Samstag, 31. August 2024

Warum immer wieder dienstags?

 In Deutschland wählen wir sonntags, an dem Tag, an dem Gott, der biblischen Überlieferung zufolge, an dem Gott sich von seinem Schöpfungswerk ausruhte und an dem auch wir eine schöpferische Pause einlegen dürfen, nicht nur um zu wählen. 

Übrigens. Merken Sie sich schon mal den Sonntag, 28. September 2025, vor. Dann steht die Bundestagswahl und damit voraussichtlich auch die Kommunalwahl in unserem Kalender. Nicht nur in Thüringen, Sachsen und Brandenburg wird, immer wieder sonntags, gewählt, sondern auch in den USA, aber nicht an einem Sonntag, sondern an einem Dienstag, dem ersten Dienstag im November.

Wenn es nach den Deutschen ginge, wäre die 60. Präsidentschaftswahl schon zugunsten der Demokratin Kamala Harris entschieden, die damit als erste Präsidentin der USA und als 47. Präsident der USA ins Weiße Haus einziehen könnte, nachdem die erste Präsidentschaftskandidatin der US-Geschichte 2016 gegen den späteren US-Präsidenten Trump verloren hatte

Der jüngste Deutschlandtrend der ARD zeigt: 77% der Befragten würden das demokratische Ticket Harris/Walzt wählen und nur 10% das republikanische Ticket Trump/Vance 

Aber wir Deutschen dürfen in den USA natürlich nicht mitwählen, obwohl uns das Wahlergebnis in jedem Fall unmittelbar beeinflussen wird. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sowohl Trump als auch Walz deutsche Vorfahren haben, die aus der Pflaz und aus Baden in die USA eingewandert sind.

Immerhin einem Viertel der Amerikaner geht es so, wie Trump und Walz. Sie haben deutsche Vorfahren.

Während die Wahl von Kamala Harris ein historisches Novum wäre. Sie ist nicht nur eine Frau, sondern hat auch indische und jamaikanische Wurzeln, würde für den erneuten Einzug des 2020 abgewählten Präsidenten Trump ins Weiße Haus gelten müssen: Alles schon mal da gewesen. Denn der Demokrat Grover Cleveland wurde 1884 zum 22. und 1892 zum 24. Präsident der USA gewählt. Der vormalige Bürgermeister von Buffalo und Gouverneur von New York war auch der erste Junggeselle, der ins Weiße Haus einzog und sich dort 1886 traute seine First Lady NN zu heiraten.

Wie Trump 2016, wurde auch Cleveland, der in den USA die progressive Einkommenssteuer einführte, an einem ersten Dienstag im November in sein Amt gewählt. Warum nicht an einem Sonntag?

Die Kongressabgeordneten und US-Senatoren entschieden sich 1845 für eine Dienstagswahl, die sie 1872 und 1915 auch auf das Repräsentantenhaus und auf den Senat übertrugen, weil für sie der Sonntag als Tag des Herrn nicht für einen politischen Wahlakt eigne. Auch den Samstag und den Donnerstag schlossen sie als Markttag und als traditionellen Wahltag der ehemaligen britischen Koilonialtag kategorisch aus. Der Freitag galt ihnen als Vorbereitungstag für den Markttag am Samstag. Und der Montag wurde von ihnen als notwendiger Anreisetag der Wähler angesehen, so dass für sie nur der Dienstag als Wahltag in Frage kam.

Einen Anreisetag brauchten, die frühen Präsidentschaftswähler, weil sie nach der Einführung des allgemeinen und freien Männerwahlrechtes, im Jahre 1830, nur in den Bezirkshauptstädten der USA wählen und deshalb zu Fuß oder per Kutsche anreisen mussten. Das galt auch für die von ihnen gewählten Wahlmänner, die im Wahlmännerkollegium als Repräsentanten der Bundesstaaten, die eigentliche Präsidentschaftswahl im Kongress zu Washington vollzogen.

