lassen die vier Mannschaftsführerinnem des auch im Internet mitspielenden SV Heißen keinen Zweifel daran, dass der menschliche Zusammenhalt und die emotionale Entspannung, die sie bei ihrem Hobby Fußball erleben, für sie und ihre Mannschaftskameradinnen unbezahlbar sind.


und:

Mittwoch, 10. August 2022

Hotel 2.0

 An der Mellinghofer Straße geht eine Ära zu Ende? Marion und Hardy Kuhn übergeben das Hotel, dass ihre Eltern Hiltrud und Erwin 1968 errichtet und eröffnet haben, in neue Hände, um sich ins Privatleben zurückzuziehen.

Der 66-Jährige und die 59-Jährige gehen mit dem Gefühl, dass sie das in Autobahnnähe gelegene Hotel in gute Hände geben. Seit dem 15. Juli sind. Lothar Lahaye und sein Geschäftspartner, Christoph Hamann neue Eigentümer des Hauses. Das 62-Betten-Hotel, dass aus zwei Gebäuden besteht, zurzeit eine Baustelle. Hamann und Lahaye planen zum 1. Januar. 2023 eine Teil-Eröffnung und zum 1. März 2023 die vollständige Öffnung des dann generalüberholten Hotels, im kommenden Jahr als Just Stay. Mülheim an den Start gehen wird.

„Wir möchten unseren Gästen ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten, von dem sie positiv überrascht sein werden“, snd sich Lothar Lahaye und und Christoph Hamann einig. 2020 haben Sie gemeinsam das Hotel-Unternehmen Just Stay gegründet, das inzwischen drei Hotels. in Grevenbroich, Solingen und Ratingen betreibt.

Es überrascht, dass sich die beiden Unternehmer in einer Zeit als System-Hoteliers selbstständig gemacht haben, in der viele konventionelle Hotels, mangels Auslastung, geschlossen haben. Und nicht nur das: „Wir wollen in den nächsten zwei bis drei Jahren an insgesamt 10. Standorten im Rhein-Ruhr-Gebiet Just-Stay-Hotels eröffnen. Deshalb sind wir auch für entsprechende Immobilienangebote und Personalanfragen offen“, betont Christoph Hamann. Er beschreibt das in Asien und Skandinavien bereits erfolgreiche Konzept der Just-Stay-Hotels als „personal- und kontaktlos“ Auch. Hardy Kuhn hält das Konzept „für Tragfähig, weil es dem Trend zur Digitalisierung Rechnung trägt.“ Kuhn lässt zum Abschied keinen Zweifel daran, dass seine Entscheidung für den Ruhestand auch mit der durch die MST geförderderten Ansiedlung des Groß-Hotels Holiday Inn Express im Stadtquartier Schloßstraße zu tun habe.

Der aus dem Berufsleben scheidende Hotelier ist rückblickend davon überzeugt, dass die angestammte Mülheimer Hotellandschaft hätte, gestärkt und erhalten werden können, wenn die MST mit Blick auf Hotelbetten für Tagungsgäste in der Stadthalle auf den Vorschlag der örtlichen Hoteliers eingegangen wäre, für diese besondere Gäste-Klientiel einen kostenlosen Shuttle-Service anzubieten.

