Sonntag, 30. Juni 2024

Müssen wir uns warm anziehen?

 Dr. Christian Mölling ist Politikwissenschaftler und Politikberater. Jetzt stellte er in der Katholischen Akademie Die Wolfsburg sein Buch: "Fragile Sicherheit" vor und überraschte sein Auditorium mit seiner These vom "Ende des Friedens"! Das hört sich nicht christlich an. Ist es aber realistisch? Darüber wurde am Falkenweg diskutiert?

Der an der Universität Duisburg/Essen studierte Politikwissenschaftler, der heute für die Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik und demnächst für die Bertelsmann-Stiftung arbeitet, plädiert für eine zehnjährige Aufrüstungsperiode, damit die Nato und Europäische Union im Konfliktfall mit Putin und bei einem möglichen Ausfall der USA unter einem erneuten Präsidenten Trump nicht erpressbar und politisch handlungsunfähig wird. 

Vor diesem Hintergrund sieht er Forderungen nach einem schnellen und bedingungslosen Waffenstillstand in der Ukraine, für die Teile der AfD und das BSW plädieren als eine "friedenspolitische Rattenfängerei", von der man sich nicht verführen lassen dürfe.

Für seine Position bekam er Applaus, aber auch Gegenwind. Es sei unrealistisch, so wurde aus dem Publikum heraus gesagt, dass Russland mit seinen 150 Millionen Einwohnern angesichts einer volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die mit der Belgiens zu vergleichen sei, willens und in der Lage sei, nach der Ukraine auch die Nato anzugreifen.

Mölling hielt dem entgegen, dass Putin als Autokrat, "der die Demokratie nicht als sein Geschäftsmodell" ansehe, ganz anders, nämlich ohne Rücksicht auf Verluste, Menschen und Material einsetzen könne, um seine imperialistischen Ziele durchzusetzen und damit seine politische Macht auszubauen, die ihn davor bewahre, als politischer Verlierer "eines Tages aus dem Fenster zu fallen."

Die provokative Publikumsfrage: "Werden wir denn von Idioten regiert?", verneinte Mölling mit Blick auf die Reaktion der westlichen Demokratien auf den von Putin befohlenen Angriffskrieg in der Ukraine. Aber er räumte ein, dass die heutige politische Führung von der Friedensbewegung der frühen 1980er Jahre geprägt worden sei  und nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr auf die Führung eines globalen Konfliktes mit den Mitteln der militärischen Abschreckung zu führen und zu bestehen, um den Weltfrieden zu bewahren. 

Dies zu leisten, sieht der Politikwissenschaftler und Buchautor auch vor dem Hintergrund der deutschen NS-Geschichte, als moralische Verantwortung Deutschlands, "um diesmal auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen."

Christian Möllings Buch: "Fragile Sicherheit" ist, 224 Seiten stark,  bei Herder erschienen und für 20 Euro im Buchhandel erhältlich.


Zur Wolfsburg

Samstag, 15. Juni 2024

Gut gepflegt

 Dem Vermächtnis eines Mülheimer Gastronomen hat es die Evangelische Kirche zu verdanken, dass sie vor 50 Jahren auf dem vormaligen Grundstücks einer Gartengaststätte mit Ruhrblick mit dem Haus Ruhrgarten ein Pflegeheim errichten konnte, zu dem heute auch das benachbarte Haus Ruhrblick gehört. Anfangs bestand das Haus Ruhrgarten aus einem Altenheim für 60 orientierte und 40 desorientierte Bewohnerinnen.

Trägerin beider Häuser ist die Evangelische Altenhilfe, deren Doppelspitze heute vom Pflegedienstleiter Marco Warnath und von der Verwaltungsleiterin Nina Eurmann geleitet wird. Sie haben 2022 die Nachfolge von Oskar Dierbach (Pflegedienstleitung) und Peter Steinbach (Verwaltungsleitung) angetreten. Vor 50 Jahren bildeten Pfarrer Walter Sänger (als Verwaltungsleiter) und Schwester Anni Ostermann (als Pflegedienstleiterin) das erste Führungstandem der von den evangelischen Kirchengemeinden Mülheims getragenen Altenhilfe.

