Montag, 20. März 2023

ADE FRAU PFARRERIN

 Als Pfarrerin glaubt Esther Kocherscheidt von Berufswegen an das ewige Leben. Doch nicht nur ihr irdisches Berufsleben ist ebenso begrenzt wie das aller Menschenkinder. Mit einem Abschiedsgottesdienst, der am 19. März in der Matthäuskirche an der Oberheidstraße gefeiert wurde, endete ihr Berufsleben.

Mit ihrem Ruhestand beginnt für die evangelische Theologin, die mit ihrer Familie in einem Mehrgenerationenhaus im Schatten der Styrumer Immanuelkirche lebt, ein neues Leben. Kocherscheidt möchte mehr Zeit in ihrem Traumland Dänemark verbringen und Dänisch lernen. Sie hat schon einen entsprechenden Kurs des Katholischen Bildungswerkes Essen im Auge.

Arbeit im Team war für die aus Wuppertal stammende und seit 1992 als Pfarrerin im Mülheimer Norden arbeitende evangelische Christin noch nie ein Problem, sondern Teil der Lösung für eine im permanenten Strukturwandel lebende Kirche. 

Diesen Strukturwandel in einer aus demografischen und gesellschaftlichen Gründen schrumpfenden Kirche musste sie als Pfarrerin mitgestalten und miterleiden. Das ging nicht ohne Kritik, Selbstkritik, Enttäuschungen und menschliche Verletzungen ab. Kocherscheidt scheiterte mit ihrem Versuch, die Markuskirchengemeinde in die 2011 neugegründete Lukaskirchengemeinde hineinzuholen und im Rahmen dieser Fusion das Gemeindezentrum am Knappenweg aufzugeben.

Auch von ihrem geliebten Gemeindezentrum am Rolandskamp, das heute von einer freikirchlich-evangelischen Gemeinde genutzt wird, musste sie sich trennen. Nach 20 Jahren in der Markuskirchengemeinde, war Kocherscheidt dankbar für einen Neuanfang in der Lukaskirchengemeinde. Hier hat sie in den vergangenen zehn Jahren als Trauer- und Krisenbegleiterin sowie als „Schulpfarrerin“, Menschen aller Generationen „die lebensbewältigende Hilfe vermitteln können, die in den Geschichten der Bibel steckt.“ Auch heute können Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche nach Kocherscheidts Überzeugung mit der Bibel lernen, „dass man auch nach Niederlagen und Lebenseinschnitten immer wieder neu anfangen kann, wenn man sich der damit verbundenen Veränderungs- und Beziehungsarbeit stellt.“ Auch wenn sie die angehende Ruheständlerin auf eine Lebenszeit ohne Sitzungen und einen immer vollen Terminkalender freut, will sie ihre Lebenserfahrung auch in Zukunft nicht nur ihrer Familie, sondern als Lesepatin auch Kindern zugutekommen lassen, die das Lesen und Vorlesen erst noch als eine Lebenshilfe entdecken müssen, können und sollen.


Mülheimer Presse & Evangelische Kirche

Sonntag, 19. März 2023

Ein Thema fürs Leben

 Mit einem Thementag auf dem Kirchenhügel will das 2019 gegründete ökumenische Trauernetz Mülheim die die Themen Tod und Trauer aus der gesellschaftlichen Tabuzone herausholen und damit Menschen ansprechen und zusammenbringen, die sich mit diesen Themen beruflich, ehrenamtlich, persönlich und interessehalber beschäftigen. Aus diesem Kreis kommen auch die Akteure, die sich vor vier Jahren zum Trauernetz Mülheim zusammengetan haben. Bestatter und Trauerredner machen ebenso mit, wie Pfarrer, Trauerbegleiter, Psychologen, verwaiste Eltern und in der Hospizarbeit engagierte Menschen.

Bisher haben sich schon 50 Interessenten für den Thementag am 22. April angemeldet. Los geht es um 9.30 Uhr. Das Ende ist für 16.15 Uhr geplant. Auf die Teilnehmenden des Thementages warten 16 kognitive und kreative Vorträge, Workshops und einem Markt der Möglichkeiten. Tagungsorte sind das Petrikirchenhaus, die Petrikirche, die Marienkirche und im katholischen Stadthaus. „Wir können insgesamt 150 Menschen eine Teilnahme ermöglichen“, sagt Beerdigungsleiter und Trauerbegleiter Bernd Heßeler aus dem Lenkungskreis des Trauernetzes. Er stellt fest, dass sich bisher deutlich mehr Frauen als Männer für den Thementag angemeldet haben. „Männer tun sich deutlich schwerer damit, über ihre Gefühle zu sprechen, obwohl sie davon profitieren. Deshalb wünsche ich mir, dass sich noch deutlich mehr Männer für den Thementag anmelden“, sagt Heßeler.

