Dienstag, 29. November 2016

Als die Bahnbögen noch voller Leben waren: Ein Zeitsprung an der Bahnstraße

Ein Blick auf die heutigen Bahnbögen
Ein Foto aus den frühen 1970er Jahren lässt uns staunen. Das aus dem Stadtarchiv stammende Foto zeigt unter den Bahnbögen an der Bahnstraße eine lebendige Geschäftszeile. Heute schauen wir dort nur noch durch die nackten Rundbögen, die in den 1860er Jahren als Unterbau für die Rheinische Eisenbahnstrecke errichtet wurden, hindurch auf die parallel verlaufende Heinrich-Melzer-Straße, benannt nach dem ersten Nachkriegs-Vorsitzenden des DGB in Mülheim. Dort fanden sich noch in den 70er Jahren kleine Geschäfte, Lagerräume und Wohnungen. Erst Anfang der 1980er Jahre verschwanden die Geschäfte in den Bahnbögen zugunsten eines reinen Durchgangs und Durchblicks. Dabei ließe sich heute unter der ehemaligen Eisenbahnstrecke viel besser kaufen, verkaufen und wohnen. Denn inzwischen verläuft dort der Ruhr-Rad-Schnellweg - mit Stadtbalkon.

Die kleine Geschäftswelt unter den Bahnbögen, die sich bis in die 1890er Jahre zurückverfolgen lässt, und die im Zuge des westdeutschen Wirtschaftswunders in den 1950er Jahren wieder belebt wurde, schien den Stadtplanern am Beginn der 1980er Jahre nicht mehr zeitgemäß. Die Geschäfte unter den Bahnbögen passten damals nicht mehr in die schöne neue Einkaufswelt der Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen. Auch die Idee, die Freiräume unter den Bahnbögen für Künstlerateliers zu nutzen, wurde nicht realisiert. Stattdessen fuhr nach der Öffnung der Bahnbögen die Straßenbahnlinie 102 an der Bahnstraße entlang, bevor sie ab 1998 durch den Ruhrtunnel geführt wurde. 


Dieser Text erschien am 28. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 28. November 2016

Die Netzwerkerin: Als Stadtteilkoordinatorin ist die Erziehungswissenschaftlerin Sabine Gronek in Styrum unterwegs, um Menschen zu einer starken Gemeinschaft starker Persönlichkeiten zu bilden

Sabine Gronek
Wenn die heute 34-jährige Sabine Gronek als Teenager in Styrum unterwegs war, dann vor allem, weil es sie ins Freibad zog. Als ihr Mann Stephan und sie 2013 überlegten, wo sie sich das Ja-Wort für das gemeinsame Leben geben wollten, fiel ihre Wahl auf das Schloss Styrum. „Die Atmosphäre dort gefiel mir einfach gut“, erinnert sich die studierte Erziehungswissenschaftlerin, die in Speldorf geboren wurde und am Gymnasium Broich ihr Abitur gemacht hat.

Dass sie schon bald in und für Styrum arbeiten würde, hätte die Geisteswissenschaftlerin, die schon diverse befristete Arbeitsverhältnisse als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Projektmanagerin und zuletzt als Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule Ruhr-West hinter sich gebracht hat, damals nicht träumen lassen. Doch im Juli 2015 ergab sich die Chance, als für Styrum eine Bildungsnetzwerkerin gesucht wurde.

Bis dahin kannte sie vor allem die gängigen Styrum-Klischees, über den Stadtteil in dem „viele Ausländer leben und in dem es viele soziale Probleme gibt“. Seit sie nun regelmäßig im Stadtteil unterwegs ist, um zusammen mit Kindertagesstätten, Grundschulen, Sportvereinen, Eltern und anderen sozialen Akteuren, gleichermaßen niederschwellige und wirksame Bildungsprojekte auf die Beine zu stellen, hat sie gelernt, „dass dieser Stadtteil, in dem etwa ein Viertel der Menschen eine Zuwanderungsgeschichte hat, viel vielschichtiger ist, als er von außen oft wahrgenommen wird.“

Was ihr bei ihrer Arbeit, die sich etwa zur Hälfte in ihrem Büro in der Feldmannvilla an der Augustastraße und zur Hälfte überall dort in Styrum abspielt, wo sie gemeinsam mit Styrumern Projekte schmiedet, positiv auffällt, ist die Tatsache, „dass es hier unvergleichlich viele Menschen gibt, die sich gerne für ihren Stadtteil engagieren und dabei offen für neue Ideen sind.“

Das merkt Gronek, wenn sie im Ruhrstadion ein Eltern-Kind-Fußballturnier organisiert, Väter und ihre Kinder zu einem Tagesausflug einlädt, zusammen mit Vereinen, Grundschulen und Familienzentren einen Sporttag für kleine Leute auf die Beine stellt oder in der Küche der benachbarten Willy-Brandt-Schule, Styrumer aus allen Generationen und Nationen nicht nur zum gemeinsamen Kochen und Essen, sondern auch miteinander ins Gespräch bringt.

Obwohl ihre Arbeitszeiten keine geregelten Grenzen, aber viele Abendtermine kennen, empfindet sie das berufliche Unterwegssein im Stadtteil nicht als Ochsentour, sondern als belebend und inspirierend, weil sie die Teilnehmer und Zielgruppen ihrer Projekte vom Elternabend über „das liebevolle Grenzen setzen“ über das Mut-Café für Mütter bis hin zum gemeinsamen und generationsübergreifenden Beackern der Oase Unperfekt, einem öffentlichen Garten an der A40, nicht überreden und überzeugen muss, mitzumachen.

„Irgendwie und irgendwo findet sich immer jemand, der zusammen mit mir überlegt: ,Wie können wir diese oder jene Idee Wirklichkeit werden lassen.’“ freut sich die Stadtteil-Koordinatorin. Ihren ersten Mitmacher und Türöffner fand die Styrum-Novizin nach ihrem Einstieg in den Stadtteil in Person ihres Büro-Nachbarn in der Feldmannvilla. „Max Schürmann kennt wirklich jeden und alles in Styrum“, lobt Gronek den langjährigen Leiter der Feldmannstiftung.Die Bürgerbegegnungsstätte erlebt Gronek auch als einen Bildungsort, „weil er vom Puppentheater bis zum Mal- und Geschichtsgesprächskreis spielerisch Bildung ermöglicht und Menschen jeden Alters Freiräume verschafft, in denen sie gemeinsam aktiv werden und sich persönlich weiterentwickeln können.“

Und letztlich ist Gronek auch dann für die Bildungsförderung in Styrum unterwegs, wenn sie an ihrem Schreibtisch in der Feldmannvilla sitzt und zum Beispiel mit potenziellen Sponsoren telefoniert oder Projektkonzepte und Projektberichte schreibt.

Welches Potenzial der bunte und sozial wie kulturell vielfältige Stadtteil hat, wurde der Mutter einer dreijährigen Tochter klar, als sie bei einem Schreib- und Vorlesetag zum Thema Lebensträume mit einer neunjährigen Grundschülerin sprach, die Deutsch, Englisch, Albanisch und Türkisch sprechen konnte und ihr ganz stolz erzählte, dass sie unbedingt Tierärztin werden wolle.

Mit Blick in ihr eigene berufliche Zukunft als Bildungsnetzwerkerin und Stadtteilkoordinatorin sieht Gronek vor allem in den Bereichen Gesundheit und Ernährung ein wichtiges Handlungsfeld. Wie lange sie Bildungsarbeit in Styrum leisten kann, weiß die Erziehungswissenschaftlerin, die ihre Examensarbeit über Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen geschrieben hat, nicht, weil ihre jetzige Stelle zunächst nur bis zum Juli 2018 befristet ist. Doch nach ihren positiven Erfahrungen in den letzten eineinhalb Jahren würde sie gerne auch über den Sommer 2018 hinaus in und für Styrum arbeiten, statt wieder unterwegs zu sein, zur nächsten Arbeitsstelle auf Zeit. „Irgendwann möchte man auch mal ankommen“, sagt Sabine Gronek.