„Personal und kontaktloses Hotel, das hört sich sehr kühl an, ist es aber bei genauer Betrachtung nicht“, sagt Hotelunternehmer Christoph Hamann. Auch im neuen Just Stay Mülheim werden künftig Menschen arbeiten. Lahaye und Hamann haben die vier Vollzeit-Mitarbeitenden des Hotel Kuhn übernommen. Sie werden im Buffet-Dienst, als Standortleitung, im Reinigungsdienst und im Team der Service-Hotline mitarbeiten. Letztere ist an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr für Just-Stay-Hotelgäste erreichbar. Die Mitarbeit. Die Büffet-Kraft sorgt morgens dafür, dass alle Gäste bis sieben Uhr ihre Frühstücksbox an der Zimmertür hängen haben. Außerdem wird eine Standortleitung täglich zwischen. 14 und 21 Uhr vor Ort für die Gäste ansprechbar sein.. Zurzeit beschäftigt das in Düsseldorf ansässige Unternehmen insgesamt 16 Mitarbeitende. Christoph Hamann rechnet mit zusätzlichem Personalbedarf. Wie funktioniert das Just-Stay-Prinzip, das vergleichsweise günstige Übernachtungspreise zwischen 69 und 99 Euro ermöglicht? Wer bei Just-Stay ein Zimmer oder ein Apartment bucht, tut die telefonisch oder online auf einer Buchungsplattform. Er erhält eine Buchungsbestätigung und einen Check-Inn-Link. Über diesen öffnet man das Anmeldeformular, füllt es aus sendet es an Just Stay. So entfällt das Ein- und Auschecken an der Rezeption, die es in Just-Stay-Hotels nicht gibt.

Dann bekommt der Gast einen vierstelligen Code zugeschickt, mit dem er ins Hotel und aufs Zimmer kommt.

„Wir haben den Anspruch, ein gutes Hotel zu eröffnen und zu eine tägliche Zimmerreinigung und auf eine komfortable Ausstattung. Hotels und Zimmer, Marke Just Stay haben WLAN-Anschluss, Smart TV, Kühlschränke, eine SB-Longe, einen Fitness-Bereich und eine Gaming-Zone.

 

„Wir wissen, dass wir mit unserem Konzept nicht jeden Gast ansprechen. Unsere Zielgruppe ist vor allem Geschäftsreisende oder Menschen, die zu einer Familienfeier anreisen und eine schnelle, unkomplizierte und preiswerte Unterkunft brauchen“, erklärt. Christoph Hamann. Auch Projektleiter und Monteure, die. längerfristig an ihrem Einsatzort übernachten müssen gehören nach seiner bisherigen Erfahrung „zu unseren Stammgästen“!

In Mülheim sollen ab 2023 viele neue Stammgäste dazukommen, wenn es nach den Just-Stay-Hoteliers geht. Weitere Informationen zum Hotelunternehmen findet man im Internet unter. www.juststay.de


Meine Beiträge für NRZ und WAZ

Samstag, 6. August 2022

Ein Laden auf dem Lande

 „Hofläden spüren deutlich: Mülheimer sparen bei Lebensmitteln“ So berichtete diese Zeitung in ihrer Ausgabe vom 8. Juni. Biobauer Klaus Felchner hat dieser Beitrag dazu motiviert, sich mit einem Plädoyer für Qualitätsprodukte aus der biologischen Landwirtschaft an die Redaktion zu wenden. Felchners Hofladen am Bollenberg 74 in Raadt, der solche Produkte, freitags zwischen 12 und 18 Uhr, an die Frau und den Mann bringt, hat, wie ein Besuch am vergangenen Freitag zeigte, offensichtlich viele Stammkunden, die ihm auch in Zeiten der Inflation treu bleiben.

„Wenn die Qualität und die persönliche Ansprache stimmen, kommen die Kunden auch, wenn die Preise anziehen, weil es sich hier um Menschen handelt, die mit Herz und Verstand einkaufen“, sagt Klaus Felchner. Er betreibt seinen Hof in Nähe des Flughafens als Familienbetrieb. Seine Frau Monika und die gemeinsamen Töchter Viktoria, Johanna und Katharina sind nicht nur Familie, sondern auch Kollegen.