„Ich freue mich, dass wir die Teilnehmenden des Thementages mit profilierten Referenten und Referentinnen ins Gespräch bringen können“, wirbt Diakonin Iris Schmitt. „Wir sprechen ausdrücklich auch Menschen an, die nicht um einen verstorbenen Menschen, sondern um den Verlust ihres Arbeitsplatzes, ihrer Lebenspartnerschaft oder ihrer bisherigen Lebenspläne trauern“, ergänzt Gemeindereferentin Andrea Schlüter. Sie ist „den einigen wenigen Sponsoren aus der Mülheimer Wirtschaft dankbar, die die Anschubfinanzierung des Thementages ermöglicht haben.“ Auch ein Teil des Hoffnungspreisgeldes der christlichen Stadtkirchen fließt in die Finanzierung des Thementages. Weitere Sponsoren sind aber willkommen.

Wer am Thementag rund um Tod und Trauer auf dem Kirchenhügel teilnehmen möchte, kann sich bis zum 17. März bei Iris Schmitt unter der Rufnummer: 01578/6403672 oder bei Andrea Schlüter unter der Rufnummer: 0208/380093 anmelden. Eine Online-Anmeldung ist möglich per Mail an: trauernetz-mh@kirche-muelheim.de oder per Post an: Iris Schmitt, Pastor-Barnstein-Platz 2, 45468 Mülheim. . Weitere Informationen findet man im Internet unter: www.trauernetz-mh.de. Die Teilnahme kostet zehn Euro. 

Samstag, 18. März 2023

Der kleine Prinz

 Zehn Jugendliche aus der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde haben am Samstagnachmittag zusammen mit Pfarrer Dietrich Sonnenberger auf dem ehemaligen Holthauser Friedhof an der Röntgenstraße das Grab des aus Kamerun stammenden Prinzen Moses Equalla Deido gepflegt und mit Tulpen, Narzissen und Primeln neu bepflanzt.

Prinz Moses Equalla Deido wurde auf dem 1878 angelegten und 1917 geschlossenen Friedhof beigesetzt, nachdem er am 1. Mai 1891 im Alter von nur 15 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben war. Diese hatte er sich im Winter 1890/91 nach einem Sturz in eine eiskalte mit Wasser gefüllte Lehmkuhle zugezogen.

Bevor sich die Jugendlichen aus der VEK mit Schippe, Schubkarre, Arbeitshandschuhen und Pflanzen auf den Weg zum alten Holthauser Friedhof machten, ließen sie sich bei einer Videokonferenz in der Pauluskirche an der Witthausstraße vom Urgroßneffen des Prinzen Moses Equalla Deido, Prinz Jean-Pierre Felix Eyoum vom Schicksal seines Vorfahren berichten. Sie staunten darüber, dass der heute 72-jährige Jean Pierre Felix Eyoum, über 40 Jahre als Sonderschullehrer in Bayern gearbeitet hat und heute mit seiner aus Düsseldorf stammenden Frau in München lebt, auf den Spuren seines Vorfahren wandelt.  Beeindruckt und berührt zeigten sich die Jugendlichen davon, dass der seit 1961 unabhängige westafrikanische Vielvölkerstaat Kamerun zwischen 1884 und 1919 eine deutsche Kolonie war und die Eltern des Prinzen Moses Equalla Deido ihrem Sohn etwas Gutes tun wollten, als sie ihn 1890 in das Land ihrer „Schutzmacht“ und ihrer Handelspartner schickten, damit er dort deren Sitten, Gebräuche und Sprache erlernen konnte. So besuchte er in Holthausen die Evangelische Volksschule am Werdener Weg und fand mit dem Volksschullehrerehepaar Heinrich und Anna de Jong Gasteltern. Sie und ihre Nachfahren pflegten dann auch über Jahrzehnte das Grab des in ihrer Obhut verstorbenen Prinzen aus Kamerun. 1902 besuchte König Epe Jim Equalla Deido das Grab seines Sohnes. Der König führte damals eine kamerunische Delegation an, die sich in Berlin über die Mängel der deutschen Kolonialverwaltung beschweren wollte.

Heute sind es nicht nur Pfarrer Dietrich Sonnenberger und Jugendliche aus seiner Kirchengemeinde, sondern auch eine Bürgerinitiative um die Holthauser Eheleute Wolfgang und Dagmar Peek, die sich um die Pflege des alten Holthauser Dorfriedhofes kümmern und ihn vor wohnungsbaulichen Begehrlichkeiten zu retten versuchen. Ausgang offen.

Pfarrer Dietrich Sonnenberger stieß durch seine Leidenschaft fürs Geo-Cashing auf das Holthauser Grab des unglücklichen Prinzen aus Kamerun, dessen Grabstein 1989 vom Mülheimer Steinmetz Klingenberg erneuert worden ist. Sonnenberger sagt: „Dass ist ein Stück unserer gemeinsamen Gesichte und gehört deshalb zu unserem Stadtteil. Indem wir die Erinnerung an das Lebensschicksal des Prinzen Moses Equalla Deido wachhalten, erinnern wir uns in einer zunehmend multikulturellen Stadtgesellschaft daran, wie wichtig es ist, dass wir uns als Menschen mit Empathie begegnen. Deshalb fände ich es auch schön, wenn eine der neuen Straßen in unserer Stadt nach Moses Equalla Deido benannt werden könnte und er, wie andere Persönlichkeiten, die zur Geschichte Mülheims gehören, ein städtisches Ehrengrab erhalten würden.“

