Inklusion und Barrierefreiheit sind heute in aller Munde. Alfred Beyer, der am 22. August seinen 80. Geburtstag feiert, hat die Hälfte seines Lebens auf dieser Baustelle gearbeitet. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Behindertenselbsthilfe und der chronischen Kranken (AGB) und des Vereins für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) schaut auf Erfolge und auf noch offene Baustellen seiner Arbeit.
Wie kamen Sie zu Ihrem ehrenamtlichen Engagement?
Beyer: Ich habe mich ursprünglich in der Jugendarbeit des
Kolpingwerkes engagiert. Die Arbeit mit und für Kinder und Jugendliche, die
sich Schritt für Schritt weiterentwickeln und so ihren Lebensweg gehen,
begeistert mich bis heute.
Wie kamen Sie zum Behinderten- und Rehabilitationssport?
Beyer: Nachdem ich durch meine Knochenkrebserkrankung ein
Bein verloren habe und meine berufliche Selbstständigkeit als Raumausstatter
aufgeben musste und mir ein Amtsarzt bescheinigt hatte: ‚Sie leben nicht mehr
lange‘, habe ich im Behinderten- und Rehabilitationssport Erfolgserlebnisse und
vor allem eine neue Lebensaufgabe gefunden.
Was verstehen Sie unter Inklusion?
Beyer: Das Prinzip: „Alles für alle!“ Wir müssen begreifen,
dass es keine behinderten, sondern nur beeinträchtigte Menschen gibt, die durch
die Gesellschaft behindert werden.
Wodurch zum Beispiel?
Beyer: Indem man nicht aufeinander zugeht und miteinander
spricht. Indem Arbeitgeber und beeinträchtigte Arbeitnehmer nicht
zueinanderkommen, weil sie die ihnen zustehenden beruflichen Integrationshilfen
nicht einfordern und nutzen. Indem Autofahrer Behindertenparkplätze oder
Gehwege zuparken. In dem es in unserer Stadt viel zu wenige barrierefreie
Toiletten gibt oder in dem das Schreiben vom Amt zu klein gedruckt wird, um für
Sehbehinderten lesbar zu sein.
Was sehen Sie als Erfolg Ihrer Arbeit an?
Beyer: Dass inzwischen einige beeinträchtige Menschen mit
entsprechenden Integrationshilfen bei der Stadtverwaltung arbeiten. Dass die
Checkliste für barrierefreies Bauen, die wir zusammen mit dem damaligen
Behindertenkoordinator der Stadt, Hermann Hofmann und seiner Nachfolgerin
Felicitas Bütefür, erarbeitet haben inzwischen nicht nur in Mülheim, sondern
bundesweit genutzt wird. Automatiktüren, breite Türen, die auch von
Rollstuhlfahrern passiert werden können. Taktile Leitlinien im öffentlichen
Raum, kontrastreiche Türen und Treppenstufen, Induktionsschleifen für
Schwerhörige, Aufzüge mit elektronischer Etagenansage, Rampen,
Haltestellen-Caps, die einen barrierefreien Zugang zu Bussen und Bahnen
ermöglichen sind klassische Formen des barrierefreien Bauens. Das muss nicht
teuer sein, wenn man es von Anfang an in die Bauplanung mit einbezieht. Leider
ist diese Einsicht bei einigen Architekten noch nicht angekommen, so dass ich
auf hartnäckige Überzeugungsarbeit leisten muss. Ich freue mich aber darüber,
dass das Historische Rathaus heute weitgehend barrierefrei ist und dass wir an
der Kaiserstraße und an der Mintarder Straße zwei weitgehend barrierefreie
Sporthallen haben.
Wie ist es um die Barrierefreiheit im öffentlichen
Nahverkehr bestellt?
Beyer: Da hat sich in den letzten beiden Jahren viel
zum Besseren gewandelt, weil die Ruhrbahn ihre Fahrer und Fahrerinnen für den
Umgang mit beeinträchtigten Menschen geschult hat. Und auch die von mir
erwähnte Akustik-App erleichtert es blinden Menschen, in den richtigen Bus und
die richtige Bahn einzusteigen und auch nach dem Aussteigen ihren Weg durch die
Stadt zu finden.
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