Von einem Förderverein und 20 ehrenamtlich tätigen Grünen Damen und Herrn unterstützt, kümmern sich hier 90 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 113 pflegebedürftige Menschen. Zum Vergleich: 1983 hatte das Haus 36 hauptamtliche Pflegekräfte, die damals ehrenamtlich von 22 Grünen Damen und zwei Grünen Herren unterstützt wurden.

Finanziert wird ihre Arbeit durch die Beiträge der Bewohnerinnen und Bewohner sowie durch die Zuschüsse der Pflegekassen, des Sozialamtes und des Landschaftsverbandes Rheinland.

Eumann und Warnath führen das von ihren Vorgängern Dierbach und Steinbach  eingeführte Modell der therapeutischen und rehabilitativen Pflege durch. Dieses Modell wird inzwischen als Pilotprojekt der AOK Rheinland/Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss und der Fachhochschule Potsdam als Pilotprojekt einer künftigen Pflegestandardversorgung erprobt. 

Rehabilitation und Therapie in der Pflege sollen die Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen erhöhen und die Arbeitsbelastung der pflegenden Menschen und darüber hinaus auch den Einsatz von Medikamenten reduzieren.

Um diesen Ansatz in die Praxis umsetzen zu können, hat die Evangelische Altenhilfe in den Pflegesatzverhandlungen einen Personalzuschlag von 8,5 Prozent erhalten. Warnath, Eumann und ihr langjähriger Pflegedienstmitarbeiter Kofi Akoto sind sich einig, dass die stationäre Pflege, die zurzeit ein Drittel aller pflegebedürftigen Menschen in Deutschland versorgt, "ein schöner, sinnvoller, aber auch herausfordernder Beruf ist, dessen Realität viel besser ist als sein Ruf." Es ist ein Beruf, daran lassen die Drei keinen Zweifel, der neben Professionalität vor allem Empathie verlangt.


Zur Evangelischen Altenhilfe Mülheim an der Ruhr 

Donnerstag, 13. Juni 2024

Reden wir über Fußball

 Fußball regiert die Welt. So sagt der Volksmund. Hätte er doch Recht. Dann wäre manches in unserem Leben und in unserer Welt einfacher, Teamgeist und klare Regeln. Doch im kommerzialisierten Profifußball spielen keine elf Freunde, sondern elf Millionäre gegeneinander.

Als sich im frühen 20. Jahrhundert in Mülheim erste Fußballvereine mit so patriotischen Namen, wie Fürst Bismarck, Teutonia, Vorwärts, SC Preußen und Ballverein Rheinland gründeten, war der aus England importierte Fußball in Deutschland ein reiner Amateursport, der auch von den Schülern des Königlichen Gymnasiums an der Von-Bock-Straße, das wir heute als Otto-Pankok-Schule kennen, betrieben wurde. An Schulen und Hochschulen wurde auch schon im England um 1850 Fußball gespielt. 1857 gründete sich mit dem FC Sheffield der erste Fußballclub der Welt. 1863 entstand mit der Football Association der erste Fußballverband, der auch ein Spielreglement entwickelte, Ab 1888 wurde in Großbritannien in einer nationalen Liga um eine Fußballmeisterschaft gespielt. Im gleichen Jahr gründete sich in Berlin-Tempelhof der erste deutsche Fußballverein FC Germania, dem 1891 der Fußballverein Karlsruhe und 1893 der FC Altona folgte. Zehn Jahre später wurde erstmals eine Deutsche Fußballmeisterschaft ausgespielt, die der VFR Leiptig gewann. In Leipzig war 1900 auch der Deutsche Fußballbund (DFB) gegründet worden, dem heute 24.000 Fußballvereine angehören. 86 von ihnen sind Gründungsmitglieder. 16 von ihnen kommen aus Mülheim.

