Donnerstag, 1. September 2022

Lokale Völkerverständigung

Der 1. September ist Antikriegstag. Es ist der Tag, an dem die deutsche Wehrmacht 1939 unsere polnischen Nachbarn überfiel und damit den Zweiten Weltkrieg begann. Auch wenn der Krieg, wie wir wissen, seitdem nicht aus der Welt verschwunden ist, haben die Menschen unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs nach 1945 den Wert der Völkerverständigung entdeckt. Die Gründung der Vereinten Nationen und der Europäischen Union sind nur zwei Beispiele dafür.

Völkerverständigung ist ein großes Wort. Grenzübergreifende Begegnungen von Mensch zu Mensch erfüllen dieses Wort mit Leben. Frieden und Völkerverständigung muss man erleben, zum Beispiel im Rahmen von Bürgerbegegnungen. Wenn jetzt am 4. September in der MüGa der 60. Geburtstag der deutsch-französischen und der 50. Geburtstag der deutsch-finnischen Städtepartnerschaft gefeiert wird, ist das auch ein Fest des Friedens und der Menschlichkeit.

Der Besuch der Gäste aus Tours und Kouvola führt uns den Mehrwert des Friedens. Als der Tourainer Bürgermeister Jean Royer und sein Mülheimer Amtskollege Heinrich Thöne 1962 Mülheims zweite Städtepartnerschaft begründeten, vollzogen sie damit auch die von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Staatspräsident Charles de Gaulles 1963 mit dem Elysee-Vertrag besiegelte deutsch-französische Freundschaft. Diese neue Freundschaft war ein politisches Wunder, die ich eine alte Erbfeindschaft überwand, die in drei Kriegen, aber auch während der französischen Ruhrbesatzung in den Jahren 1923 bis 1925 viel menschliches Leid mit sich gebracht hatte.

Wichtige Weichen gestellt

In der deutsch-finnischen Städtefreundschaft zwischen Mülheim und dem 2009 in der südfinnischen Gemeinde Kouvola aufgegangenen Kuusankoski, setzten die Pfarrer Ewald Luhr (Mülheim-Saarn) und Edwin Laurema (Kuusankoski) einen weiteren Meilenstein der bürgerschaftlichen Völkerverständigung. Finnland, dass inzwischen angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, Mitglied der Nato werden will, war damals ein neutraler Nachbar der Sowjetunion. Die dritte Mülheimer Städtepartnerschaft  passt 1972 in die Zeit der neuen deutschen Ost- und Entspannungspolitik der sozialliberalen Bundesregierung Brandt/Scheel.

Nicht von ungefähr fand die erste Ost-West-Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 1975 in der finnischen Hauptstadt Helsinki statt. Zurecht weist Rathaus-Mitarbeiterin Claudia Roos, angesichts des aktuellen Ukraine-Kriegs, darauf hin, dass Städtepartnerschaften, wie die zwischen Mülheim, Tours und Kouvola/Kuusankoski, mit Bürgerbegegnungen, auch abseits gemeinsamer kommunalpolitischer Herausforderungen, "ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir in Europa zusammengehören und zusammenstehen müssen."

Wichtige Weichensteller

Und zurecht weist der Vorsitzende des aktuell 400 Mitglieder zählenden Fördervereins der Mülheimer Städtepartner, Dr. Gerhard Ribbrock darauf hin, dass die Lebendigkeit und Wirksamkeit der Städtepartnerschaften und ihrer Bürgerbegegnungen, die eben mehr als Tourismus und Sightseeing sind, von engagierten Menschen abhängen. Das waren im Falle der Städtepartnerschaften mit Tours und Kuusamkoski zum Beispiel Menschen aus Mülheim, wie Madame le Tours, Brigitte Mangen und unser Mann für Finnland, Axel Benzinger.

Sabine Kuzma, die bei der Stadt Mülheim für internationale Beziehungen zuständig ist, weist darauf hin, dass die Stadt Mülheim, trotz ihrer Haushaltsnot, jährlich 6900 Euro für bürgerschaftliche Kontakte mit den Partnerstädten bereitstellt. Sie räumt aber auch ein, dass die Coronapandemie, verbunden mit personellen und strukturellen Veränderungen, hüben wie drüben, die Mülheimer Austauschprojekte mit seinen Partnerstädten, in den vergangenen beiden Jahren nahezu zum Erliegen gebracht haben. Insofern hofft man nicht nur im Rathaus, sondern auch bei den seit 1995 aktiven Mülheimerstädtepartnern, dass die aktuellen Begegnungen mit Freunden aus Tours und Kouvola einen Neuanfang in den Städtepartnerschaften möglich machen. Die gemeinsamen Anknüpfungspunkte und möglichen Aktionsfelder in den Bereichen Bildung, Umwelt, Verkehr, Kultur, Sport, Gastronomie, Tourismus und Digitalisierung liegen auf der Hand.


Zu den Mülheimer Städtepartnern und: Zu den Mülheimer Städtepartnerschaften

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