Dieser Text erschien am 26. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 27. November 2016

So gesehen: Auch Maschinen können irren

Früher hielt ich elektrische Schreibmaschinen mit Zeilenspeicher und Fax-Geräte für die Spitze des technischen Fortschritts. Heute schreibe ich meine Texte mit einem Computer und versende sie per E-Mail. Die Zeiten, in denen man als Journalist Texte auf einer Schreibmaschine tippte und sie per Fax verschickte, damit sie am anderen Ende der Leitung von Mitarbeitern einer Drucksatzstelle ins rechte Zeitungsmaß gebracht werden konnten, scheinen Lichtjahre entfernt. Das nennt man Rationalisierung.

Da beschleicht den Journalisten, der noch im analogen Zeitalter mit Manuskriptpapier aufgewachsen ist, die  Angst, wie so mancher Kollege in der industriellen Massenfertigung in nicht allzu ferner Zukunft durch einen Schreib-Roboter ersetzt zu werden. In Japan werden Roboter jetzt auch schon in der Altenpflege eingesetzt. Elektronische statt menschliche Zuwendung im Alter? Ob man das noch erleben möchte? Doch es gibt noch Hoffnung für die Schöpfung Mensch.

Denn als ich jüngst an einer Haltestelle auf meine Bahn wartete, weil mir die computergesteuerte elektronische Anzeigetafel ihre Ankunft in fünf Minuten ankündigte, ich selbst aber mit eigenen Augen feststellen konnte, dass sie bereits eingefahren war, wusste ich: Auch Maschinen können irren. Gott, sei Dank.

Dieser Text erschien am 26. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 26. November 2016

Ein gut eingespieltes Team: Die Notfallseelsorger der Evangelischen Kirche und ihre Fahrer vom Deutschen Roten Kreuz



Kurt Sallner (links) und Guido Möller
Rund 100 Mal im Jahr werden Pfarrer Guido Möller und seine 54 Kollegen aus dem Notfallseelsorger-Team des evangelischen Kirchenkreises an der Ruhr zu einem Notfall gerufen. Ein Mensch ist plötzlich gestorben. Ein
anderer hat sich das Leben genommen oder droht mit einem Suizid. Auf der Autobahn sind Menschen bei einem Unfall schwer verletzt oder getötet worden. Angehörige, Unfallopfer oder Unfallbeteiligte und Unfallverursacher stehen unter Schock. „Zu diesem Schock kommt oft die quälende Frage nach der persönlichen Schuld. Hätten wir, hätte ich das verhindern können“, weiß Möller.
Der 54-jährige Theologe, der in seinem früheren Berufsleben auch als Krankenpfleger gearbeitet hat, gehört seit 2002 zum Team der Notfallseelsorger, das er seit 2007 leitet. Wenn Möller zum Einsatz gerufen wird, ist in der Regel Kurt Sallner als Fahrer und Rettungshelfer in der Not an seiner Seite. Der 47-jährige Bundesbeamte und seine 39 Kollegen aus dem Notfallseelsorgedienst des Deutschen Roten Kreuzes arbeiten ehrenamtlich, neben ihrem Beruf.

Sallner schätzt seinen jährlichen Zeiteinsatz als Fahrer und
Rettungshelfer auf 1500 bis 2500 Stunden. Lange hat er im
Rettungsdienst des Roten Kreuzes mitgearbeitet. Aber irgendwann machte sein Rücken nicht mehr mit. Jetzt leitet er seit 2009 den Arbeitskreis für den Notfallseelsorgedienst. „Mit Kirche habe ich eigentlich nicht viel am Hut. Aber der Einsatz und das Einfühlungsvermögen der Notfallseelsorger haben mich sehr beeindruckt. Ich selbst bin durch meine Mitarbeit im Notfallseelsorgedienst freundlicher und sensibler geworden, achte nicht mehr nur auf mich, sondern auch auf meine Mitmenschen“, erzählt Sallner.
Guido Möller möchte Sallner und seine DRK-Kollegen bei keinem Einsatz missen. „Sie sind für uns Notfallseelsorger, wie unsere rechte und linke Hand, die uns im Ernstfall den Rücken freihält und bei Bedarf weitere Hilfskräfte anfordert“, sagt er. Dass er auf die gut eingespielten und ausgebildeten Strukturen des Notfallseelsorgedienstes zurückgreifen kann, gibt dem Pfarrer im Einsatz die nötige Freiheit und Sicherheit, um sich voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Waren die Notfallseelsorger und ihre Begleiter vom DRK, Ende der 90er Jahre, noch mit einem VW-Golf  unterwegs, so steht ihnen heute für ihre Einsätze ein Mercedes-Kleinbus zur Verfügung. Mit seiner gemütlichen Sitzecke und seinen abgedunkelten Scheiben bietet dieses Fahrzeug auch bei einem Autounfall auf der Autobahn oder nach einem Hausbrand einen wichtigen Rückzugsort für die Betroffenen. Auch wenn es plötzlich zu gesundheitlichen Komplikationen kommt, weil ein Hinterbliebener plötzlich hyperventiliert oder Anzeichen eines Herzversagens zeigt, haben Sallner und seine Kollegen alle notwendigen Rettungsmittel vom Infusionsbesteck über den Beatmungsbeutel bis zum Automatischen Elektronischen Defibrillator an Bord. Was macht man als Notfallseelsorger in einem Notfall? „Da gibt es keine Routine.

Denn jeder Fall und jede Situation ist wieder anders“,
sagt Guido Möller. Aber im Laufe der Jahre hat er ein Bauchgefühl entwickelt, auf das er sich meistens verlassen kann. „Man muss einfach erspüren, was der Betroffene braucht. Manchmal ist es das Gespräch, manchmal das reine Zuhören oder das gemeinsame Schweigen. Und manchmal hilft es auch, wenn ich uns erst mal eine Tasse Kaffee koche“, erzählt Möller aus seinem Seelsorger-Alltag. Manchmal ist dann auch gleich Kurt Sallner gefordert, etwa, wenn es darum geht, den oder die Betroffenen zu Verwandten zu bringen oder aber Verwandte an den Unglücksort zu holen. Seite an Seite gehen der Notfallseelsorger und sein Begleiter vom Notfallseelsorgedienst durch Dick und dünn. „Da entstehen natürlich auch freundschaftliche Bande, die dazu führen, dass man sich auch ohne viele Worte versteht, auch wenn es gut tut, nach einem gemeinsamen Einsatz bei einer Tasse Kaffee oder einer Portion Pommes noch einmal über das Erlebte zu sprechen.“
Doch Sallner und Möller lassen auch keinen Hehl daran, dass es, trotz allem Austausch und gegenseitiger Hilfe, immer wieder Situationen gibt, an denen sie mehr als einen Tag zu knacken haben. Möller erinnert sich zum Beispiel daran, dass ihm nach seinem Einsatz bei der Duisburger Love-Parade-Katastrophe mehrere Tage die Stimme wegblieb.

Auch Sallner kennt posttraumatische Belastungsstörungen, die das Leben nach einem schweren Einsatz aus dem Takt bringen können. Doch er weiß auch, dass diese Störungen, eine normale Reaktion der Seele sind, die in der Regel nach wenigen Tagen wieder verschwindet, wenn man das auslösende traumatische Erlebnis in Gesprächen mit den Notfallseelsorgern oder mit erfahrenen Kollegen reflektiert und aufgearbeitet hat. Diese eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse im Rahmen der Fortbildung und der Einsatznachsorge auch an junge Kollegen des Notfallseelsorgedienstes weiterzugeben, um sie so langfristig zu stabilisieren und zu entlasten, versteht dessen Leiter als „Teil meiner Fürsorgepflicht.“
Doch auch wenn ihre gemeinsame Arbeit mit und für Menschen in Lebenskrisen und emotionalen Extremsituationen oft seelisch belastend ist, sehen Kurt Sallner und Guido Möller ihren persönlichen Beitrag „zu dieser gesellschaftlich wichtigen und hoch relevanten Aufgabe“ als unverzichtbar, aber auch als persönlich befriedigend an, weil sie in ihren Einsätzen immer wieder erfahren, „wie sinnvoll unsere Arbeit ist, mit der wir dort sind, wo es brennt und wo wir als Menschen mit unserer ganzen Menschlichkeit gebraucht werden.“

Dieser Text erschien in der Ausgabe 4/2016 des DRK-Magazins

Freitag, 25. November 2016

So gesehen: Streicheleinheiten müssen sein

Heutzutage muss man mit allem rechnen und das in jeder Hinsicht. Noch vor wenigen Tagen mussten wir uns warm anziehen, weil es doch spürbar kälter geworden war. Doch nun stiegen die Temperaturen dann auch wieder so an als hätten wir April und nicht November.