Fußball am Kahlenberg

Gespielt wurde zunächst auf dem Sportplatz am Kahlenberg, der mit Hilfe der Leonhard-Stinnes-Stiftung angelegt worden war, um dort die Vaterstädtischen Festspiele austragen zu können. Volkssport war damals nicht der Fußball, sondern das von Friedrich Ludwig Jahn im frühen 19. Jahrhundert auch als vormillitärische Leibesübung eingeführt wurde. Auch am Kahlenberg hatte man dem Turnvater Jahn ein Denkmal gesetzt. 

Der Fußball galt seinen deutschen Kritikern als "Fußlümmelei" und als "englische Krankheit", die eher das Risiko der Körperverletzung als die Chance der Körperertüchtigung mit sich brachte. Fußball war anfangs eher ein Mittelstandssport als ein Arbeitersport, Um 1910kostete ein Lederfußball zwischen 5 und 10 Mark. Fußballstiefel waren für 8,50 Mark zu haben, während der durchschnittliche Wochenlohn eines Arbeiters bei 21 Mark lag.

Mülheimer Erfolgsgeschichten

1919 gründete sich der VFB Speldorf und 1923 der 1. FC Mülheim-Styrum, die bisher die größten Erfolgsgeschichten des Mülheimer Fußballs geschrieben haben. Beide Vereine spielten zeitweise im 1925 nach Plänen des damaligen Baudezernenten Arthur Brocke errichteten Ruhrstadion, das heute 6000 Zuschauern Platz bietet.

Der 1. FC Mülheim Styrum spielte zischen 1974 und 1976 in der damals neu geschaffenen Zweiten Bundesliga. Der VFB Speldorf wurde 1956 Deutscher Vizemeister der Fußballamateure und qualifizierte sich 2010 für den DFB-Pokal. Der VFB Speldorf brachte mit Fritz Buchloh (*1909), Theodor Klöckner (*1934), Rudi Seeliger (*1951) und Hans-Günter Bruns (*1954) auch National- und Bundesliga-Spieler hervor.

Fritz Buchloh spielte ab 1927 am Blötter Weg als Torwart für den VFB Speldorf und ab 1929 auch für die Auswahlmannschaft des 1911 gegründeten Westdeutschen Fußballverbandes. So wurden Reichstrainer Otto Nerz und sein Co-Trainer Sepp Herberger auf Buchloh aufmerksam und beriefen ihn 1932 erstmals in die deutsche National-Elf. Bis 1936 stand Buchloh 17 Mal zwischen den deutschen Pfosten. Der 1998 verstorbene Buchloh gehörte zur Generation der deutschen Fußballamateure, die im besten Fall Fahrtkosten erstattet bekamen. 

Die Kommerzialisierung des deutschen Profi-Fußballs sah er kritisch. In dem Jahr, in dem Fritz Buchloh sein erstes Länderspiel absolvierte, beriet der DFB erstmals über die Einrichtung einer deutschen Fußballliga, die die damals 55 deutschen Regionalligen ersetzen sollte. Doch diese Pläne scheiterten am Widerstand der DFB-Regionalverbände, die um ihren Einfluss fürchteten, aber auch vor einer Kommerzialisierung des Fußballs warnten.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Zahl der deutschen Regionalligen von 55 auf 16 reduziert,

Später Frauenfußball

Anders, als in Großbritannien, wo bereits 1895 mit den British Ladies der erste weibliche Fußballclub gegründet wurde, blieb der Frauenfußball vom DFB verboten. Mit Blick auf Mülheim gebührt dem Post SV und Rot Weiß Mülheim der historische Verdienst der ersten Frauenfußballmannschaften, Seit 1990 gibt es neben der Bundesliga der Männer auch eine Fußballbundesliga der Frauen, die seit 1984 auch eine Europameisterschaft, seit 1991 eine Weltmeisterschaft und seit 1996 ein Olympisches Fußballturnier austragen, während die Männer bereits seit 1908 ein Olmpisches Fußballturnier, seit 1930 eine Weltmeisterschaft und seit 1960 auch eine Europameisterschaft austragen.

