Mittwoch, 28. September 2022

"Wir haben eine tolle Botschaft!"

 Am 25. September hat sich die evangelische Lukaskirchengemeinde von ihrer Pfarrerin Dagmar Tietsch-Lipski verabschiedet. Dann wird die 63-jährige Theologin vom Superintendent Gerald Hillebrand als seine Stellvertreterin und als Pfarrerin entpflichtet. 42 Jahre hat sich Tietsch-Lipski, erst als Vikarin und dann als Pfarrerin in die Pflicht nehmen lassen. Ihren Dienst im Auftrag der Evangelischen Kirche trat die am Niederrhein geborene und aufgewachsene Theologin  zunächst in der Luther Gemeinde Oberhausen an, ehe sie 1986 vom Presbyterium der damals noch eigenständigen Johanniskirchengemeinde zur Pfarrerin gewählt wurde. Seit 2010 ist ihre Gemeinde ein Pfarrbezirk der Lukas-Kirchengemeinde, zu der heute rund 9000 evangelische Christen aus Eppinghofen, Styrum und Dümpten gehören. „Als ich 1986 hier meine Arbeit aufnahm, hatte die Johanniskirchengemeinde noch rund 10.000 Mitglieder“, erinnert sich Tietsch-Lipski an ihre ersten Jahre in Eppinghofen.

Obwohl sie nach ihrem Abitur auch mit der Schauspielerei und mit den Naturwissenschaften liebäugelte, entschied sich Dagmar Tietsch-Lipski 1977 für ein Studium der evangelischen Theologie, „weil ich ein kommunikativer Mensch bin, der gerne mit anderen Menschen zu tun hat.“.

Erst 1973 waren evangelische Pfarrerinnen mit ihren männlichen Kollegen gleichgestellt worden. „Bis dahin mussten Pfarrerinnen ihr Amt aufgeben, sobald sie heirateten. Und ich erinnere mich noch an einen alten Presbyter, der mir mal sagte: ‚Wenn ihr Mann erst mal genug verdient, hören Sie ja wohl auf, als Pfarrerin  zu arbeiten!‘“, berichtet Tietsch-Lipski aus dem selbst erlebten gesellschaftlichen Wandel. Die Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Söhnen, die ihren Mann während des Theologiestudiums kennengelernt hat, hätte, so sagt sie, „unter den früheren Rahmenbedingungen niemals das Pfarramt angestrebt, auch wenn Familiengründung damals noch kein Thema für mich war.“

Vor 50 Jahren gehörten noch 88 Prozent der Mülheimer einer christlichen Kirche an. Heute sind es nur noch 50 Prozent. Diesen gesellschaftlichen und demografischen Wandel hat auch Dagmar Tietsch-Lipski schmerzlich zu spüren bekommen. „Als Pfarrerin war die Seelsorge in Form des persönlichen Gesprächs immer mein Kerngeschäft. Aber ich muss zur Kenntnis nehmen, dass immer weniger Eltern ihre Kinder taufen lassen und auch immer weniger Gemeindemitglieder Wert auf einen Haus- oder Krankenbesuch der Pfarrerin legen“, stellt die Theologin fest. „Wir müssen ganz dringend an unserem Gemeinschaftsleben arbeiten. Die Menschen müssen Gemeinden wieder als Gemeinschaften erleben, die sie durchs Leben tragen, weil sie eben nicht nur reine Zweckverbände sind. Deshalb müssen wir unsere Frohe Botschaft, die Menschen Trost, Hoffnung und Freiheit gibt, besser verkaufen“, sagt die Theologin mit Blick auf die Zukunft der schrumpfenden christlichen Gemeinden. Auf die beiden vergangenen Corona-Jahre schaut die Pfarrerin in diesem Zusammenhang zwiespältig zurück: „Einerseits hat uns die Pandemie einen Digitalisierungsschub mit Videokonferenzen und geistlichen Videobotschaften gebracht, den es ohne die Pandemie so nicht gegeben hätte. Andererseits hat die Pandemie unserem Gemeindeleben geschadet, in dem sie die Zahl unserer sonntäglichen Gottesdienstbesucher noch einmal halbiert hat“, bilanziert sie,

Auch wenn sich Dagmar Tietsch-Lipski als Pfarrerin in Eppinghofen und als stellvertretende Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises An der Ruhr gerne in die Pflicht nehmen ließ, freut sie sich jetzt doch auch auf ihre Entpflichtung. „Ich werde jetzt mehr Zeit für Dinge, haben, die in den vergangenen Jahren viel zu oft liegen geblieben sind oder zurückstehen mussten: Lesen, Reisen und Freunde treffen. Doch auch nach meiner Entpflichtung und meinem Umzug nach Saarn, werde ich Mitglied der Johanniskirchengemeinde bleiben und weiterhin ehrenamtlich in den Arbeitsgemeinschaften für Klimaneutralität und Fairen Handel mitarbeiten“, schaut Dagmar Tietsch-Lipski auf ihre neue Lebensphase, in der sie als Pfarrerin weiterhin seelsorgerisch arbeiten kann, es aber nicht mehr muss.


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