Mein Gott. So schnell kann das gehen. Gestern noch ein Anflug von Herbstdepression und heute schon ein Hauch von Frühlingsgefühlen. Eben diese Gefühlslage wurde bei mir gestern verstärkt, als ich nach einem Pressegespräch von einer Dame unerwartet in den Arm genommen wurde. Heute ist Mann ja nichts Gutes mehr gewöhnt und befürchtet eher, unverhofft auf den Arm genommen zu werden.

Doch besagte Dame, die sich zuvor in gleicher zugewandter Weise von ihren Kolleginnen verabschiedet hatte, stellte mit weiblicher Weisheit fest. „Auch die Männer sollen nicht zu kurz kommen, wenn es um Streicheleinheiten geht!“

„Wie wahr, wie wahr“, denkt der Gentleman und genießt den Augenblicks, wohl wissend, dass der Moment, in dem er sich nicht nur wetterbedingt warm anziehen muss, so sicher folgt, wie das Amen in der Kirche. Doch dann wird ihn die Erinnerung an diesen warmherzigen Moment stärken, denn er darf hoffen, dass der Zumutung die Ermutigung folgt, am besten als Streicheleinheit. 


Dieser Text erschien am 23. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 24. November 2016

Von der Windmühle zum Wohnhaus: Ein Zeitsprung an der Düsseldorfer Straße in Saarn

Wo heute ein moderner Wohnbau steht, stand an der Düsseldorfer Straße 92, gleich gegenüber der heutigen Buchhandlung Hilberath und Lange, eine Windmühle. Eine Zeichnung aus dem Stadtarchiv zeigt es. Die Heimatforscher Heinz Weirauch und Andreas ten Brink bestätigen, das die Kornmühle Kotthaus um 1838 errichtet wurde und bis etwa 1910 in Betrieb war.

„Neben der Kotthaus-Mühle gab es früher in Saarn auch eine 1289 erstmals  erwähnte Klostermühle und eine Mühle an der Langenfeldstraße, die ebenfalls Korn mahlten“, erzählt Weirauch. Die Reste der Kotthaus-Mühle wurden, wie man in der NRZ nachlesen kann, im Februar 1970 abgerissen, um Platz für neuen Wohnungsbau zu schaffen. Unweit des ehemaligen 

Windmühlengeländes findet sich heute an der Düsseldorfer Straße 98 die Alte Mühlen-Apotheke. Dieser Name bezieht sich allerdings nicht auf die Windmühle Kotthaus, sondern auf die früher dort existierende Dampfmühle. Die 1970 abgerissene Kotthaus-Mühle war Mülheims letzte Mühle. Schon 1963  hatte die Pillensche Mühle dem Ausbau der Prinzeß-Luise-Straße weichen müssen.
Der 1093 erstmals urkundlich erwähnte Name Mülheim zeigt, dass die Stadt einst reich an Mühlen war. Allein im Rumbachtal klapperten einst sieben Mühlen. Straßennamen, wie Walkmühlenstraße oder Wetzmühlenstraße zeugen noch heute davon. Die Geschichte  der Walkmühle, in der sich heute ein Restaurant befindet, reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Doch schon im frühen 19. Jahrhundert wurde aus alten Walkmühle ein beliebtes Ausflugslokal.

Dieser Text erschien am 21. November 2016


Dienstag, 22. November 2016

So gesehen: Ein frommer Wunsch


Es gibt Berufe, die den ganzen Mann fordern. Das gilt auch für die Bestückung des Weihnachtstreffs auf der Schloßstraße, wie ich an diesem Wochenende beobachten konnte. Wer schon mal erlebt hat, wie die Dekoration des heimischen Weihnachtsbaums eine Familienkrise auslösen kann, der muss schon staunen, mit welchem Fingerspitzengefühl und mit welcher Übersicht dieser Mann für die Bestückung des Weihnachtstreffs einen stattlichen Hebekran auf seinen vier dicken Rädern durch das Labyrinth der Wochenmarkt- und Weihnachtsbuden, durch die Freiräume zwischen Brunnen, Bänken und Baumkübeln und immer knapp vorbei an Fußgängern und Lieferwagen zentimetergenau dort hin steuert, wo die Baumkugeln und LED-Leuchten hin müssen.

Doch in meinen Respekt für die präzise und verantwortungsvolle Arbeit des einsamen Mannes auf der Hebebühne mischt sich unvermittelt ein Gedanke aus meiner Kindheit und ein Stück Wehmut.

Denn was dieser Mann heute alleine tut, war früher auf viele Schultern verteilt. Wo sind seine Kollegen geblieben, die früher weniger spektakulär und mit weniger Technik einen sehr viel schöneren und größeren Weihnachtsmarkt in der Innenstadt aufbauten und bestückten? Und mir wird klar. Vielleicht haben ja nicht nur die Probleme unserer Innenstadt damit zu tun, dass es immer weniger Kollegen gibt, die arbeiten, verdienen und deshalb auch einkaufen und sich auf ein wirklich Frohes Fest im Kreise ihrer Lieben freuen können. Ist es heute, noch vor dem ersten Advent zu verwegen, sich zu Weihnachten mehr Kollegen zu wünschen, die keine Almosen brauchen, weil sie Arbeit und Zuversicht haben?

Dieser Text erschien am 21. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 20. November 2016

Der Schutzengel vom Roten Kreuz - Als Mitarbeiterin des Hausnotrufdienstes fährt DRK-Rettungshelferin Alina Giesen, mal mit und mal ohne Blaulicht durch die Stadt, um vor allem alleine lebenden Senioren zu helfen: Nicht immer ist es ein Notfall

Alina Giesen ist eine starke Frau. Man glaubt es nicht, wenn man die 21-Jährige zierliche Frau sieht. Aber man weiß es, wenn man sieht, wie sie zusammen mit Kollegen vom Rettungsdienst eine alte Dame, die sich nach einem Sturz den Oberschenkelhals gebrochen hat aus der fünften Etage durchs Treppenhaus in den Rettungswagen trägt oder wenn sie ihren 20 Kilo schweren Rettungs-Rucksack schultert.

Der hat es in sich: Kompressen, Verbandsmaterial, diverse Medikamente, Beatmungsgeräte, Spritzen Infusionsbesteck, Brechbeutel, Pflasterrollen, Pupillenreflexleuchte, Wirbelsäulenstütze...Fast hat man den Eindruck, dass die junge Frau eine kleine Klinik auf ihren Schultern trägt.

Der Oberschenkelhalsbruch ist in dieser 24-Stundenschicht der härteste, aber nicht der einzige Einsatz für die FSJlerin.

Dieses Kürzel steht für Alina Giesen und ihre fünf Kolleginnen, die aktuell beim Hausnotrufdienst des DRK ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Ihr monatliches Entgelt beträgt 360 Euro. Dafür absolviert die Fremdsprachensekretärin und ausgebildete Rettungshelferin wöchentlich drei bis vier 24-Stunden-Bereitschaftsdienste. „Du bist ja kaum noch zuhause“, hat sich ihre Mutter jüngst bei ihr beklagt.

Doch Alina Giesen macht ihre oft anstrengende und verantwortungsvolle Arbeit, die einem Ehrenamt gleich kommt, gerne und mit Elan. „Ich habe mich immer schon für Menschen und für Medizin interessiert. Das ist einfach cool“, sagt sie.