Der 14-jährige Max Bungert, wundert sich bei der Gartenarbeit am Grab des jungen Prinzen aus Kamerun, „dass er damals ausgerechnet zu uns nach Mülheim gekommen ist.“ Ihn erschüttert es, „wie grausam auch die Deutschen die Menschen in ihren Kolonien behandelt und sie hier bei uns in Völkerschauen vorgeführt haben.“ Für ihn steht fest: „So etwas darf es nie wieder geben!“ Das sieht seine Mitstreiterin, die zwölfjährige Leticija Braun im Angesicht des Prinzengrabs genauso. Die Tochter einer bosnischen Mutter und eines deutsch-polnischen Vaters sagt: „Ich finde es krass, dass die europäischen Großmächte auf der Landkarte Afrikas einfach mit dem Lineal Staatsgrenzen gezogen und ihre Kolonien untereinander verteilt haben. Genauso krass und traurig finde ich, dass ein Junge, der gerade mal drei Jahre älter war, als ich es jetzt bin, weit weg von seiner Heimat in einem fremden Land sterben musste.“ Sie sieht das Lebensbeispiel des jungen Prinzen aus Kamerun, der seit nunmehr 132 Jahren in der Mülheimer Erde ruht, als eine Mahnung: „, dass wir uns vor Vorurteilen hüten und uns als Menschen besser begegnen und kennenlernen sollten.“


 Mülheimer Presse

Freitag, 17. März 2023

Was uns die Bibel zu sagen hat

 Was hat uns die Bibel heute zu sagen? Diese Frage versucht die Speldorfer Grafik-Designerin Cornelia Steinfeld mit den Mitteln ihrer Kunst, der visuellen Kommunikation zu beantworten. Am Freitagabend stellt die 41-Jährige ihr Buch: „Die Bibel in Formen und Farben“, dessen Texte und Grafiken im Herbst auch in der Petrikirche ausgestellt werden sollen um 19.30 Uhr in der Broicher Buchhandlung Bücherträume an der Prinzess-Luise-Straße 5 bis 7 dem interessierten Publikum vor.

Im Gespräch mit der Lokalredaktion erklärt die selbstständige Diplom-Grafikdesignerin, die vor allem für Auftraggeber aus Kirche und Kultur arbeitet, das Motiv ihres Projektes, das sie inzwischen auch in Kirchen und Schulen vorgestellt und diskutiert hat.

Wie kamen Sie zum Grafik-Design?

Steinfeld: Das hat mit einer Grafikdesignerin zu tun, bei der ich als Sechsjährige einen Malkurs besucht habe. Diese Frau hat mich so begeistert, dass ich damals schon wusste: Ich will beruflich einmal das Gleiche wie sie machen.

Was macht in unserer visuellen Informationsgesellschaft ein gutes Grafik-Design aus?

Steinfeld: Komplexe Dinge mit grafischen Mitteln auf ihren Kern zu reduzieren und diesen Kern damit auf den ersten Blick erkennbar zu machen. Wir haben es heute mit einer text- und bildreichen Informationsflut zu tun, die wir kaum noch verarbeiten können, weil sie so überladen ist. Hier setzt das Grafik-Design an, indem es Inhalte und Zusammenhänge vereinfacht darstellt und sie so selbsterklärend macht. Meine Farb- und Formensprache schafft in unserer schnelllebigen und hektischen Zeit Freiräume der kontemplativen Betrachtung, die unsere eigenen Ideen inspiriert.

Warum haben Sie die Bibel in Farben und Formen übersetzt?

Steinfeld: Ich möchte den Menschen zeigen, dass die alten Geschichten aus der Bibel uns auch heute noch viel zu sagen haben. Man muss nur den Kern verstanden haben, dann kann man daraus für sein eigenes Leben Inspiration und Stärke gewinnen. Der Glaube mit seinen Werten wie Nächstenliebe und Gemeinschaft ist das Wichtigste daran.

Was läuft falsch, wenn immer mehr Menschen die christlichen Kirchen verlassen?

Steinfeld: Ich glaube, dass es auch heute noch viele Menschen gibt, die auf der Suche nach Hoffnung, Gemeinschaft, Frieden und Glauben sind. Aber die Kirche muss offener, lebensnäher und ökumenischer werden. Sie muss auf Menschen zugehen und fragen: Was wollt ihr? Was braucht ihr? Was könnt ihr? Es müsste viel mehr Austausch und Vernetzung innerhalb der Kirche geben.

Haben Sie schon ein neues Buch mit Farben und Formen in Arbeit?

Steinfeld: Ja. Darin beschäftige ich mich mit dem Thema Trauer. Auch hier kann ich mit meinen Mitteln der visuellen Kommunikation trauernden Menschen Zeit und Raum für ihre selbstbestimmte Trauer geben. Ebenso wie in meinem Bibel-Buch werde ich auch in meinem Trauer-Buch mit der Kombination aus Farben, Formen und kurzen Impulstexten ganz unterschiedlicher Ko-Autorinnen und Autoren arbeiten. 

Cornelia Steinfeld: Die Bibel in Farben und Formen, 96 Seiten, Verlag Schnell und Steiner, im Buchhandel erhältlich für 19,90 Euro.


Mülheimer Presse

Mittwoch, 15. März 2023

"Wir alle sind Beethoven!"

