Mittwoch, 7. August 2024

Ein echter Kumpel

Gefühlt ist er Mülheims letzter Bergmann. Jetzt hat Willi Bruckhoff seinen 90 Geburtstag gefeiert. Seine Nachbarn nennen ihn den Bürgermeister von Winkhausen. Nicht nur an sich, sondern auch an seine Nachbarn und Kollegen zu denken, das ist die charakterliche DNA des ehemaligen Bergmanns.

Wie sein Vater und Großvater war auch Willi Bruckhoff ein engagierter Gewerkschafter und Sozialdemokrat. "Wenn ich nicht sofort in die Industriegewerkschaft Bergbau eingetreten wäre hätte, ich gar nicht nach Hause kommen dürfen", erinnert sich der 90-Jährige an seinen ersten Arbeitstag auf der Heißener Zeche Rosenblumendelle. Das war im Frühjahr 1948. Damals hatte Willi Bruckhoff gerade die Volksschule abgeschlossen und war 13 Jahre alt. 

Seinen ersten Lohn bekam der Berglehrling noch in Richsmark ausgezahlt. "Außerdem bekamen wir als Schwerstarbeiter auch eine Sonderration an Butterbroten und Bonbons", erzählt Bruckhoff. Als Gewerkschafter, über mehr als 30 Jahre stand er der Mülheimer Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie vor, hat er mit und für seine Kollegen nicht nur Lohnerhöhungen, sondern auch mehr Arbeitssicherheit, mehr betriebliche Mitbestimmung und eine Verringerung der Wochenarbeitszeit, die anfangs bei 48 Stunden lag, erkämpfen können. Und darauf ist er auch heute noch stolz. Bei der Arbeit und im Arbeitskampf galt für ihn stets die Devise: "Einer für alle und alle für einen!"

Nicht nur auf Rosenblumendelle, sondern auch auf Kronprinz und Hagenbeck war Bruckhoff als Bergmann eingesetzt. "Die steilen Kohlenlagen und niedrigen Flöze auf Rosenblumendelle waren für uns Bergleute besonders schwierig", erinnert er sich an die letzte Zeche Mülheims, die nach der letzten Schicht am 29 Juli 1966 stillgelegt wurde und Mülheim damit zur ersten bergbaufreien Stadt des Ruhrgebietes machte. 

Für Bruckhoff ging sein Berufsleben noch bis 1984 weiter, ehe er nach der Stilllegung der Essener Zeche Zollverein, die heute als Designer- und Kulturzentrum genutzt wird, in den Vorruhestand geschickt wurde. 

Nicht nur als Gewerkschafter, sondern auch als Bezirksvertreter hat sich der Kumpel aus Winkhausen für seine Nachbarn und Kollegen stark gemacht. Ein Kumpel zu sein, das war, ist und bleibt sein Lebensprogramm, auch in einer zunehmend von Individualisierung und Egoismus geprägten Gesellschaft.

Besonders bedauert der ehemalige Bergmann, dass die Zahl der Gaststätten in den letzten 40 Jahren rapide zurückgegangen ist und damit auch die Zahl der Orte an denen Menschen zwanglos zusammenkommen und Geselligkeit erleben können, um sich auszutauschen. Dass diese Form von Gemeinschaft und Kommunikation heute an vielen Ecken und Enden fehlt, macht er mitverantwortlich für so manche sozialen Fehlentwicklungen. 

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