Gerne hätte sie Medizin oder Psychologie studiert. Doch dafür reichte ihr Abi-Notendurchschnitt von 2,8 leider nicht aus. Und so steuert sie jetzt auf eine Berufsausbildung als Rettungsassistentin zu. Mit ihrer Ausbildung zur Rettungshelferin und einem Praktikum im Rettungsdienst der Feuerwehr hat sie bereits die ersten Schritte in diese Richtung hinter sich gebracht. „Jetzt muss ich erst mal einen Führerschein für den Rettungswagen machen“, formuliert sie ihr nächstes Etappenziel.

Als Mitarbeiterin des DRK-Hausnotrufdienstes ist sie derzeit nur mit einem normalen PKW unterwegs, fährt aber auch schon mit Blaulicht. Das muss sie in dieser Schicht nicht nur einschalten, als sie um zwei Uhr in der Nacht zu der Dame mit dem Oberschenkelhalsbruch fährt, sondern auch als drei Kunden des DRK-Hausnotrufes einen Notruf absetzen, ohne sich persönlich zu melden. „Dass kann bedeuten, dass sie zuhause tot oder schwer verletzt auf dem Teppich liegen und sich nicht mehr melden können“, erklärt Giesen. Jetzt zählt jede Sekunde.

Vor Ort angekommen stellt sich die Situation Gott sei Dank nicht so dramatisch dar. Zwei alte Damen sind in ihrer Wohnung gestürzt und klagen über Schmerzen. Giesen tastet behutsam ihre Glieder ab und misst die Vitalfunktionen. „Gebrochen ist nichts“, gibt sie Entwarnung. Diesmal muss sie nicht den Rettungsdienst alarmieren. Das ist auch nicht nötig, als sie wenig später zu einer weiteren Frau gerufen wird, die über Luftnot klagt.

„Die meisten unserer 900 Kunden sind alte und alleine lebende Menschen. Es gibt auch einige Jüngere, die durch Krankheiten, wie zum Beispiel Multiple Sklerose, auf unsere Hilfe angewiesen sind“, berichtet Giesen auf dem Rückweg ins DRK-Zentrum an der Aktienstraße.

Wenig später geht es schon wieder los, diesmal allerdings ohne Blaulicht. Denn der Einsatz-Alarm, der sie aus der Leitstelle auf ihrem Smartphone erreicht, ist ein sogenannter Tages-Tasten-Alarm. Das heißt: Kunden haben sich innerhalb der letzten 24 Stunden nicht einmal zurückgemeldet. Um auszuschließen. dass die betreffenden Kunden nicht plötzlich gestorben sind, fährt Giesen raus und schaut nach. Vor Ort angekommen stellt sich heraus, dass ein alter Herr seit gestern in einer Reha-Klinik ist und vor seiner Abreise offensichtlich vergessen hat, die Abmeldetaste seines Hausnotrufgerätes zu drücken. Das gilt auch für die alte Dame, die gerade vom Einkauf zurückkommt, als Giesen bei ihr zuhause eintrifft. Ins DRK-Zentrum zurückgekehrt, in dem sie während ihrer 24-Stunden-Schicht auch schläft, braucht die Rettungshelferin erst mal eine Stärkung. Die mitgebrachte Pasta aus Mutters Küche kommt da gerade recht, ehe es für Giesen mit einem Service-Einsatz für einen Hausnotrufkunden weitergeht. Denn dessen Funkfinger, den er wie eine Armbanduhr am Handgelenk oder wie eine Kette am Hals tragen kann, ist defekt und muss deshalb schnellstens ausgetauscht werden.


Dieser Text erschien am 19. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Der Schutzengel vom Roten Kreuz - Als Mitarbeiterin des Hausnotrufdienstes fährt DRK-Rettungshelferin Alina Giesen, mal mit und mal ohne Blaulicht durch die Stadt, um vor allem alleine lebenden Senioren zu helfen: Nicht immer ist es ein Notfall

Alina Giesen
Alina Giesen ist eine starke Frau. Man glaubt es nicht, wenn man die 21-Jährige zierliche Frau sieht. Aber man weiß es, wenn man sieht, wie sie zusammen mit Kollegen vom Rettungsdienst eine alte Dame, die sich nach einem Sturz den Oberschenkelhals gebrochen hat aus der fünften Etage durchs Treppenhaus in den Rettungswagen trägt oder wenn sie ihren 20 Kilo schweren Rettungs-Rucksack schultert.

Der hat es in sich: Kompressen, Verbandsmaterial, diverse Medikamente, Beatmungsgeräte, Spritzen Infusionsbesteck, Brechbeutel, Pflasterrollen, Pupillenreflexleuchte, Wirbelsäulenstütze...Fast hat man den Eindruck, dass die junge Frau eine kleine Klinik auf ihren Schultern trägt.

Der Oberschenkelhalsbruch ist in dieser 24-Stundenschicht der härteste, aber nicht der einzige Einsatz für die FSJlerin.

Dieses Kürzel steht für Alina Giesen und ihre fünf Kolleginnen, die aktuell beim Hausnotrufdienst des DRK ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Ihr monatliches Entgelt beträgt 360 Euro. Dafür absolviert die Fremdsprachensekretärin und ausgebildete Rettungshelferin wöchentlich drei bis vier 24-Stunden-Bereitschaftsdienste. „Du bist ja kaum noch zuhause“, hat sich ihre Mutter jüngst bei ihr beklagt.

Doch Alina Giesen macht ihre oft anstrengende und verantwortungsvolle Arbeit, die einem Ehrenamt gleich kommt, gerne und mit Elan. „Ich habe mich immer schon für Menschen und für Medizin interessiert. Das ist einfach cool“, sagt sie.

Gerne hätte sie Medizin oder Psychologie studiert. Doch dafür reichte ihr Abi-Notendurchschnitt von 2,8 leider nicht aus. Und so steuert sie jetzt auf eine Berufsausbildung als Rettungsassistentin zu. Mit ihrer Ausbildung zur Rettungshelferin und einem Praktikum im Rettungsdienst der Feuerwehr hat sie bereits die ersten Schritte in diese Richtung hinter sich gebracht. „Jetzt muss ich erst mal einen Führerschein für den Rettungswagen machen“, formuliert sie ihr nächstes Etappenziel.

Als Mitarbeiterin des DRK-Hausnotrufdienstes ist sie derzeit nur mit einem normalen PKW unterwegs, fährt aber auch schon mit Blaulicht. Das muss sie in dieser Schicht nicht nur einschalten, als sie um zwei Uhr in der Nacht zu der Dame mit dem Oberschenkelhalsbruch fährt, sondern auch als drei Kunden des DRK-Hausnotrufes einen Notruf absetzen, ohne sich persönlich zu melden. „Dass kann bedeuten, dass sie zuhause tot oder schwer verletzt auf dem Teppich liegen und sich nicht mehr melden können“, erklärt Giesen. Jetzt zählt jede Sekunde.

Vor Ort angekommen stellt sich die Situation Gott sei Dank nicht so dramatisch dar. Zwei alte Damen sind in ihrer Wohnung gestürzt und klagen über Schmerzen. Giesen tastet behutsam ihre Glieder ab und misst die Vitalfunktionen. „Gebrochen ist nichts“, gibt sie Entwarnung. Diesmal muss sie nicht den Rettungsdienst alarmieren. Das ist auch nicht nötig, als sie wenig später zu einer weiteren Frau gerufen wird, die über Luftnot klagt.

„Die meisten unserer 900 Kunden sind alte und alleine lebende Menschen. Es gibt auch einige Jüngere, die durch Krankheiten, wie zum Beispiel Multiple Sklerose, auf unsere Hilfe angewiesen sind“, berichtet Giesen auf dem Rückweg ins DRK-Zentrum an der Aktienstraße.