Mittwoch, 5. Juni 2024

Reden wir über Europa

Am 9 Juni sind 350 Millionen  Menschen in Europa zur Wahl des Europäischen Parlaments aufgerufen. Wahlberechtigt sind diesmal alle Bürgerinnen und Bürger der EU, die 16 Jahre und älter sind. Gewählt werden kann man aber erst ab 18.

Früher wählen

Mit der Absenkung des Wahlalters steigt die Zahl der Wahlberechtigten um rund eine Million Menschen. Mehr Menschen sind nur bei den Parlamentswahlen in Indien, 790 Millionen, aufgerufen.

Anders, als bei Landtags- und Bundestagswahlen haben wir diesmal nur eine Stimme. Denn das EU-Wahlrecht, des seit 1979 direkt gewählten Europäischen Parlaments kennt keine Wahlkreise, auch wenn dies die Sozialdemokraten für die nächste Europawahl 2029 fordern. Anders als in Frankreich oder Tschechien gibt es in Deutschland zurzeit keine 5% Sperrklausel. 0,5% der Stimmen reichen, um mit einem Mandat ins Europäische Parlament einzuziehen und eine Wahlkampfkostenerstattung der öffentlichen Hand in Höhe von 0,83€ zu erhalten.

Eine Chance für kleine Parteien

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass bei der letzten deutschen Europawahl 2019 mit der Tierschutzpartei, mit der Satirepartei Die Partei, mit den Piraten und mit dem Wahlbündnis Volt sowie mit der wertkonservativen Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP) auch Parteien ins Europäische Parlament eingezogen sind, die bei Bundestags- und Landtagswahlen aufgrund der dort angewendeten Fünfprozent-Sperrklausel keine Chance auf einen Parlamentssitz haben.

Bei der Europawahl stimmen die Wählerinnen und Wähler, 61 Millionen von ihnen kommen aus Deutschland und etwa 130.000 aus Mülheim, über eine Parteiliste ab. Gewählt wird nach dem reinen Verhältniswahlrecht, bei dem jede Stimme zählt. Dieses sehr demokratische Wahlrecht wurde in Deutschland auch während der Weimarer Republik von 1918 bis 1933 angewendet und wird heute auch in zahlreichen europäischen Staaten und in Israel praktiziert.

96 Abgeordnete kommen aus Deutschland

96 der 720 zu wählenden Mitglieder des Europäischen Parlaments, werden aus Deutschland kommen. Da die Bundesrepublik Deutschland ist das bevölkerungsreichste Land der EU und  stellt deshalb auch die größte Abgeordnetengruppe, gefolgt von Frankreich, dass 81 Abgeordnete ins Europäische Parlament entsendet. Doch einmal ins Europäische Parlament gewählt, die Wahlperiode dauert jeweils 5 Jahre, schließen sich die nationalen Abgeordneten zu transnationalen Fraktionen zusammen.

Seit 1979 direkt gewählt, geht das Europäische Parlament, mit dieser Wahl in seine 10. Wahlperiode. In der jetzt abgelaufenen neunten Wahlperiode stellten die europäischen Christdemokraten der Europäischen Volkspartei mit 176 Abgeordneten die stärkste Fraktion, gefolgt von den Sozialdemokraten mit 139 Abgeordneten, den Liberalen mit 102 Abgeordneten, den Grünen mit 72 Abgeordneten den europäischen konservativen Reformern mit 69 Abgeordneten und der Fraktion Identität und Demokratie mit 49 Abgeordnete. Weitere 29 Abgeordnete gehören zurzeit keiner Fraktion im Europäischen Parlament an. Das schränkt ihre parlamentarischen Rechte und Arbeitsmöglichkeiten stark ein.