Das gilt beim Verkauf im Hofladen und auf den Essener Wochenmärkten in Rüttenscheid, Holsterhausen, Fronhausen und Heisingen, für die Bewirtschaftung der eigenen Obst- und Gemüsefelder, beim Kuchenbacken und beim Suppekochen  sowie für den Zukauf landwirtschaftlicher Bio-Produkte beim Demeter-Großhandel in Meckenheim. Bauchschmerzen macht den Felchners nur, dass sie ihren selbstgebackenen Kuchen und ihre selbstgekochten Suppen derzeit nur über ihren Hofladen verkaufen können, weil ihnen das Bauordnungsamt im März 2020 den Betrieb des Hofcafés untersagt hat. Klaus Felchner, der händeringend auf Grünes Licht aus dem Rathaus wartet, sagt angesichts des schwebenden Verfahrens nur soviel: „Es gibt baurechtlichen Klärungsbedarf!“

Vor und im Hofladen am Bollenberg trifft man Menschen, die hier gerne und entspannt einkaufen und sich sogar Zeit für ein Wort an die Leserinnen und Leser dieser Zeitung nehmen. Verpackungen und Tüten? Fehlanzeige. Alles wird unverpackt verkauft. Jeder Kunde hat sein eigenes Behältnis dabei.

„Ich schätze es, bei Menschen einzukaufen, die ich kenne und die eine besondere Beziehung zu ihren Produkten und zu ihren Kunden haben“, sagt Doris Wrobel. „Wenn ich vielleicht etwas mehr als beim Discounter bezahle, empfinde ich das nicht als Luxus. Denn ich lebe trotzdem schlicht und bevorzuge vegetarische Lebensmittel. Ich schaue beim Einkaufen nicht auf jeden Pfennig, sondern darauf, ob ich die Lebensmittel, die ich einkaufe, auch vertragen kann. Außerdem kaufe ich nicht gerne bei Discountern und in Supermärkten, weil idort schlechte Arbeitsbedingungen herrschen. Nach meiner Erfahrung kommt man finanziell gut hin, wenn man bewusst jahreszeitliche Produkte kauft und zum Beispiel keine Erdbeeren in der Weihnachtszeit essen muss.“

Birgit und Robert Lauer erklären: „Wir kaufen schon seit 15 Jahren hier ein. Der selbstgebackene Kuchen und die selbst gekochten Suppen schmecken einfach unglaublich gut. Wir legen Wert auf vollwertige Lebensmittel und darauf, dass wir uns beim Einkaufen wohlfühlen. Den Qualitätsunterschied zum Supermarkt und zum Discounter schmecken wir deutlich. Und wenn wir abrechnen, ist der Einkauf im Hofladen nicht viel teurer als wenn wir im Supermarkt oder beim Discounter einkaufen würden.“

„Wir kaufen hier fast jede Woche hier ein“, sagen Armin und Heide Rahman. Inzwischen bekommen Sie die aktuellen Angebote des Hofladens sogar via Whatsapp auf ihr Smartphone. Der selbstgebackene Kuchen ist großartig“, sind sich beide einig. Dass die Fechners aus baurechtlichen Gründen ihr  Hofcafé seit zwei Jahren nicht betreiben dürfen, verstehen die Rahmanns nicht. Ihnen gefällt auch der menschliche Anschluss, den sie im Hofladen erleben. Din Töchter der Felchners kennen sie schon von Kindheit an. Die Felchners die mit Freunden auch in der Feller Band gemeinsam musizieren, erinnern sie ein wenig an die irische Kelly Family. Tatsächlich könnte der Biohof Felchner rund um das 125 Jahre alte Fachwerkhaus auch irgendwo in Irland stehen.

Die beiden Kundinnen Sabine Schipper und Andrea Röntgen betonen: „Wir kaufen unseren täglichen Bedarf einfach gerne regional und um die Ecke, vor allem dann, wenn wir damit einen Familienbetrieb unterstützen können.“ Wenn es nach Ihnen ginge, könnte der Hofladen am Bollenberg nicht nur freitags geöffnet haben.


Meine Texte in NRZ und WAZ 


und 


Zum Hofladen Felchner

Schöne Straße?!

  Für die Mülheimer Presse und das neue Mülheimer Jahrbuch habe ich mich an 50 Jahre Schloßstraße erinnert. So alt bin ich also schon, dass ...