Wenig später geht es schon wieder los, diesmal allerdings ohne Blaulicht. Denn der Einsatz-Alarm, der sie aus der Leitstelle auf ihrem Smartphone erreicht, ist ein sogenannter Tages-Tasten-Alarm. Das heißt: Kunden haben sich innerhalb der letzten 24 Stunden nicht einmal zurückgemeldet. Um auszuschließen. dass die betreffenden Kunden nicht plötzlich gestorben sind, fährt Giesen raus und schaut nach. Vor Ort angekommen stellt sich heraus, dass ein alter Herr seit gestern in einer Reha-Klinik ist und vor seiner Abreise offensichtlich vergessen hat, die Abmeldetaste seines Hausnotrufgerätes zu drücken. Das gilt auch für die alte Dame, die gerade vom Einkauf zurückkommt, als Giesen bei ihr zuhause eintrifft. Ins DRK-Zentrum zurückgekehrt, in dem sie während ihrer 24-Stunden-Schicht auch schläft, braucht die Rettungshelferin erst mal eine Stärkung. Die mitgebrachte Pasta aus Mutters Küche kommt da gerade recht, ehe es für Giesen mit einem Service-Einsatz für einen Hausnotrufkunden weitergeht. Denn dessen Funkfinger, den er wie eine Armbanduhr am Handgelenk oder wie eine Kette am Hals tragen kann, ist defekt und muss deshalb schnellstens ausgetauscht werden.


Dieser Text erschien am 19. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 18. November 2016

Volkstrauertag bleibt leider aktuell - Nicht nur auf dem im Ersten Weltkrieg angelegten Ehrenfriedhof im Uhlenhorst wurde gestern der Opfer von Krieg, Gewalt und Terror gedacht

Ein Blick auf Hermann Lickfelds Skulptur
"Der Zusammenbrechende"
Stärker als es der Bildhauer Hermann Liekfeld mit seiner Skulptur „Der Zusammenbrechende“ getan hat, kann man das, was Kriege (bis heute) Menschen antun, kaum ins Bild setzen. Ein nackter Mensch schaut hilflos und vom Schmerz gebeugt zu Boden. Als der Mülheimer Bildhauer in den 30er-Jahren sein Mahnmal für den im Ersten Weltkrieg angelegten Ehrenfriedhof im Uhlenhorst schuf, stand der Zweite Weltkrieg noch bevor, der etwa 56 Millionen Menschen das Leben kosten sollte — nachdem der Erste Weltkrieg bereits zehn Millionen Menschenleben gefordert hatte.

Nicht nur auf diese historischen Tatsachen, sondern auch darauf, „dass Krieg, Terror, Gewalt und Tot immer noch von schmerzlicher Aktualität sind“, wiesen Bezirksbürgermeister Hermann-Josef Hüßelbeck und Diakon Jürgen Werner in ihren Ansprachen hin. Würdig und berührend begleiteten die Chorbrüder des ältesten Mülheimer Männergesangsvereins, Frohsinn 1852, die Veranstaltung des Volkstrauertages, zu dem der Sozialverband Deutschland eingeladen hatte. Unter anderem sangen sie das Vater-Unser und die 1841 von Hoffmann von Fallersleben gedichtete und von Joseph Haydn komponierte Nationalhymne.

Angesichts der Aktualität war es bedauerlich, dass unter den gut 50 Teilnehmern, die gestern den Weg in den Uhlenhorst fanden, keine jungen Leute waren. Nicht nur an sie war die Mahnung gerichtet, die Hermann-Josef Hüßelbeck mit den Worten des 2015 verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker aussprach: „Wer seine Geschichte nicht kennt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.“

Für den Bezirksbürgermeister steht fest: „Heute stehen wir dafür in der Verantwortung, dass unsere Kinder und Enkelkinder nicht das Schicksal erleiden müssen, das unsere Eltern und Großeltern erleiden mussten.“

Zur Verantwortung zählt Hüßelbeck auch die gelebte Solidarität mit Kriegsflüchtlingen und anderen Menschen in Not sowie „das aktive Eintreten für Demokratie, Frieden und Freiheit. weil sie eben nicht selbstverständlich“ seien.

Angesichts aktueller Kriegs- und Terror-Gewalt, aber auch mit Blick auf das persönlich erfahrene Leid, zeigte Diakon Jürgen Werner Verständnis für die menschlichen Zweifel an der Barmherzigkeit Gottes. Auch er bekannte sich zu diesen Zweifeln, ermutigte seine Zuhörer aber auch dazu, sich von der Welt „nicht erschrecken zu lassen und sich in einer schnelllebigen Zeit Momente der Stille und des Nachdenkens zu gönnen, um den Heiligen Geist, den uns Gott gegeben hat, in uns selbst auch zuzulassen und mit dieser Kraft allen Einflößungen von Gewalt und Hass zu widerstehen und ihnen entgegenzutreten“.

Diesen Appell verband der katholische Geistliche mit der Hoffnung des christlichen Glaubens, „dass Tod, Krieg, Terror und Gewalt nicht das letzte Wort haben, sondern Gott, die Auferstehung und das Leben“.


Dieser Text erschien am 14. November 2016 in NRZ/WAZ

Der Frieden bleibt eine Dauerbaustelle - Volksbund mahnt zur Hilfe für Notleidende

Der Volkstrauertag mahnt uns, im Gedenken an die Toten der Kriege nicht nachzulassen und Frieden und Freiheit nicht allzu selbstverständlich hinzunehmen, sondern als eine beständige Gestaltungsaufgabe zu betrachten!“ Darauf wies der Vorsitzende des örtlichen Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Markus Püll, am Sonntag bei der Volkstrauertagskundgebung des Volksbundes hin.

Der Volksbund gedachte auch diesmal am Mahnmal für den unbekannten Soldaten, unweit des Altstadtfriedhofes, der Gefallenen der beiden Weltkriege und der Menschen, die bis heute als Soldaten und Zivilisten Opfer von Krieg, Terror und Gewalt geworden sind.

Püll erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass nach Angaben der Vereinten Nationen derzeit weltweit 65 Millionen Menschen vor Krieg und Terror fliehen müssen. In diesem Zusammenhang zitierte der Stadtverordnete die Mahnung von Papst Franziskus: „Wir dürfen nie aufhören, uns um Menschen zu kümmern, die in Not sind.“


Dieser Text erschien am 15. November 2016 in der NRZ/WAZ

Donnerstag, 17. November 2016

Das Haus Küchen - Ein Zeitsprung im Uhlenhorst

Das Haus Küchen im Uhlenhorst

Viel hat sich auf dem historischen Bild des Stadtfotografen Walter Schernstein und auf der aktuellen Aufnahme scheinbar nicht geändert. Und doch liegen zwischen den beiden Fotografie aus den Jahren 1989 und 2016 Welten.

Als Schernsteins Aufnahme entstand beherbergte die 1913 im Auftrag des Industriellen Gerhard Küchen  im englischen Landhaus-Stil errichtete Villa noch die Evangelische Akademie. Unter der Leitung ihres rührigen Direktors Dieter Bach wurde die 1952 von der Rheinischen Landeskirche eröffnete und getragene Akademie in besonderem Maße zu dem, was sie immer sein sollte und wollte, zu einem Haus der Begegnung.

Hier begegneten sich Menschen aller Generationen und Gesellschaftsschichten,
Mächtige und Ohnmächtige aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft diskutierten dort über die Fragen aus Geschichte, Gegenwart und Zukunft, suchten mögliche Antworten und Handlungsoptionen.

Vor allem in den politischen Wendejahren 1989 und 1990 wurde die Evangelische Akademie zum Forum des Ost-West-Dialoges. Nachdem die Akademie 2003 das Haus im Uhlenhorst in Richtung Bonn verlassen hatte, blieb es (ab 2006) als Residenz Uhlenhorst auf andere Weise ein Haus der Begegnung. Jetzt war es ein Hotel und Restaurant, in dem nicht nur gespeist und übernachtet, sondern auch gefeiert und geheiratet wurde.

Doch mit dem Jahr 2015 ging auch diese Ära zu Ende. Jetzt soll die alte Villa wieder zu einem Wohnhaus mit zehn Mietwohnungen werden.