 Klassik begeistert Kinder und ihre Eltern. Das 15. Mülheimer Familienkonzert trat am Sonntag den Beweis dafür an. Gleich dreimal ging das 70-minütige „Abenteuer Beethoven“ im vollbesetzten Theatersaal der Stadthalle über die Bühne. Kulturdezernentin Dr. Daniela Grobe dankte den Sponsoren, die die Neuauflage des Familienkonzertes möglich gemacht haben. Sie wünschte dem generationsübergreifenden Publikum „ein unvergessliches musikalisches Erlebnis, das froh und stolz macht.“

Eine Zufallsumfrage im Foyer zeigte, dass viele Eltern zum ersten Mal mit ihren Kindern ein Konzert besuchten und „deshalb gespannt auf das Abenteuer Beethoven waren.“

Nach dem Konzert sahen und hörten alle im Auditorium Beethovens Musik mit anderen Augen und Ohren. Sie hatten erlebt, warum dieser Komponist zu den größten seiner Zunft gehört. Dafür sorgten nicht nur die Instrumentalisten des Studierendenorchesters Münster, sondern auch die Schauspieler und Schauspielerinnen Ulrike Schwanse, Björn Lukas und Micha Baum vom Jugendtheater Hagen. Sie spielten ein konfuses Filmteam, das auf der Bühne und in den Reihen des Orchesters herum wuselte, um einen abenteuerlichen Beethovenfilm zu drehen. Scheinbar nebenbei gingen die Schauspielerinnen und Schauspieler dabei immer wieder von einer Instrumentengruppe zur nächsten und stellten so die verschiedenen Instrumente und Ihre Bedeutung für die sinfonische Sätze Ludwig van Beethovens vor. Ulrike Schwanse, die von Regisseurin Anja Schöne unterstützt wurde, war zugleich als Projektleiterin für die Familienkonzerte zuständig.

Nicht nur die Lacher der Kinder hatte das Theatertrio auf seiner Seite, als es unter anderem erzählte, dass Ludwig van Beethoven ein geniales aber auch ein chaotisches Genie war, das lieber seine Noten und seine musikalischen Ideen ordnete als seine Wohnung aufzuräumen und deshalb insgesamt 70-mal umzog. Mit den Musizierenden und ihrem Dirigenten Nicola sezierten die Schauspielerinnen und Schauspieler die Bedeutung und die Entstehungsgeschichte der Sinfonien ätze aus Beethovens.

Auf kindgerechte Weise erfuhr das Publikum zwischen den Takten und Noten auch, dass Beethoven, der im Laufe seines Lebens sein Gehör verlor, ein schweres Schicksal bewältigen musste, das er aber mit Lebensmut und mit einem unbedingten Willen zum Frieden, zur Freiheit und zur Gleichheit aller Menschen musikalisch und menschlich meisterte. Die musizierenden Studierenden aus Münster und die Grundschüler aus Mülheim, die zwischenzeitlich mit auf der Bühne standen, um Beethovens musikalische Intentionen mit Tönen, Geräuschen und Bewegungen zu inszenieren und zu interpretieren, bekamen viel Applaus. Einer der zuhörenden und auf der Bühne mitwirkenden Grundschüler brachte es auf den Punkt: „Wir sind alle Beethoven!“ Da passte es zum guten Schluss des Familienkonzertes, dass alle im Theatersaal gemeinsam Beethovens Ode an die Freude sangen. Ein Gewinn war auch die Licht,- Ton und Videotechnik. Sie brachte das Bühnengeschehen auf eine große Leinwand, so dass alle im Theatersaal immer auf Ballhöhe sein konnte.

 Nach der Aufführung waren sich Jens Kirchhoff und seine Söhne Mika (8) und Janne (5) einig: „Es war toll zu sehen und zu hören, was in der Musik Beethovens alles drinsteckt und was man mit Musik ausdrücken kann.“ Mika, der schon Beethovens „Für Elise“ auf dem Klavier spielen kann, gehörte als Drittklässler der Klostermarktschule nicht nur zu den Zuhörern, sondern auch zu den Akteuren auf der Bühne.


Mülheimer Presse



Dienstag, 14. März 2023

175 Jahre CVJM

 Er ist einer der ältesten Vereine der Stadt, der CVJM. Vor 175 Jahren wurde der Christliche Verein Junger Menschen als Evangelischer Männer- und Jünglingsverein aus der Taufe gehoben. Seinen heutigen Namen trägt der inzwischen von zwei Frauen, Jutta Tappe und Alina Gerdau geführte Verein seit 1981. Heute mag man es kaum glauben, dass es bis 1972 dauerte, ehe der CVJM Frauen als Vereins- und Vorstandsmitglieder in seine Reihen aufnahm.

1848. Das Gründungsjahr war ein revolutionäres Jahr, in dem die Bürger erstmals nach Freiheit und nationaler Einheit verlangten. Es war aber auch die Zeit der voranschreitenden Industrialisierung und Urbanisierung. Junge Männer kamen auf ihrer Suche nach Arbeit als Arbeiter und Handwerker in die Stadt. Oft kamen sie allein, ohne festen Halt und ohne Orientierung für ihr Leben. Vereinsamung und fehlende soziale Integration waren auch damals ein Thema.