Dieses für uns Europäer ungewöhnliche indirekte Mehrheitswahlrecht kann im Extremfall dazu führen, zuletzt bei der Präsidentschaftswahl 2016, dass auch ein Kandidat zum Präsidenten gewählt wird, der in der Urwahl weniger Stimmen als sein Kontrahent, aber die Mehrheit im Wahlmännerkollegium gewonnen hat. Denn bei den US-Präsidentschaftswahlen, an denen seit 1865 auch schwarze Männer und seit 1920 auch Frauen teilnehmen können, gilt in allen Bundesstaaten: "The Winner takes it all!" ("Der Sieger bekommt alles!") Wer in einem Bundesstaat im Zweifel auch nur eine knappe Mehrheit der Stimmen gewinnt, bekommt alle Wahlmännerstimmen des jeweiligen Bundesstaaten.

Wahlentscheidend ist dabei der Ausgang in den sogenannten Swing States, die mal mehrheitlich für einen demokratischen oder für einen republikanischen Kandidaten stimmen. Als Swing States gelten zurzeit: Michigan, Ohio, Florida, Pennsylvania, South und North Carolina, Minnesota, Wissconssin, Arizona, Georgia, Nevada und New Mexico. Diese Wechselwählerstaaten stellen aktuell, gemessen an ihrer Bevölkerung, 130 der aktuell 538 Wählmänner und Wahlfrauen.

Sollte tatsächlich mit der ersten Vizepräsidentin der USA, Kamala Harris, am 20. Januar 2025 erstmals eine US-Präsidentin ins Weiße Haus einziehen, würde ihr Ehemann, der Rechtsanwalt, Douglas Emhoff, der erste First Gentleman der USA. Und des würde sich die Prognose des republikanischen US-Präsidenten Gerald Ford bewahrheiten. Er hatte während seiner Amtszeit (1974-1977) die entsprechende Frage einer Schülerin dahingehend beantwortete, dass die erste Frau, die als US-Präsidentin ins Weiße Haus einziehen werde, eine ehemalige Vizepräsidentin sein werde, deren Präsident gestorben oder aus gesundheitlichen Gründen auf eine Wiederwahl verzichtet habe.



Freitag, 30. August 2024

Kommunalpolitik trifft Kunst

 Auch während der Sommerferien haben sich Ratsfraktionen auf ihren Mülheim-Touren ein Bild von unserer Stadt gemacht, so auch die CDU-Fraktion die ich begleiten durfte.


Wohltemperiert ging es an einem heißen Sommertag zum Beispiel in das nach sechs Jahren Umbau im Mai 2024 wiedereröffnete Kunstmuseum Alte Post. Dessen Direktorin Dr. Stefanie Kreuzer stellte das breite Angebot des städtischen Kunstmuseums vor, das 1200 Exponate in seinen Ausstellungsräumen und Magazinen hütet und ausstellt. Zu diesen Exponaten gehören auch 35 von Mülheimer Künstlern geschaffene Werke.

Starke Stifter für die Kunst


Beim Rundgang stellte sie nicht nur Werke der klassischen Moderne aus der Sammlung Ziegler, sondern auch Zille-Zeichnungen aus der Sammlung Themel und die jüngste Neuanschaffung des Förderkreises Kunstmuseum Alte Post vor. Dabei handelte es sich um ein 2023 entstandenes Werk der Malerin, Shannon Bool, mit dem sie, unter dem Titel "33 Säulen", die Architektur Mies van der Rohes aus weiblicher Sicht ins Bild setzt und kommentiert.

Angesichts der unter anderem mit Joseph-Beuys-Werken bestückten Ausstellung "Demokratie ist lustig", diskutierten Gastgeberin und Gäste darüber, was Kunst gesellschaftlich bewirken kann und wie politisch sie sein kann und sein muss. Auch der Blick auf das beeindruckende Triptychon "Die geistige Emigration" zeigte die politische Dimension der Kunst am Beispiel der nationalsozialistischen Judenverfolgung, die nicht nur jüdische Intellektuelle, wie sie der aus Mülheim stammende jüdische Maler Arthur Kaufmann auf seinem Triptychon zwischen 1939 und 1964 portraitiert hat, zur Flucht aus ihrer Heimat zwang.

Dialog mit Zille


Mit Blick auf die themen- und zielgruppenorientierten Ausstellungen, Führungen, Workshops, Lesungen und Diskussionsveranstaltungen des städtischen Kunstmuseums, brachte die Kunsthistorikerin Stefanie Kreuzer ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass Kunst gemeinschafts- sinn- und identitätsstiftend wirken könne. In diesem Sinne will sie auch Künstler von heute dazu einladen, Arbeiten zu schaffen, die einen inhaltlichen Dialog mit den sozialkritischen und zeitlos aktuellen Milieustudien Heinrich Zilles aufnehmen sollen.