Dieser Text erschien am 14. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung


Mittwoch, 16. November 2016

Ein Beruf, der zur Berufung wurde: Unterwegs mit dem Bestattermeister Stefan Helmus-Fohrmann

Als junger Schreiner hätte sich Stefan Helmus nicht vorstellen können, eines Tages als Bestatter zu arbeiten. Doch dann traf er vor 30 Jahren im Sommerurlaub Mirjam Fohrmann, deren Eltern ein Möbelhaus mit einem angeschlossenem Bestattungsinstitut betrieben. Bald segelten die beiden in den Hafen der Ehe und wurden auch beruflich ein Paar. Irgendwann fragte ihn der Schwiegervater, ob er ihm bei der Überführung eines Verstorbenen helfen könne. Der heute 49-Jährige half und begann damit eine zweite Berufslaufbahn, die ihn zum Bestattungsmeister und Thanatologen werden ließ. Thanatologen sind Fachleute, die auch schwer verletzte Unfall-Opfer mit Schminke, Wachs und Füllstoffen so präsentieren, dass sich die Hinterbliebenen bei der Aufbahrung würdevoll von ihnen verabschieden können. Genau das leisten Helmus und sein ebenfalls entsprechend ausgebildeter Sohn Tristan an diesem Tag bei einem jungen Mann, der sich von einer 100 Meter hohen Brücke in den Tod gestürzt hat. Wenn Helmus, mit schwarzem Kittel, Einweghandschuhen und Mundschutz die vor ihm auf einer Stahlbahre liegenden Verstorbenen versorgt, mutet er wie ein Arzt am Operationstisch an. 

„Man darf solche Situationen nicht zu nah an sich heranlassen, sondern muss sich in diesem Moment ganz auf das Handwerkliche konzentrieren“, antwortet Helmus auf die Frage, wie er mit solchen belastenden Augenblicken seines Arbeitsalltages umgeht. „Wenn man seine Arbeit getan hat, muss man sie hier im Bestattungshaus lassen und die Türe abschließen“, sagt er. Obwohl auch seine Frau Mirjam und die beiden erwachsenen Söhne Tristan und Leander im Familienbetrieb mitarbeiten, der seit gut 20 Jahren keine Möbel mehr, sondern nur noch Bestattungsdienstleistungen anbietet, sind Arbeitsgespräche nach Feierabend Tabu. Doch diese Regel lässt sich nicht immer durchhalten. Denn wenn nicht einer seiner zwölf Mitarbeiter, sondern er selbst Bereitschaftsdienst hat, ist das Handy immer griffbereit. Denn der Tod kennt keinen Acht-Stunden-Tag. Kunden, die die Dienste der Bestatter-Familie Helmus-Fohrmann in Anspruch nehmen müssen, rufen zu jeder Tages- und Nachtzeit oder auch sonntags an, wenn die Familie vielleicht gerade frühstückt oder bei einem Spaziergang unterwegs ist.

„Dann muss man sofort umschalten und nicht nur sein Fachwissen, sondern auch sein Einfühlungsvermögen mit einbringen. Denn die Menschen, die zu uns kommen, sind in der Regel in einer seelischen Ausnahmesituation“, schildert der Bestattermeister, der seinen Beruf „meine Berufung“ nennt, die entscheidende Herausforderung seines Alltags. Gibt es Erfolgserlebnisse im Berufsleben eines Bestatters? „Ja, wenn ich spüre, dass ich Hinterbliebenen ein Stück Halt und Trost geben kann, indem ich ihnen beistehe und dafür sorge, dass sie ihre Trauer besser bewältigen können. So können sie sich von ihrem Angehörigen würdig verabschieden und ihn so in einer guten Erinnerung behalten“, sagt Helmus. Nach einer Mitarbeiterbesprechung, die ein wenig wie ein Familienfrühstück anmutet, weil nicht nur über Dienstliches, sondern auch über Privates gesprochen wird und werden darf, fährt er zum Urnenfriedhof des Familienunternehmens, um mit seinem Mitarbeiter Marc Burian eine Urnenbestattung vorzubereiten. Etwa 75 Prozent seiner Kunden wählen heute diese vergleichsweise preiswerte und pflegefreie Bestattungsform. Das Kolumbarium an der Augustastraße wirkt mit seinen holzvertäfelten oder verglasten Urnenstellplätzen fast wie ein Wohnzimmer. Vor den Grabfächern findet man nicht nur Blumen, sondern auch kleine Engel oder LED-Kerzen. Echte Wachskerzen sind aufgrund der Brandgefahr im überdachten und für Angehörige (per Zahlencode) rund um die Uhr zugänglichen Kolumbarium nicht erlaubt. Besonders lebendig wirken die verglasten Urnengrabstellen, die den Blick auf die Urne mit den sterblichen Überresten und auf ein Foto des Verstorbenen freigeben. Helmus öffnet die sonst verschlossene Wand, um die Urne mit der Asche des Verstorbenen in das für sie vorgesehene Grabfach heben zu können und die Urnengrabstelle danach wieder zu verschließen. Er beendet die kurze Beisetzungsfeier, in dem er einen irischen Toten-Segen vorliest. Anschließend inspiziert er mit einem Handwerker die gerade eingesetzten Glastüren des Erweiterungsbaus und zeigt die Stellen auf, wo noch nachzuarbeiten ist. Danach baut Helmus mit im Gartenhof des Kolumbariums Sitzgarnituren und einen Zelt-Pavillon auf, für den „Tag der offenen Tür“. Und dann geht es zurück an den Schreibtisch.

„Von der Wiege bis zur Bahre. Formulare, Formulare“, meint Helmus mit einem Augenzwinkern, während er mal telefoniert und dann per Hand wieder seine Unterlagen bearbeitet. Jeder Verstorbene, den Helmus und seine Mitarbeiter auf dem letzten Weg begleiten, bekommt eine Akte, die auch nach der Beisetzung (zehn Jahre lang) im Bestattungshaus aufbewahrt werden muss. Nicht nur Aufträge und Rechnungen, sondern auch Anschreiben an Versicherungen und Ämter, standesamtliche Beurkundungen, Willensbekundungen, Meldebescheinigungen, Sterbefallanzeigen und Totenscheine gehören zum Papierberg, den Bestatter täglich zu bewältigen haben, damit auch nach dem Tod alles seine Ordnung hat und Verstorbene auch aus den Registern der Rentenversicherung, der Krankenkasse oder des Einwohnermeldeamtes zeitnah entfernt werden. „Für die Abwicklung einer Bestattung, in die wir 20 bis 30 Arbeitsstunden investieren müssen, haben wir maximal acht Tage Zeit. Das bedeutet, wir stehen immer unter Zeitdruck, müssen aber unseren Kunden zeigen, dass wir für Sie alle Zeit der Welt haben“, beschreibt Helmus seinen beruflichen Spagat zwischen Effizienz und Einfühlungsvermögen. Auch an diesem Tag lässt er seine Papiere liegen, als erst ein Kunde kommt, mit dem er in der Sarg- und Urnen-Ausstellung des Bestattungshauses das passende Erdmöbel für eine Beerdigung aussucht und anschließend zu einer Mutter fährt, deren Sohn an diesem Tag im Krankenhaus gestorben ist. Zeit für Gespräche „Ein solches Gespräch kann 15 Minuten, aber auch drei Stunden dauern“, sagt Helmus. Der Bestatter weiß aber auch, „dass das Leben jeden Tag gelebt werden muss, weil jeder Tag der Letzte sein kann.“ Und deshalb gönnt er sich jenseits seiner anspruchsvollen Arbeit auch erholsame Spaziergänge, Urlaubsreisen, Segeltörns, Ausritte oder Kino- und Restaurant-Besuche. Am liebsten im Kreise seiner Lieben.