Hier setzten die CVJM-Gründer an. Sie gründeten nicht nur eine Sonntagsschule zur Vermittlung christlicher Werte, sondern errichteten an der Friedrichstraße 1860 ein erstes Vereinshaus, in dem wandernde und alleinstehende Arbeiter und Handwerker eine gute Unterkunft und eine gute Gemeinschaft fanden.

Aus den Reihen des Vereins gingen auch sozialpolitische Initiativen zur Gründung des Evangelischen Krankenhauses und der Schmitts-Waisenstiftung aus. Die jungen evangelischen Männer in Mülheim wussten, wie der Gründer der katholischen Gesellenvereine, Adolph Kolping, dass die Sorge und Leib und Seele immer zwei Seiten derselben menschlichen Medaille sind.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erweiterte sich der Christliche Verein Junger Männer, diesen Namen führte er ab 1907, auf die Mülheimer Stadtteile und stellte mit Wilhelm Keienburg (1908) und Johannes Pieper (1925) erstmals hauptamtliche Mitarbeiter an. Infolge der Hyperinflation und der Weltwirtschaftskrise sah sich der CVJM Ende der 1920er Jahre gezwungen sein großes Vereinshaus an der Friedrichstraße in ein Hotel umzubauen, das unter seinen neuen Eigentümern zum Handelshof wurde.

Doch der Verein konnte in neuen Häusern an der Wertgasse, an der Vereins- und an der Kampstraße seine soziale und seelsorgerischer Arbeit fortsetzen. Ab 1946 organisierte der CVJM erstmals auch Sommerfreizeiten für Jugendliche, zunächst am nahen Niederrhein.

Seit 1962 lebt, lernt, arbeitet und feiert die CVJM-Familie in ihrem Vereinshaus an der Teinerstraße. „Es ist für uns ein Segen, dass wir Eigentümer des CVJM-Zentrums auf dem Kirchenhügel sind, so dass unsere Arbeit nicht immer wieder zur Disposition steht“, sagt der Sozial- und Religionspädagoge Michael Lingenberg, der seit 2019 als leitender Referent des CVJM organisatorisch den roten Faden der Mülheimer CVJM-Arbeit in Händen hält

Würden die Vereinsgründer heute auf die Internetseite des Mülheimer CVJM (www.cvjm-muelheim.de) schauen, so würden sie vieles von dem wiedererkennen, was sie zu ihrer Zeit mit deren Mitteln in und für Menschen in Mülheim geleistet haben. Sicher arbeitet der CVJM heute generationsübergreifender und weniger konfessionell als ökumenisch ausgerichtet.

Bibelstunden, gemeinsame Freizeitgestaltung und aktivierende Persönlichkeitsbildung gehören heute wie damals ebenso zur DNA des CVJMs wie die Bereitstellung von Übergangswohnraum und die Sorge für das leibliche Wohl bedürftiger Menschen, etwa bei einer Heiligabendfeier mit und für Alleinstehende.

Die CVJM Gründer wollten die jungen Männer einst vor den Gefahren der Großstadt schützen. Gemeinschaft und Sinn zu stiften ist zeitlos aktuell. Auch wir verstehen uns als ein Haus der offenen Türen, das als ein Teil der Stadt, etwas Gutes für die Stadtgesellschaft bewirken möchte“, unterstreicht Lingenberg. Das junge Menschen, auch jene, die die deutsche Sprache noch nicht beherrschen im CVJM Zentrum praktische Lebenshilfe bekommen, wenn es für sie zum Beispiel um die Erledigung der Hausaufgaben, das Schreiben einer Bewerbung oder das Ausfüllen eines Antrags für Hilfeleistungen geht, passt für Langenberg zum Kern des CVJM. Dabei ergeben sich immer wieder Veränderungen. So ist der 2008 vom CVJM eingerichtete Mittagstisch für Schüler durch die Einrichtung der Offenen Ganztagsgrundschule überflüssig geworden. Und während der Coronazeit musste auch die Gruppenarbeit im CVJM digitalisiert werden. „Unsere Bibelstunde gehörte zu den ersten Onlineveranstaltungen, so dass sie auch während der Pandemie kein einziges Mal ausfallen musste, freut sich Lingenberg. Mit Blick auf die junge Generation stellt er fest: „Jugendliche wollen heute die Umgebung, in der sie leben, mitgestalten und wir verschaffen ihnen hier den Freiraum dafür.“ So hat sich mit hauptamtlicher Unterstützung im CVJM Zentrum an der Teiner Straße ein Mädchentreff etabliert. Und die schon etwas länger existierende Gruppe Next Generation verbindet zeitgemäß Musik, Gesang, gemeinsame Freizeitaktivitäten und den inspirierenden Blick in die Bibel miteinander. Der Kreis der CVJM-Geschichte schließt sich für Michael Lingenberg „auch damit, dass wir derzeit zusammen mit der Diakonie darüber nachdenken unser Wohnheim für von Obdachlosigkeit bedrohte Männer in ein Studentenwohnheim umzuwandeln, weil das unserem personellen und inhaltlichem Profil vielleicht eher entspricht als die professionelle Betreuung von Menschen. Die könnte von der Diakonie besser geleistet werden als von uns.“ Derzeit wird die CVJM-Arbeit von 70 ehrenamtlich Mitarbeitenden getragen. Hinzukommen dreieinhalb Stellen für die offene Jugendarbeit, die von den Beiträgen der 200 Mülheimer CVJM-Mitglieder und durch Mittel der Stadt und des Landes finanziert werden.