Samstag, 17. August 2024

Erste Wahl

 Vor 75 Jahren sind 102.000 Mülheimerinnen und Mülheimer zur Wahl des ersten Deutschen Bundestages aufgerufen. Sechs Kandidaten stehen auf ihrem Wahlzettel, sechs Männer, keine Frau. Am Ende des ersten Bundestagswahltages haben 77 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Und sie haben gegen den Bundestrend gewählt. Denn in Mülheim liegt die CDU Konrad Adenauers nicht knapp vor der SPD, sondern genau umgekehrt. Mit 34,9 Prozent der Stimmen wird der Sozialdemokrat Otto Striebeck. Der Christdemokrat Heinz Langner landet mit 28,2 Prozent der Stimmen auf Platz 2, gefolgt vom Liberalen Wilhelm Dörnhaus, für den sich 13,1 Prozent der Wahlberechtigten entscheiden. Aber auch der Kommunist Friedrich Müllerstein, dessen Partei 1956 vom Bundesverfassungsgericht vcrboten wird, kann bei der ersten Bundestagswahl noch 10,1 Prozent der Stimmen erreichen. Und 7,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler entscheiden sich für den Bewerber der Deutschen Konservativen Partei, Wolfgang Kujath.

Anders, als heute, wählen die Menschen in Mülheim nur ein westdeutsches Teilparlament. Eine Zweitstimme ist damals ebenso noch Zukunftsmusik, wie die Möglichkeit der Briefwahl. Nicht nur die KPD, sondern auch das katholische Zeentrum und die Radikalsoziale Freiheitsunion, die bei der ersten Bundestagswahl noch auf dem Wahlzettel stehen und einige 1000 Stimmen auf sich vereinigen können, werden schon in wenigen Jahren aus dem politischen Spektrum der Bonner Republik verschwinden. Am Ende bleibt ein Dreiüarteiensystem aus Christ- Sozial- und Freidemokraten für Jahrzehnte politisch bestimmend, ehe ab 1980 die Grünen auf den Plan treten.

Westbindung contra Deutsche Einheit und Marktwirtschaft contra Sozilaisierung und Planwirtschaft. Das sind die für den ersten Bundestagswahlkampf bestimmenden Themen und Konfliktlinien.

Nach der Wahl vom 14. August zieht der Mülheimer Otto Striebeck (1894-1972) als einer von 402 Abgeordneten in den ersten Deutschen Bundestag ein. Der Bergmann, der sich zum Redakteur weitergebildet hat, sitzt für die SPD im Stadtrat und leitet bis zu seinem Einzug ins Parlament die Lokalredaktion der 1946 von seinem Parteifreund Dietrich Oppenberg gegründete Neuen Ruhr Zeitung. Striebeck, der unter den Nationalsozialisten im Gefängnis gesessen hat, wird dem Deutschen Bundestag, mit kurzen Unterbrechungen, bis 1965 angehören.


Mülheimer Geschichtsverein

Freitag, 16. August 2024

Denk ich an Kortum

Denk ich an Kortum, denke ich an den Jobs. Der Jobs, der uns seit 2006 wieder vom Kortumbrunnen an der Petrikirche grüßt, ist als literarischer Antiheld des 1745 in Mülheim geborenen und 1824 in Bochum gestorbenen Dichters und Arztes Karl Arnold Kortum zeitlos aktuell. Er steht als Sinnbild für Schein und Sein, für Anspruch und Wirklichkeit, für all das, was uns als unzulängliche Menschen manchmal tragisch und komisch werden lässt.

Kortum hat sein 1783 verfasstes Knittelgedicht über die Taten und Meinungen das Kandidaten Jobs als ein grotesk komisches Heldengedicht bezeichnet, dass er zum reinen Zeitvertreib für sich und seine Leser geschrieben habe. Tiefstapelei! Denn sein tragikomisches Sittengeschichte rund um den trinkfesten und arbeitsscheuen Theologiestudenten, der am Ende nicht Pfarrer, sondern Nachtwächter wird, hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern und in der Nordamerika ein vergnügtes Lesepublikum gefunden. Die Jobsiade, die 1872 auch von Wilhelm Busch nachgeahmt wurde, weist den Arzt, Dichter und Gelehrten Kortum als ein Kind der Aufklärung aus. 