Dieser Text erschien am 12. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung



Ein Beruf, der zur Berufung wurde: Unterwegs mit dem Bestattermeister Stefan Helmus-Fohrmann

Stefan Helmus-Fohrmann im Kolumbarium an der
Augustastraße in Styrum
Als junger Schreiner hätte sich Stefan Helmus nicht vorstellen können, eines Tages als Bestatter zu arbeiten. Doch dann traf er vor 30 Jahren im Sommerurlaub Mirjam Fohrmann, deren Eltern ein Möbelhaus mit einem angeschlossenem Bestattungsinstitut betrieben. Bald segelten die beiden in den Hafen der Ehe und wurden auch beruflich ein Paar. Irgendwann fragte ihn der Schwiegervater, ob er ihm bei der Überführung eines Verstorbenen helfen könne. Der heute 49-Jährige half und begann damit eine zweite Berufslaufbahn, die ihn zum Bestattungsmeister und Thanatologen werden ließ. Thanatologen sind Fachleute, die auch schwer verletzte Unfall-Opfer mit Schminke, Wachs und Füllstoffen so präsentieren, dass sich die Hinterbliebenen bei der Aufbahrung würdevoll von ihnen verabschieden können. Genau das leisten Helmus und sein ebenfalls entsprechend ausgebildeter Sohn Tristan an diesem Tag bei einem jungen Mann, der sich von einer 100 Meter hohen Brücke in den Tod gestürzt hat. Wenn Helmus, mit schwarzem Kittel, Einweghandschuhen und Mundschutz die vor ihm auf einer Stahlbahre liegenden Verstorbenen versorgt, mutet er wie ein Arzt am Operationstisch an. 

„Man darf solche Situationen nicht zu nah an sich heranlassen, sondern muss sich in diesem Moment ganz auf das Handwerkliche konzentrieren“, antwortet Helmus auf die Frage, wie er mit solchen belastenden Augenblicken seines Arbeitsalltages umgeht. „Wenn man seine Arbeit getan hat, muss man sie hier im Bestattungshaus lassen und die Türe abschließen“, sagt er. Obwohl auch seine Frau Mirjam und die beiden erwachsenen Söhne Tristan und Leander im Familienbetrieb mitarbeiten, der seit gut 20 Jahren keine Möbel mehr, sondern nur noch Bestattungsdienstleistungen anbietet, sind Arbeitsgespräche nach Feierabend Tabu. Doch diese Regel lässt sich nicht immer durchhalten. Denn wenn nicht einer seiner zwölf Mitarbeiter, sondern er selbst Bereitschaftsdienst hat, ist das Handy immer griffbereit. Denn der Tod kennt keinen Acht-Stunden-Tag. Kunden, die die Dienste der Bestatter-Familie Helmus-Fohrmann in Anspruch nehmen müssen, rufen zu jeder Tages- und Nachtzeit oder auch sonntags an, wenn die Familie vielleicht gerade frühstückt oder bei einem Spaziergang unterwegs ist.

„Dann muss man sofort umschalten und nicht nur sein Fachwissen, sondern auch sein Einfühlungsvermögen mit einbringen. Denn die Menschen, die zu uns kommen, sind in der Regel in einer seelischen Ausnahmesituation“, schildert der Bestattermeister, der seinen Beruf „meine Berufung“ nennt, die entscheidende Herausforderung seines Alltags. Gibt es Erfolgserlebnisse im Berufsleben eines Bestatters? „Ja, wenn ich spüre, dass ich Hinterbliebenen ein Stück Halt und Trost geben kann, indem ich ihnen beistehe und dafür sorge, dass sie ihre Trauer besser bewältigen können. So können sie sich von ihrem Angehörigen würdig verabschieden und ihn so in einer guten Erinnerung behalten“, sagt Helmus. Nach einer Mitarbeiterbesprechung, die ein wenig wie ein Familienfrühstück anmutet, weil nicht nur über Dienstliches, sondern auch über Privates gesprochen wird und werden darf, fährt er zum Urnenfriedhof des Familienunternehmens, um mit seinem Mitarbeiter Marc Burian eine Urnenbestattung vorzubereiten. Etwa 75 Prozent seiner Kunden wählen heute diese vergleichsweise preiswerte und pflegefreie Bestattungsform. Das Kolumbarium an der Augustastraße wirkt mit seinen holzvertäfelten oder verglasten Urnenstellplätzen fast wie ein Wohnzimmer. Vor den Grabfächern findet man nicht nur Blumen, sondern auch kleine Engel oder LED-Kerzen. Echte Wachskerzen sind aufgrund der Brandgefahr im überdachten und für Angehörige (per Zahlencode) rund um die Uhr zugänglichen Kolumbarium nicht erlaubt. Besonders lebendig wirken die verglasten Urnengrabstellen, die den Blick auf die Urne mit den sterblichen Überresten und auf ein Foto des Verstorbenen freigeben. Helmus öffnet die sonst verschlossene Wand, um die Urne mit der Asche des Verstorbenen in das für sie vorgesehene Grabfach heben zu können und die Urnengrabstelle danach wieder zu verschließen. Er beendet die kurze Beisetzungsfeier, in dem er einen irischen Toten-Segen vorliest. Anschließend inspiziert er mit einem Handwerker die gerade eingesetzten Glastüren des Erweiterungsbaus und zeigt die Stellen auf, wo noch nachzuarbeiten ist. Danach baut Helmus mit im Gartenhof des Kolumbariums Sitzgarnituren und einen Zelt-Pavillon auf, für den „Tag der offenen Tür“. Und dann geht es zurück an den Schreibtisch.

„Von der Wiege bis zur Bahre. Formulare, Formulare“, meint Helmus mit einem Augenzwinkern, während er mal telefoniert und dann per Hand wieder seine Unterlagen bearbeitet. Jeder Verstorbene, den Helmus und seine Mitarbeiter auf dem letzten Weg begleiten, bekommt eine Akte, die auch nach der Beisetzung (zehn Jahre lang) im Bestattungshaus aufbewahrt werden muss. Nicht nur Aufträge und Rechnungen, sondern auch Anschreiben an Versicherungen und Ämter, standesamtliche Beurkundungen, Willensbekundungen, Meldebescheinigungen, Sterbefallanzeigen und Totenscheine gehören zum Papierberg, den Bestatter täglich zu bewältigen haben, damit auch nach dem Tod alles seine Ordnung hat und Verstorbene auch aus den Registern der Rentenversicherung, der Krankenkasse oder des Einwohnermeldeamtes zeitnah entfernt werden. „Für die Abwicklung einer Bestattung, in die wir 20 bis 30 Arbeitsstunden investieren müssen, haben wir maximal acht Tage Zeit. Das bedeutet, wir stehen immer unter Zeitdruck, müssen aber unseren Kunden zeigen, dass wir für Sie alle Zeit der Welt haben“, beschreibt Helmus seinen beruflichen Spagat zwischen Effizienz und Einfühlungsvermögen. Auch an diesem Tag lässt er seine Papiere liegen, als erst ein Kunde kommt, mit dem er in der Sarg- und Urnen-Ausstellung des Bestattungshauses das passende Erdmöbel für eine Beerdigung aussucht und anschließend zu einer Mutter fährt, deren Sohn an diesem Tag im Krankenhaus gestorben ist. Zeit für Gespräche „Ein solches Gespräch kann 15 Minuten, aber auch drei Stunden dauern“, sagt Helmus. Der Bestatter weiß aber auch, „dass das Leben jeden Tag gelebt werden muss, weil jeder Tag der Letzte sein kann.“ Und deshalb gönnt er sich jenseits seiner anspruchsvollen Arbeit auch erholsame Spaziergänge, Urlaubsreisen, Segeltörns, Ausritte oder Kino- und Restaurant-Besuche. Am liebsten im Kreise seiner Lieben.

Dieser Text erschien am 12. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung



Montag, 14. November 2016

Ausstellung beleuchtet Widerstand: Menschen, die gegen Hitler kämpften, werden jetzt bis zum 23. Dezember im Haus der Stadtgeschichte vorgestellt: Der Weg dort hin lohnt sich

Was hätten wir getan? Und was tun wir heute, um uns für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung einzusetzen? Diese Fragen stellt Oberbürgermeister Ulrich Scholten mit Blick auf die 25 Portraits der Menschen, die etwas getan haben gegen das menschenverachtende Regime Hitlers. „Die damaligen Ereignisse zeigen uns auch heute noch, wie schnell aus populistischen Schreihälsen Mörder werden können“, sagt der Leiter des Stadtarchivs, Kai Rawe am 9. November, an dem die Ausstellungseröffnung im Haus der Stadtgeschichte an der Von-Graefe-Straße 37 an den 9. November 1938 erinnern will, als auch in Mülheim die Synagoge brannte.

