Mittwoch, 1. März 2023

Das Ende einer Kirche

 Die Kirche bleibt im Dorf. Die Kirche. Das ist Herz Jesu. Das Dorf ist der Mülheimer Stadtteil Broich. Doch nichts mehr ist so, wie es bis zum 25. Februar war, zumindest für den katholischen Teil der Broicher. Denn an diesem Tag wurde die 1892 eingeweihte Kirche von Weihbischof Wilhelm Zimmermann außer Dienst gestellt. "Ein schreckliches Wort, dass Ihrer Trauer und ihrem Schmerz nicht gerecht wird", gestand Zimmermann den 400 Besuchern des letzten Gottesdienstes in Herz Jesu.

"Schade, dass die Kirche in den vergangenen Jahren nicht öfter so rappelvoll war, wie heute", räumten einige Gemeindemitglieder ein. Tatsache ist: Die Zahl der katholischen Gemeindemitglieder ist seit 2006 von 20.000 auf 14.000 zurückgegangen. Todesfälle und Kirchenaustritte, nicht nur aufgrund der Missbrauchsfälle im katholischen Priesteramt führen dazu, dass die seit 2006 zur Linksruhrpfarrei St. Mariä Himmelfahrt gehörende Gemeinde Herz Jesu die notwendige Restaurierung ihres Gotteshauses nicht mehr finanzieren kann. Allein in den Jahren 2020 und 2021 haben in Mülheim 1828 katholische Christen ihre Stadtkirche verlassen,

Die Rede ist von einem Imvestitionsbedarf in Höhe von rund zwei Millionen Euro. Nach ihrer Schließung soll die Kirche verkauft und umgewidmet werden. Das Ausschreibungsverfahren des Bistums dauert zunächst bis Ende März. Dann wollen Kirchenvorstand, Pfarrgemeinderat und Pastoralversammlung darüber entscheiden, wie es mit dem denkmalgeschützten Gebäude weitergehn soll.

"Ich habe als Kirchenvorstand emotional gegen die Kirchenschließung gestimmt, kann sie rational aber nachvollziehen", sagte Kirchenvorstand Elke Middendorf nach dem Abschiedsgottesdienst, in dem auch Tränen flossen und Stimmen bei den Fürbitten versagten. Vielen, auch aktiven Gemeindemitgliedern, geht es ebenso wie ihr mit dem Schließungsbeschluss vom vergangenen September. 

Eigentlich hatte das 2018 verabschiedete Pfarreientwicklungsvotum die Schließung von Herz Jesu erst für 2030 in Aussicht gestellt. Mülheim und Broich sind mit den Folgen des demografischen und gesellschaftlichen Wandels nicht allein. Weihbischof Zimmermann weist darauf hin, dass das Ruhrbistum seit seiner Gründung 1958 fast die Hälfte seiner damals noch 1,3 Millionen Kirchenmitglieder verloren hat. Heute leben an der Ruhr noch 720.000 Katholiken.

Die Diskussion beim Imbiss nach dem letzten Gottesdienst in Herz Jesu, wo es noch eine hörbar fantastische Orgel gibt offenbarte Zweckoptimismus, Trauer, Wut, Enttäuschung und Kritik an der katholischen Amtskirche, die sich vor allem in ihrer römischen Zentrale reformunwillig zeigt.

Dass der evangelische Superintendent Gerald Hillebrand die katholischen Christen in Broich zu einer ökumenischen Mitnutzung der evangelischen Nachbarkirche an der Wilheminenstraße einlud, wo auch die Osterkerze von Herz Jesu ihren neuen Platz finden soll, wurde von den Gottesdienstbesuchern mit Beifall quittiert. Nicht wenige Gemeindemitglieder aus Herz-Jesu tuen sich offenbar schwer, nahtlos in die katholische, aber in Speldorf beheimatete Gemeinde St. Michael zu wachsen.

Dass sich die römisch-katholische Kirche unter dem Eindruck der massenhaften Kirchenaustritte reformiert und ökumenisiert, war die hoffnungsvollste Perspektive, die im Kirchenschiff von Herz Jesu zu hören war.

Kritisch angemerkt wurde, dass die Kirche ihre interne und externe Kommunikation verbessern, ihre Kinder,- Jugend- und Familienarbeit verstärken und ihrer Führung verjüngen muss. Auch Priester, die lebensnäher predigen und sich weniger als Kirchenbeamte, denn als Seelsorger verstehen standen auf der Wunschliste der katholischen Christen aus Broich.


Mülheimer Presse & Katholische Stadtkirche

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