Mit seinem seinem lehrreichen Humor versuchte er, frei nach Kant, einen Beitrag zur Ermutigung seiner Mitmenschen zu leisten, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen und damit jede Scheinheiligkeit und jede Doppelmoral ihrer Mitmenschen entlarven zu können. Doch weil der Mülheimer Apothekerssohn Kortum auch ein Zeitgenosse der Restauration war, erschien seine satirische Jobsiate zeitlebens nur unter seinem Kürzel D.C.A.K. Erst ab 1854 erschien die Geschichte des Hieronymus Jobs unter seinem Namen. 

Carl Arnold Kortum Sohn des Apothekers Christian Friedrich Kortum und seiner Frau Helena Künzel war selbst ein erfolgreicher Akademiker. Nach dem Abitur in Dortmund und dem medizinischen Examen in Duisburg praktizierte er bis 1770 in seinem Elternhaus an der Kettwiger Straße, ehe er seiner Frau Margarete nach Bochum folgte. Hier war er auch als Bergarzt Teil des gesellschaftlichen Establishments. Das zeigte sich 1816 an der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Duisburg und am königlichen Ehrentitel eines Hofrates. Als solcher fand Kortum nach seinem Tod am 15 August 1824 auf dem Bochumer Friedhof an der Wittener Straße seine letzte Ruhe. Sein Grab ist dort als Teil des Kortumparks bis heute erhalten.

Wer Kortums Jobsiade und seine Biografie noch einmal nachlesen möchte, dem sei die 2007 von den Altstadtfreunden herausgegebene, von Heinz Hohensee eingeleitete und von Klaus Wichmann illustrierte Neuauflage aus dem Essener Klartextverlag zur Lektüre empfohlen. 

Freitag, 9. August 2024

Ins Werk gesetzt

Helmut Schauenburg arbeitet an der Restauration eines alten Hallenfensters. Schon vor 70 Jahren hat er hier in der Alten Dreherei des Eisenbahnausbesserungswerkes Speldorf gearbeitet. Damals war er 14 und hatte gerade mit seiner Schlosserlehre begonnen. "Mir hat die Arbeit Freude gemacht und ich bin immer gut zurecht gekommen", sagt Schauenburg.

Er ist kein Mann der großen Worte. Er ist ein Mann der Tat. Auch mit 84 kommt er, immer wieder dienstags, mit seinem Rollator in die Alte Werkshalle, die als Alte Dreherei inzwischen mehreren Vereinen als Quartier dient.

"Wir werden immer wieder gefragt, was war hier früher. Und deshalb habe ich es aufgeschrieben", erklärt der Vorsitzende des Trägervereins der Alten Dreherei, Martin Menke. "150 Jahre Eisenbahnausbesserungswerk Speldorf" lautet der Titel seines 150 Seiten starken Fakten- und Bild-reichen Buches, das jetzt bei Suton erschienen und für 29,99 € im Buchhandel erhältlich ist. 150 Jahre Eisenbahn Ausbesserungswerk Speldorf. Dieser Titel macht für Menke Sinn, obwohl das Eisenbahnausbesserungswerk Speldorf 1959 stillgelegt wurde. "Hier haben damals mehr 2000 Menschen gearbeitet. Das Werk war bis zum Schluss hoch rentabel.  Es wurde aber der Zonenrandförderung und dem Erhalt des Eisenbahnausbesserungswerkes Braunschweig geopfert, weil man damals der Meinung war, dass es im Ruhrgebiet genug andere Arbeitsplätze gäbe. Tatsächlich haben nach der Schließung alle Mitarbeiter des Eisenbahnausbesserungswerkes einen anderen Job in der Industrie gefunden", weiß Autor Menke aus seinem Recherchen zu berichten.