Transnationale Fraktionen

Vor diesem Hintergrund ist der Ausschluss der deutschen AfD aus der rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie eine schwere Schlappe für die deutsche Rechtspartei, da sie sich nach einem Wiedereinzug ins Europäische Parlament zunächst um eine neue Fraktionszugehörigkeit kümmern müsste. Trotz der jüngsten Skandale um die beiden Listenführer der rechtspopulistischen AFD zeigen die jüngsten Umfragen, dass die AfD 14% der Stimmen erreichen könnte. Die in Berlin regierenden Sozialdemokraten von Bundeskanzler Olaf Scholz werden in den aktuellen Umfragen zwischen 14 und 16% und die Grünen bei etwa 14% gehandelt. Die FDP schwankt zwischen 4 und 5%. Die Linken schwanken zwischen 3 und 5%. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, das sich von der Linken abgespalten hat, und zur Zeit als Gruppe im Deutschen Bundestag vertreten ist, kann laut den jüngsten Umfragen mit etwa 6% der Stimmen rechnen. Stärkste Partei dürfte demnach die Union werden, der mit CDU und CSU zwischen 29 und 31% vorhergesagt werden.

Mit der Kommissionspräsidentin und Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei, Ursula von der Leyen, und dem Fraktionsvorsitzenden der EVP Fraktion Manfred Weber stehen gleich 2 Deutsche an der Spitze der EVP Wahlliste.

Drei Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet

Mit Jens Geier (SPD), Dennis Radtke (CDU) und Terry Reintke (Grüne) haben 3 Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet eine sehr gute Aussicht, erneut ins Europäische Parlament einzuziehen. Geier kommt aus Essen, Radtke aus Bochum und Reitnke aus Gelsenkirchen. Die Mülheimer FDP Europakandidatin Alondra von Groddeck hat aufgrund ihres Listenplatzes keine Aussicht ins Europäische Parlament gewählt zu werden.

Sowohl bei der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments 1979 als auch bei der zweiten Direktwahl 1984 zogen mit dem Sozialdemokraten Heinz Oskar Vetter, dem damaligen DGB-Chef, und dem christdemokratischen Juristen Dr. Otmar Franz 2 Mülheimer ins Europäische Parlament ein. Die erste Direktwahl des Europäischen Parlaments war in Mülheim auch die erste Wange die Mithilfe der elektronischen Datenverarbeitung ausgezählt wurde. Das Europäische Parlament gibt es bereits seit 1952. Damals handelte es sich allerdings nicht um ein direkt gewähltes Parlament, sondern um eine parlamentarische Versammlung von auf nationaler Ebene gewählten Abgeordneten, die aus den jeweiligen Parlamenten der Mitgliedstaaten entsandt wurden. Die ersten Präsidenten des Europäischen Parlaments, der belgische Sozialdemokrat Henri Spaak, der italienische Christdemokrat Alcide de Gasperi und der französische Christdemokrat Robert Schumann waren die ersten Präsidenten des Europäischen Parlaments und gleichzeitig Gründungsväter der europäischen Integration. Sie war mit der Gründung der Montanunion 1952 begonnen und mit der Euratom und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957/58 fortgesetzt wirden.

Mit den Christdemokraten, Dr. Wilhelm Furler und Hans Gert Pöttering sowie den Sozialdemokraten, Klaus Hänsch, und Martin Schulz standen später auch deutsche Parlamentarier an der Spitze des Europäischen Parlaments.

Die Rechte des Europäischen Parlaments

Anders als Bundestag und Landtage hat das Europäische Parlament kein Initiativrecht in der Gesetzgebung. Dennoch konnte es in den letzten 45 Jahren seine Rechte erheblich ausweiten.