Mülheimer Presse

Dienstag, 7. März 2023

Vin der Herberge zum Hotel

 Wo finde ich meinen Platz? Diese Frage hat sich für alle Menschen zu allen Zeiten gestellt, ob wortwörtlich oder im übertragenen Sinn. "Kein Platz, in der Herberge!" Diese Antwort bekam nicht nur die Heilige Familie in Betlehem zu hören, sondern auch viele junge Männer, die zum Beispiel als Handwerker auf der Waltz im 19. Jahrhundert durch Mülheim kamen.

Nicht nur diese Männer wollte der 1848 gegründete Evangelische Jünglingsverein, der sich ab 1907 Christlicher Verein Junger Männer und ab 1971 Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM) nannte, nicht allein lassen, sondern ihnen und anderen Menschen, die ihren Platz in der Stadt und in der Gesellschaft suchten, einen solchen Platz geben. 

An einem guten Platz

So entstand 1860 das erste und 1906 das zweite Vereinshaus des CVJM an der Friedrichstraße, letzteres geplant vom Mülheimer Architekten und Zeitungsverleger Franz Hagen. Hier fanden die Gäste, ab 1907 erstmals auch von einem hauptamtlichen CVJM-Sekretär betreut, nicht nur Kost und Logie, sondern auch Nahrung für die Seele, frei nach dem CVJM-Motto: "Leben aus der Quelle"!

So wurde die christliche Herberge auch zum Vereinshaus, zum Gemeindehaus, zum Gottesdienstort, zur Sonntagsschule und zum geselligen und auch persönlichkeits-bildenden Veranstaltungsort im Zentrum der Stadt am Fluss.

Doch durch die Folgen der Hyperinflation und der Weltwirtschaftskrise sahen sich die frommen Männer 1930 dazu gezwungen, ihr großes und repräsentatives Haus an der Friedrichstraße zu verkaufen. So wurde aus der christlichen Herberge ein weltliches, aber nicht minder gastliches Haus, das von 1934 bis 2022 von der Familie Hesse als Hotel Handelshof geführt worden ist und der Stadtgesellschaft über Jahrzehnte auch als vielseitiger und beliebter Veranstaltungsort gedient hat. Um 1950 war der Mülheimer Handelshof das größte Hotel Westdeutschland, in dem auch viele Kulturveranstaltungen über die Bühne gingen, weil die im Krieg zerstörte Stadthalle erst 1957 wiederaufgebaut war.

Nicht nur die Folgen der Coronapandemie, sondern auch die massive Konkurrenz durch größere und modernere Hotels in Mülheim und seinen Nachbarstädten beendeten den familiären Hotelbetrieb an der Friedrichstraße. Aus dem Handelshof, soll jetzt hinter der historischen und seit 1993 denkmalgeschützten Fassade eine moderne Seniorenresidenz entstehen. Der demografische Wandel lässt grüßen. Heute sind 30 Prozent der Mülheimer 60 und älter.


Mülheimer Presse

Freitag, 3. März 2023

Was der Krieg für uns bedeutet

 Im Oktober 2022 war die Düsseldorfer Generalkonsulin Iryna Shum zu Gast bei den Herbstgesprächen der CDU im Haus der Stadtgeschichte. Ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine folgte sie jetzt einer Einladung der SPD ins ehemalige Tengelmann-Casino.

Eingeladen hatten die beiden sozialdemokratischen Abgeordneten Sebastian Fiedler (Bundestag) und Rodion Bakum (Landtag). Fiedler beschäftigt in seinem Büro seit einigen Monaten die 21-jährige ukrainische Pädagogin Anastasia Ilchenko, die zurzeit in Deutschland ein Studium als Übersetzerin absolviert. "Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich in Deutschland einen sicheren Ort gefunden und offenherzige Hilfe ohne Gegenleistung bekommen habe. Ich bin so der Kriegslotterie des Todes entkommen. Aber die Angst um meine Verwandten in der Ukraine begleitet mich", berichtete die Anastasia Ilchenko, die seit März 2022 in Deutschland lebt in erstaunlich gutem Deutsch.

Iryna Shum dankte Deutschland dafür, dass es seit Kriegsbeginn eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen habe. In Mülheim haben innerhalb der zwölf vergangenen Monate 2000 Menschen aus der Ukraine, vor allem Frauen und Kinder, Zuflucht in Mülheim gefunden. "Meine Landsleute sind unfassbar dankbar für die humanitäre und waffentechnische Hilfe, die sie aus Deutschland erhalten", betonte die Generalkonsulin. Die Tatsache, dass seit Kriegsbeginn 100 deutsch-ukrainische Städtepartnerschaften und eine Regionalpartnerschaft zwischen dem Lad Nordrhein-Westfalen und der zentralukrainischen Region Dnipropetrowsk geschlossen worden sind, sieht Shum als Indiz dafür, dass s ich die deutsch-ukrainischen Beziehungen in den vergangenen zwölf Monaten verbessert und intensiviert haben.

