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Pastor Berthold Janberg in der Broicher Herz-Jesu-Kirche beim Schlusssegen der dortigen Pfarreiversammlung von St. Mariä-Himmelfahrt |
Stellwände voller Zahlen, Daten und Fakten, vor denen
Gemeindemitglieder miteinander diskutieren und einander zuhören.
Dieses Bild bot sich am vergangenen Wochenende in St. Mariae Geburt
und Herz Jesu. Die Rechtsruhr-Pfarrei St. Mariae Geburt und die
Linksruhr-Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt hatten zur
Pfarreiversammlung geladen. 220 Katholiken fanden den Weg zur
Zukunftswerkestatt in Mariae Geburt. Sogar 470 waren es in Herz Jesu.
Außerdem glänzte die Linksruhr-Pfarrei mit einem hohen Anteil
junger Teilnehmer.
Obwohl
die Zahlen an den Stellwänden: Schwindende Gemeindemitgliederzahlen
und Einnahmen, steigende Personal und Energiekosten und damit
schwindende Finanzreserven nicht gerade zur Euphorie einluden, war
dieser Pfarreientwicklungsschritt zwischen der Phase des Sehens und
des Handelns geradezu von Aufbruchsstimmung geprägt.
„Hier
sind Menschen ganz ernsthaft miteinander ins Gespräch gekommen, die
sich bisher gar nicht kannten“, freute sich der
Pfarrgemeinderatsvorsitzende von St. Mariä Himmelfahrt, Manuel Gatz.
Und für den Pfarrer von St. Mariae Geburt, Michael Janßen, stand
nach der dreistündigen Pfarreiversammlung fest: „Die Menschen
haben erlebt und begriffen, dass uns Kirche alle angeht.“
Die
unaufgeregten und sachlich geführten Diskussionen machten deutlich,
dass die Gemeindebasis der jeweils 16.000 Mitglieder zählenden
Stadtpfarreien keine Angst vor einer Zukunft hat, in der die
katholische Kirche an der Ruhr kleiner wird und die Laien in den
Gemeinden mehr Verantwortung übernehmen müssen, weil es weniger
hauptamtliches Personal geben wird. Allein die Zahl der Priester wird
sich in der 170.000 Einwohner zählenden Stadt im Süden des
Ruhrgebietes bis 2030 von zwölf auf sechs halbieren. Positiv
überrascht waren die Teilnehmer der Pfarreikonferenzen darüber,
dass sich in den beiden Pfarreien insgesamt rund 6000 Menschen
ehrenamtlich engagieren und mit ihren Festen und anderen
Veranstaltungen mehrere 1000 Menschen in der Stadt erreichen.
Einige
Stimmen aus den Diskussionen in Mariae Geburt und Herz Jesu zeigten,
wo hin die Reise gehen könnte.
Klaus
Drews (55) aus St. Mariae Geburt: „Wir brauchen einen
Finanzausgleich zwischen den armen und reichen Bistümern in
Deutschland.“
Meßdienerleiter
Ole Werger (22) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Kirche muss sich mehr
in Schulen und Vereinen engagieren. Sie muss ein breiteres
Gottesdienstangebot machen, das nicht nur Ältere, sondern auch
Jugendliche anspricht.“
Thomas
Macioszek (30) aus St. Mariae Geburt: „Wir brauchen
charismatischere Predigten und müssen uns wieder mehr auf die
Verkündigung des Evangeliums konzentrieren.“
Martin
Linssen, Arzt aus St. Mariä Himmelfahrt: „Kirchen könnten auch
als Begegnungsstätten und Gemeindezentren genutzt werden.“
Gabi
(53) und Detlef Flecken (61) aus St. Mariae Geburt: „Gemeinde
findet nicht nur in der Kirche statt. Wir müssen Kompromisse machen.