Ohne die Zustimmung des des Europäischen Parlaments kann keine Europäische Kommission ins Amt gewählt werden. Das Europäische Parlament hat die Möglichkeit einzelne Kommissare oder auch die gesamte Kommission abzuwählen. Außerdem können in der Europäischen Union keine Richtlinien und Verordnungen und kein Haushaltsplan verabschiedet werden, denen das Europäische Parlament nicht zustimmt. Das gilt auch für den Europäischen Rat, in dem die Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten sitzen. Das Initiativrecht in der Gesetzgebung der Europäischen Union, die aktuell etwa zwei Drittel der deutschen Gesetzgebung beeinflusst, liegt bei der 27-köpfigen EU-Kommission. Allerdings können sowohl das Europäische Parlament als auch der Europäische Rat die Europäische Kommission dazu auffordern zu einem bestimmten Politikfeld einem Gesetzesvorschlag vorzulegen. Wie in Deutschland findet die zweite Lesung der EU- Gesetzgebung in einem der aktuell 27 Fachausschüssen statt. Außerdem gibt es die Möglichkeit eines Vermittlungsverfahrens, wenn sich Rat und Parlament nicht einig sind, ob und wie sie einem Gesetzentwurf der Europäischen Kommission zustimmen oder nicht zustimmen sollen.

Politischer Wanderzirkus

Das Europäische Parlament tagt mit seinem Plenum in Straßburg, mit  seinen Fraktionen und Ausschüssen aber in Brüssel. Seine Verwaltung, das Generalsekretariat, hat seinen Sitz in Luxemburg. Diese kosten- arbeits- und zeitaufwendige Dreiteilung des Parlamentsbetriebs ist dem EU-Proporz geschuldet.

Zur zehnten Europawahl treten in Deutschland 35 Parteien mit insgesamt 1400 Bewerberinnen und Bewerbern an. Die Förderung des europäischen Binnenmarktes, die Förderung der Spitzenforschung, Freiheit Gerechtigkeit, Klimaschutz, Bürgerrechte, Wohlstand eine engere militärische Zusammenarbeit der EU Staaten und der gemeinsame Kampf gegen die Folgen des Klimawandels sind in unterschiedlicher Gewichtung in fast allen Parteiprogrammen zu finden. Die Nationalkonservativen und rechtsextremen Parteien lehnen die Europäische Union in ihrer jetzigen Form allerdings ab und wollen sie in einem Staatenbund souveräner europäischer Demokratien verwandeln. Der EU-Binnenmarkt soll erhalten bleiben, die Asylpolitik allerdings in den Aufgabenbereich der nationalen Regierung zurückgeführt werden.

Angesichts grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Migration wurden 1999 die EU-Polizeibehörde Europol und 2005 die EU-Grenzschutz Agentur Frontex ins Leben gerufen. Iim Vertrag von Prüm hat die Bundesrepublik 2006 eine polizeiliche Zusammenarbeit mit ihrem östlichen und westlichen Nachbarn innerhalb der EU vereinbart. Mit der Einführung des europäischen Binnenmarktes 1993 gelten in der Europäischen Union die 4 Freiheiten des Waren- Dienstleistungs- Personen- und Kapitalverkehrs. Gleichzeitig verpflichten sich die EU-Mitgliedsstaaten im Vertrag von Schengen zu einem gemeinsamen verstärkten Schutz der Außengrenzen beim gleichzeitigen Verzicht auf Binnengrenzkontrollen. Inwiefern vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheits- und Migrationslage nationale Grenzschutzkontrollen wieder eingeführt werden können oder müssen, diskutiert. Grundsätzlich sieht das Schengener Abkommen schon jetzt Ausnahmen vor, die nationale Grenzschutzmaßnahmen bei europäischen Großereignissen oder auch bei Gefahr im Verzug vorsieht.