"Sagen Sie den Menschen, dass wir mit Waffen weiterkämpfen werden und dass wir ohne Waffen weiterkämpfen werden", zitierte die Diplomaten einen ukrainischen Soldaten, mit dem sie kürzlich darüber gesprochen habe, welche Botschaft sie den Deutschen, seiner Ansicht nach, vermitteln sollte. Aus ihrer Sicht "müssen die Russen ihre Geschichte genauso selbstkritisch aufarbeiten, wie es die Deutschen nach 1945 getan haben, damit es zu einem dauerhaften Frieden und zu einer Versöhnung zwischen Russen und Ukrainern kommen kann.

Einig waren sich alle Veranstaltungsteilnehmerinnen darin, dass die Ukraine das Opfer eines russischen Angriffskrieges sei und eine deutsche und europäische Unterstützung der ukrainischen Selbstverteidigung deshalb auch völkerrechtlich legtim sei. Zu deutschen und europäischen Waffenlieferung gab es aber auch kritische Stimmen, die bezweifelten, dass man auf diesem Weg Putin militärisch besiegen und so zu Friedensverhandlungen zwingen könne.

Shum wies darauf hin, dass der russische Krieg in der Ukraine bereits 2014 mit der russischen Anektion der Krim und der militärischen Unterstützung der Separatisten in der Ukraine begonnen und bisher 14.000 Menschenleben gefordert habe. Shum machte deutlich: "Dieser Krieg wird kein Sprint, sondern ein Marathon!"

Sebastian Fiedler, der in der SPD-Fraktion die Arbeitsgruppe Kriminalpolitik leitet, warnte vor den Folgen russischer Cyberangriffe und russischer Desinformationspolitik. Für ihn steht außer Frage, "dass die eingefrorenen Vermögen der Unternehmer, die Teil des Systems Putin sind, nicht nur eingefrorenen, sondern auch enteignet und nach dem Krieg in den Wiederaufbau der Ukraine fließen müssen."

 

Mülheimer Presse

Donnerstag, 2. März 2023

In guter Gesellschaft

 Es ist eines der repräsentativsten Gebäude unserer Stadt, ein architektonischer Gruß aus dem 19. Jahrhundert. Heute ist das Casino an der Delle 57 ein freikirchliches Gemeindezentrum und eine private Musikschule. Eine Lyra über dem Portal zeigt an. Hier war von Anfang an Kultur zu Hause.

Errichtet wurde das Haus an der Delle, die damals Mülheims Hauptstraße war, von der 1816 gegründeten und bis heute existierenden und aktiven Bürgergesellschaft Casino. Hier traf sich das gehobene Bürgertum der damals noch jungen und vergleichsweise kleinen Stadt Mülheim, um unter Gleichgesinnten Geselligkeit und Kultur zu pflegen. Über 100 Jahre war das Haus im Besitz der Casino-Gesellschaft, ehe sie es an den Stinnes-Konzern verkaufte. 

1842, wenige Jahre vor der bürgerlichen Revolution von 1848/49, machte das aufstrebende Wirtschafts- und Bildungsbürgertum dem Adel seine gesellschaftliche Dominanz streitig. Mit der voranschreitenden Industrialisierung verlor der Landadel zunehmend an Bedeutung, während das Bürgertum einen sozialen Aufstieg erlebte, der aber nur sehr bedingt auch seine politischen Rechte und Einflussmöglichkeiten erhöhte. Denn auch nach der 1849 gescheiterten Revolution folgte eine Phase der monarchischen Restauration und der politischen Reaktion.

In dieser Phase der deutschen Geschichte gab es auch in Mülheim zahlreiche Vereinsgründungen. Beispielhaft seien hier nur der Schützenverein von 1837, die Karnevalsgesellschaft Aula um 1850, der bis 2016 existierende Männergesangverein Frohsinn (1852) und die bis heute bestehende Turngemeinde 1856 erinnert.

In einer Gesellschaft, die wesentlich immobiler, autokratischer und weniger medial geprägt war als unsere heutige Gesellschaft, boten Vereine dem Bürgertum einen wichtigen gesellschaftlichen Schutzraum, indem es nicht nur eine kulturell anregende und sozial hilfreiche Geselligkeit, sondern auch einen weitgehend freien Gedankenaustausch pflegen konnte.

Mit eben dieser Zielsetzung hatten sich auch in Oldenburg (1785), Berlin (1786), Saarbrücken (1796) und Frankfurt am Main (1802) Bürger in einer Casino-Gesellschaft zusammengefunden. Dem Mülheimer Beispiel folgend gründeten auch Duisburger Bürger im Jahr 1858 eine Casino-Gesellschaft.