Wir müssen nicht in allen Kirchen die gleichen Gottesdienste
anbieten. Vielleicht wird die Kirche kleiner, aber die Gemeinde und
ihre Aktiven freier und vielfältiger.“
Christian
Kochius (29) aus St. Mariae Geburt: „Wir müssen raus aus der
Kirche und im Alltag christliche Werte vorleben und vertreten. Wir
sollten solche Pfarreiversammlungen öfter abhalten, um als Gemeinde
gemeinsam unsere Entwicklungsziele definieren zu können.“
Alfred
Beyer (73) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Wir brauchen in Zukunft
mehr ökumenische Zusammenarbeit mit den evangelischen
Kirchengemeinden.“
Meßdienerleiter
Fabian Behur (23) und Jugendbeauftragte Julia Bromma (19) aus St.
Mariae Geburt: „Wir sollten auch Gospelgottesdienste und
Jugendgottesdienste mit Popmusik anbieten. Außerdem täten der
Liturgie mehr christlich inspirierte Alltagstexte gut, die auch von
Jugendlichen verstanden werden können.“
Meßdiener
Fabian Schlüter (15) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Die
Gemeindemitglieder müssen zusammenrücken. Gleichzeitig müssen
Gemeinden mehr offene Veranstaltungen, wie zum Beispiel ein offenes
Singen und Freizeitaktivitäten, anbieten.“
Ulrich
und Gisela Jung aus St. Mariae Geburt: „Unsere Gruppen müssen mehr
Außenwirkung entfalten. Gemeinden müssen auch mit Veranstaltungen
zu sozialen, theologischen und ethischen Themen an die Öffentlichkeit
gehen.“
Rolf
Hohage (72) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Wir dürfen uns nicht aus
der Fläche zurückziehen, sondern müssen als Gemeinde nah bei den
Menschen sein und erreichbar bleiben.“
Christel
Post (60) aus St. Mariae Geburt: „Wir sollten mehr kleine
Gottesdienste anbieten, bei denen Menschen als Gruppe Gemeinschaft
erfahren und miteinander ins Gespräch kommen können.“
Christian
Pöhlmann und Sabine Langhals aus St. Mariae Geburt: „Die Leute
sollen sich in der Kirche wohl- und willkommen fühlen. Raus mit den
Kirchenbänken und Stühle rund um den Altar aufstellen. Das ist
kommunikativer und gemütlicher.“
Herbert
Teiglake (78) aus St. Mariae Geburt: „Wir brauchen eine bessere
religiöse Erziehung und Bildung. Und wir müssen unsere wenigen
Priester von Verwaltungsaufgaben entlasten, damit sie mehr Zeit für
Verkündigung und Seelsorge haben.“
Christoph
Ducree (46) aus St. Mariae Geburt: „Wir brauchen als Gemeinde
offene Treffpunkte und müssen in den Stadtteilen erreichbar sein.
Ehrenamtlich sind gut und wichtig. Sie können aber auch nicht alles
leisten. Viele Menschen sind heute beruflich eingespannt und haben
keine Zeit fürs Ehrenamt.“
Edith
und Werner Gerbener aus St. Mariae Geburt: „Wir haben weniger
Jugendliche, als ich gedacht hätte. Deshalb müssen wir uns als
Gemeinde umso intensiver um die wenigen Jugendlichen kümmern, die da
sind.“
Magdalena
und Dieter Gatz aus St. Mariä Himmelfahrt: „Solche Veranstaltung,
wie die heutige, sollten wir bei Zeiten wiederholen.“
Ilona
Zolonkowski (61) aus St. Mariae Geburt: „Die Priester müssen ihre
Predigt umstellen und das Evangelium verständlicher verkünden.“
Christel
Essers (52) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Auch Laienpredigten sind
denkbar und wünschenswert, um einen stärkeren Alltagsbezug in der
Verkündigung herzustellen.“
Dieser Text erschien am 18. Februar im Neuen Ruhrwort