Sowohl die Liberalen als auch die Grünen sprechen sich mit Blick auf die EU für eine Legalisierung des Cannabiskonsums aus. Sowohl SPD CDU FDP als auch Grüne sprechen sich für eine geordnete beziehungsweise rigide Asylpolitik aus, bei der das grundsätzliche Recht auf politisches Asyl aber erhalten bleiben soll. Dem verstärkten der Flüchtlinge setzen Linke und das Bündnis lange Wagenknecht die Förderung einer solidarischen Willkommenskultur entgegen. Im Gegensatz zu Union SPD FDP und Grünen kritisieren Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht auch die verstärkte Rüstung und die Waffenlieferungen der Eu-Staaten in die vom russischen Angriffskrieg bedrohte Ukraine.  Sie sprechen sich für den Stopp der Waffenlieferungen, für eine  generelle Abrüstung und für eine zivile Konfliktlösung aus.


Zum Europäischen Parlament


Montag, 3. Juni 2024

Hilfe für Flüchtlinge

Was tut der Evangelische Kirchenkreis An der Ruhr für die Menschen, die in unserer Stadt Zuflucht gefunden haben? Diese Frage beschäftigte jetzt 35 Mitglieder der Kreissynode, die rund 40.000 evangelische Christen aus sechs Mülheimer Kirchengemeinden vertritt.

Die Flüchtlingsreferentin des Kirchenkreises, Saskia Trittmann, und ihre beiden Mitarbeiterinnen Maren Helder und Kathrin Rothaas berichteten über ihre herausfordernde Arbeit, die einhelliges Lob erfuhr. Aktuelle betreut das vierköpfige Flüchtlingsreferat 1300 Geflüchtete in Mülheim. 

Bürgermeister Markus Püll bedankte sich im Namen von Rat und Verwaltung für die kompetente und engagierte Unterstützung der kommunalen Flüchtlingsarbeit. Er wies darauf hin, dass die Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft in den kommenden Monaten auf dem Gelände der alten Friedhofsgärtnerei am Hauptfriedhof 135 Wohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen errichten werde, die später als Sozialwohnungen genutzt werden sollten. 

Mülheim, dass auf der Basis des sogenannten Königssteiner Verteilungs-Schlüssels ein Prozent aller Flüchtlinge aufnehmen muss, die nach Nordrhein-Westfalen kommen, betreibt schon jetzt eine Zentrale Flüchtlingsunterkunft in Raadt.

Nach Angaben der Bezirksregierung Arnsberg leben in Mülheim aktuell 1669 geflüchtete Menschen. 

Saskia Trittmann warb um eine ökumenische Zusammenarbeit der katholischen und evangelischen Kirchengemeinden, um mehr Kirchenasylplätze zu schaffen. Binnen Jahresfrist habe das Flüchtlingsreferat 92 Anfragen nach Kirchenasyl erhalten, von denen 26 aus Mülheim kamen. Das Kirchenasyl, so Trittmann, biete in sogenannten Grenz- und Härtefällen abgelehnten Asylbewerbern einen Zeitgewinn und damit die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihres Asylantrages gegenüber dem letztendlich über den Asylanspruch auf der Basis des Grundgesetz-Artikels 16 entscheidenden Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu dokumentieren. Auch wenn es dem Quartett des evangelischen Flüchtlingsreferates in den vergangenen zwölf Monaten gelungen ist, zehn Flüchtlinge als Pflegefachkräfte zu vermitteln und ihnen so einen dauerhaften Aufenthaltsstatus zu verschaffen, räumten Trittmann und ihre Kolleginnen Maren Helder und Katrin Rothhaas  ein, dass nur wenigen Flüchtlingen der Spurwechsel zur Fachkraft gelinge.


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Lebendige Demokratie

 Unser Grundgesetz wird 75. Das war Anlass für eine Demokratiekonferenz. Eingeladen hatten die Katholische Akademie und das Centrum für bürg...