Heute legen Menke und seine Mitstreiter ehrenamtlich Hand an, um die Alte Dreherei als Veranstaltungs- und Werkraum in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Die Hühner- und Kaninchenzüchter sind hier heute ebenso zu Hause, wie die Eisenbahnfreunde und die Opel-Kadett-Fans. Ein Opel Kadett, mit dem die Speldorfer Schokoladenfabrik Wissoll 1950 ihre süße Fracht auslieferte, zeigt hier ebenso die Richtung an, in die es geht, wie ein Straßenbahnwagen aus dem Baujahr 1927. Hier hat man offensichtlich keine Angst vor Handwerklicher Arbeit und krempelt, immer wieder dienstags und samstags, gemeinsam die Ärmel hoch.

"Solche und ähnliche Gebäude aus unserer Industriegeschichte sollte man schon deshalb erhalten, weil hier Gemeinschaft entsteht, die es so in Hochhäusern nicht geben kann", findet Helmut Schauenburg.

Mittwoch, 7. August 2024

Ein echter Kumpel

Gefühlt ist er Mülheims letzter Bergmann. Jetzt hat Willi Bruckhoff seinen 90 Geburtstag gefeiert. Seine Nachbarn nennen ihn den Bürgermeister von Winkhausen. Nicht nur an sich, sondern auch an seine Nachbarn und Kollegen zu denken, das ist die charakterliche DNA des ehemaligen Bergmanns.

Wie sein Vater und Großvater war auch Willi Bruckhoff ein engagierter Gewerkschafter und Sozialdemokrat. "Wenn ich nicht sofort in die Industriegewerkschaft Bergbau eingetreten wäre hätte, ich gar nicht nach Hause kommen dürfen", erinnert sich der 90-Jährige an seinen ersten Arbeitstag auf der Heißener Zeche Rosenblumendelle. Das war im Frühjahr 1948. Damals hatte Willi Bruckhoff gerade die Volksschule abgeschlossen und war 13 Jahre alt. 

Seinen ersten Lohn bekam der Berglehrling noch in Richsmark ausgezahlt. "Außerdem bekamen wir als Schwerstarbeiter auch eine Sonderration an Butterbroten und Bonbons", erzählt Bruckhoff. Als Gewerkschafter, über mehr als 30 Jahre stand er der Mülheimer Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie vor, hat er mit und für seine Kollegen nicht nur Lohnerhöhungen, sondern auch mehr Arbeitssicherheit, mehr betriebliche Mitbestimmung und eine Verringerung der Wochenarbeitszeit, die anfangs bei 48 Stunden lag, erkämpfen können. Und darauf ist er auch heute noch stolz. Bei der Arbeit und im Arbeitskampf galt für ihn stets die Devise: "Einer für alle und alle für einen!"

Nicht nur auf Rosenblumendelle, sondern auch auf Kronprinz und Hagenbeck war Bruckhoff als Bergmann eingesetzt. "Die steilen Kohlenlagen und niedrigen Flöze auf Rosenblumendelle waren für uns Bergleute besonders schwierig", erinnert er sich an die letzte Zeche Mülheims, die nach der letzten Schicht am 29 Juli 1966 stillgelegt wurde und Mülheim damit zur ersten bergbaufreien Stadt des Ruhrgebietes machte. 

Für Bruckhoff ging sein Berufsleben noch bis 1984 weiter, ehe er nach der Stilllegung der Essener Zeche Zollverein, die heute als Designer- und Kulturzentrum genutzt wird, in den Vorruhestand geschickt wurde. 

Nicht nur als Gewerkschafter, sondern auch als Bezirksvertreter hat sich der Kumpel aus Winkhausen für seine Nachbarn und Kollegen stark gemacht. Ein Kumpel zu sein, das war, ist und bleibt sein Lebensprogramm, auch in einer zunehmend von Individualisierung und Egoismus geprägten Gesellschaft.

Besonders bedauert der ehemalige Bergmann, dass die Zahl der Gaststätten in den letzten 40 Jahren rapide zurückgegangen ist und damit auch die Zahl der Orte an denen Menschen zwanglos zusammenkommen und Geselligkeit erleben können, um sich auszutauschen. Dass diese Form von Gemeinschaft und Kommunikation heute an vielen Ecken und Enden fehlt, macht er mitverantwortlich für so manche sozialen Fehlentwicklungen. 

Schöne Straße?!

  Für die Mülheimer Presse und das neue Mülheimer Jahrbuch habe ich mich an 50 Jahre Schloßstraße erinnert. So alt bin ich also schon, dass ...