Es passt ins politische und historische Bild, dass die nationalliberale Fraktion in der 1848/49 in der Frankfurter Paulskirche tagenden Nationalversammlung im Haus der Frankfurter Casino-Gesellschaft tagte. 175 Jahre später leben wir in einer demokratischen, pluralistischen und multikulturellen Medien- und Informationsgesellschaft, in der die Pflege von Geselligkeit, Kulturgenuss und Gedankenaustausch und völlig anderen Vorzeichen stattfindet als etwa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dennoch bleibt das Anliegen der Casino-Gesellschaft auch heute aktuell, in dem es einen Kontrapunkt zur radikalen Individualisierung unserer postmodernen Gesellschaft setzt.


Zur Mülheimer Casino-Gesellschaft

Mittwoch, 1. März 2023

Das Ende einer Kirche

 Die Kirche bleibt im Dorf. Die Kirche. Das ist Herz Jesu. Das Dorf ist der Mülheimer Stadtteil Broich. Doch nichts mehr ist so, wie es bis zum 25. Februar war, zumindest für den katholischen Teil der Broicher. Denn an diesem Tag wurde die 1892 eingeweihte Kirche von Weihbischof Wilhelm Zimmermann außer Dienst gestellt. "Ein schreckliches Wort, dass Ihrer Trauer und ihrem Schmerz nicht gerecht wird", gestand Zimmermann den 400 Besuchern des letzten Gottesdienstes in Herz Jesu.

"Schade, dass die Kirche in den vergangenen Jahren nicht öfter so rappelvoll war, wie heute", räumten einige Gemeindemitglieder ein. Tatsache ist: Die Zahl der katholischen Gemeindemitglieder ist seit 2006 von 20.000 auf 14.000 zurückgegangen. Todesfälle und Kirchenaustritte, nicht nur aufgrund der Missbrauchsfälle im katholischen Priesteramt führen dazu, dass die seit 2006 zur Linksruhrpfarrei St. Mariä Himmelfahrt gehörende Gemeinde Herz Jesu die notwendige Restaurierung ihres Gotteshauses nicht mehr finanzieren kann. Allein in den Jahren 2020 und 2021 haben in Mülheim 1828 katholische Christen ihre Stadtkirche verlassen,

Die Rede ist von einem Imvestitionsbedarf in Höhe von rund zwei Millionen Euro. Nach ihrer Schließung soll die Kirche verkauft und umgewidmet werden. Das Ausschreibungsverfahren des Bistums dauert zunächst bis Ende März. Dann wollen Kirchenvorstand, Pfarrgemeinderat und Pastoralversammlung darüber entscheiden, wie es mit dem denkmalgeschützten Gebäude weitergehn soll.

"Ich habe als Kirchenvorstand emotional gegen die Kirchenschließung gestimmt, kann sie rational aber nachvollziehen", sagte Kirchenvorstand Elke Middendorf nach dem Abschiedsgottesdienst, in dem auch Tränen flossen und Stimmen bei den Fürbitten versagten. Vielen, auch aktiven Gemeindemitgliedern, geht es ebenso wie ihr mit dem Schließungsbeschluss vom vergangenen September. 

Eigentlich hatte das 2018 verabschiedete Pfarreientwicklungsvotum die Schließung von Herz Jesu erst für 2030 in Aussicht gestellt. Mülheim und Broich sind mit den Folgen des demografischen und gesellschaftlichen Wandels nicht allein. Weihbischof Zimmermann weist darauf hin, dass das Ruhrbistum seit seiner Gründung 1958 fast die Hälfte seiner damals noch 1,3 Millionen Kirchenmitglieder verloren hat. Heute leben an der Ruhr noch 720.000 Katholiken.

Die Diskussion beim Imbiss nach dem letzten Gottesdienst in Herz Jesu, wo es noch eine hörbar fantastische Orgel gibt offenbarte Zweckoptimismus, Trauer, Wut, Enttäuschung und Kritik an der katholischen Amtskirche, die sich vor allem in ihrer römischen Zentrale reformunwillig zeigt.

Dass der evangelische Superintendent Gerald Hillebrand die katholischen Christen in Broich zu einer ökumenischen Mitnutzung der evangelischen Nachbarkirche an der Wilheminenstraße einlud, wo auch die Osterkerze von Herz Jesu ihren neuen Platz finden soll, wurde von den Gottesdienstbesuchern mit Beifall quittiert. Nicht wenige Gemeindemitglieder aus Herz-Jesu tuen sich offenbar schwer, nahtlos in die katholische, aber in Speldorf beheimatete Gemeinde St. Michael zu wachsen.

Dass sich die römisch-katholische Kirche unter dem Eindruck der massenhaften Kirchenaustritte reformiert und ökumenisiert, war die hoffnungsvollste Perspektive, die im Kirchenschiff von Herz Jesu zu hören war.

Kritisch angemerkt wurde, dass die Kirche ihre interne und externe Kommunikation verbessern, ihre Kinder,- Jugend- und Familienarbeit verstärken und ihrer Führung verjüngen muss. Auch Priester, die lebensnäher predigen und sich weniger als Kirchenbeamte, denn als Seelsorger verstehen standen auf der Wunschliste der katholischen Christen aus Broich.


Mülheimer Presse & Katholische Stadtkirche

ADE FRAU PFARRERIN

  Als Pfarrerin glaubt Esther Kocherscheidt von Berufswegen an das ewige Leben. Doch nicht nur ihr irdisches Berufsleben ist ebenso begrenzt...