Obwohl die bis zum 23. Dezember zu sehende Ausstellung der Stiftung 20. Juli 1944 und der Gedenkstätte deutscher Widerstand keine Mülheimer Widerstandskämpfer, wie den Offizier Günther Smend, die Stadtverordneten Wilhelm Müller, Otto Gaudig und Fritz Terres oder den katholischen Priester Otto Müller vorstellt, lohnt sich der Weg in die Ausstellung. Sie arbeitet mit kurzen, prägnanten Texten und großen, einprägsamen Fotos und ist so auch für Schüler bestens geeignet. Einfacher geht Geschichtsunterricht nicht, zumal die Ausstellung von einer informativen Internetseite (www.was-konnten-sie-tun.de) flankiert wird.

„Ich mag gar nicht mehr daran denken, aber es gibt ja nichts anderes mehr, als Politik und so lange sie so verworren und böse ist, ist es feige, sich von ihr abzuwenden“, schreibt die 19-jährige Abiturientin und spätere Studentin Sophie Scholl im Kriegsjahr 1940. Drei Jahre später werden sie und ihr Bruder Hans vom damaligen Hausmeister der Uni München der Geheimen Staatspolizei ausgeliefert und später vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet, weil sie in ihrer Hochschule im Zeichen der Weißen Rose Flugblätter verteilten, die die Verbrechen des Nazi-Regimes beim Namen nennen.

Besonders bemerkenswert ist die Ausstellung „Was konnten sie tun?“ aber auch deshalb, weil sie unbekanntere Menschen, als die Geschwister Scholl, die ebenfalls Hitler widerstanden, dem Vergessen entreißt.

Es waren Menschen, wie du und ich, die die Lebensgefahr ihres Tuns erkannten und trotzdem ihrem Gewissen in den Widerstand folgten. Menschen, wie etwa die Berliner Eheleute Elise und Otto Hampel, die 1943 verhaftet, verurteilt und ermordet wurden, weil sie Postkarten mit regimekritischen Botschaften in die Briefkästen ihrer Nachbarn warfen oder wie die 1900 in Lübbecke geborene und 1944 in Berlin ermordete Emmy Zehden in ihrer Wohnung Kriegsdienstverweigerer versteckte oder wie der 21-jährige Bäckergeselle Hanno Günther aus Berlin, der auf handschriftlichen Flugblättern Frieden, Freiheit und Demokratie forderte und dafür 1942 von den Nazis hingerichtet wurde.

Und warum das Attentat auf Hitler ausgeführt werden musste, hat der daran beteiligte Offizier Henning von Treskow 1944 so erklärt: „Das Attentat muss erfolgen, um jeden Preis. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist gleichgültig.“


Günther Smend: Ein Mülheimer Offizier an Claus von Stauffenbergs Seite
Der 1912 geborene und in Mülheim aufgewachsene Günther Smend gehörte als Oberstleutnant zum militärischen Widerstand gegen Hitler. 1943 versuchte er seinen Vorgesetzten, Generaloberst Zeitzler, vergeblich zu überzeugen, sich am Umsturz Hitlers zu beteiligen.

Dieser Versuch wurde dem verheirateten Vater von drei Kindern zum Verhängnis.

Nach dem am 20. Juli 1944 gescheiteren Attentat auf Hitler wurde er in Berlin verhaftet, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet. 

Dieser Text erschien am 11. November in NRZ/WAZ

Sonntag, 13. November 2016

Drei Fragen an Axel Smend: Widerstand ist auch heute gefragt

Dr. Axel Smend arbeitet
als Rechtsanwalt in Berlin
Foto: Luther Lawfirm
Am 9. November 2016 wurde im Haus der Stadtgeschichte  an der Von-Graefe-Straße 37) eine Ausstellung zum Widerstand gegen Hitler eröffnet. Was fällt Axel Smend, Sohn des 1944 von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfers Günther Smend dazu ein?

Frage: Was lehrt uns das Beispiel Ihres Vaters?

Antwort: Für heute und für unsere Demokratie bedeutet das: eine eigene Meinung artikulieren, Farbe bekennen, Rückgrat zeigen; streitige Fragen aufnehmen, letztlich e i g e n e Verantwortung übernehmen.

Frage: Wie und wo müssen wir heute widerstehen?

Antwort: Wir müssen sehr wachsam sein, gerade heute, wo in Deutschland an extremistischen Verführungen und Verführern – gleich ob links- oder rechtsextremistisch – kein Mangel herrscht, und rechtsextremistische Kreise versuchen, den Widerstand gegen die Nazi-Diktatur für sich zu vereinnahmen.

Frage: Wie ist es heute um die Zivilcourage bestellt?

Antwort: Gerade Jugendliche sind heute bereit, sich für andere und für Minderheiten einzusetzen und sich gegen den Strom zu stellen. T.E.


Dieser Text erschien am 9. November 2016 in NRZ/WAZ

Freitag, 11. November 2016

Ein Haus im Wandel der Zeit: Ein Zeitsprung an der Friedrich-Ebert-Straße

Man sieht dem Haus an der Friedrich-Ebert-Straße 48 an, dass es in die Jahre gekommen ist. Hier hat das vom gemeinnützigen Künstlerverein Makroskope betriebene Zentrum für Kunst und Technik (www.makroskope.eu) seinen Sitz, in dem man Ausstellungen, Workshops, das Museum für Fotokopie und „Konzerte für abseitige Musik“ besuchen kann. In den vergangenen Jahren war dort auch die jetzt zum Löhberg umgezogene Geschäftsstelle der Mülheimer Klimaschutz-Initiative ansässig. Die historische Fotografie zeigt das Haus in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Schäden des Luftangriffs vom 22. und 23. Juni 1943 noch deutlich erkennbar waren.

Damals zog dort das bereits 1831 am Kirchenhügel eröffnete und später zum Lohberg umgezogene Schreibwarengeschäft Wilhelm Prüßmann ein. Das traditionsreiche Fachgeschäft wechselte 2007 dann in sein heutiges Ladenlokal an der Wallstraße 5.

Ganz alte Mülheimer werden sich noch daran erinnern, dass das vormals als Hotel genutzte Haus  an der Friedrich-Ebert-Straße 48 zwischen 1933 und 1945 als Horst-Wessel-Haus die Zentrale der von Karl Camphausen angeführten Mülheimer NSDAP beherbergte.

Horst Wessel war ein 1930 von Kommunisten erschossener SA-Mann. Das von ihm verfasste „Horst.Wessel-Lied“ wurde zur Parteihymne der NSDAP, die Wessel nach seinem gewaltsamen Tod zum Märtyrrer der NS-Bewegung machte. Der 1907 in Bielefeld geborene Wessel lebte von 1908 bis 1913 in Mülheim, als sein Vater evangelischer Altstadt-Pfarrer an der Petrikirche war.

Dieser Text erschien am 8. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 10. November 2016

So gesehen: Nicht jeder Mann ist zum Anbeißen


Denken Sie sich, ich habe, nein, nicht das Christkind, sondern den Weihnachtsmann gesehen. Oder war es doch der Nikolaus. In Zeiten der allgemeinen Kulturverwirrung kann einem ja schon mal leicht die Orientierung verloren gehen. Fest steht nur, dass die Nikoläuse, die ich gesehen haben. schon lange vor Sankt Martin, gut verpackt, im Supermarkt stehen. Da sich ihre Reihen dort bereits gelichtet haben, darf man davon ausgehen, dass sie bereits einen Monat vor dem eigentlichen Nikolaustag bereits vernascht worden sind.

Dass die Weihnachtsmänner aus Schokolade derzeit schon so hoch im Kurs stehen, obwohl ihre Zeit doch eigentlich noch nicht gekommen ist, wundert mich gar nicht.

Denn Schokolade macht bekanntlich glücklich und stärkt die Nerven. Das kann beim Lesen, Sehen und Hören der Nachrichten nur gut tun. Denn dort wimmelt es momentan ja nur von Weihnachtsmännern, die sich als egomane Möchtegern-Staatsmänner aufspielen.
Schade, dass man diese Weihnachtsmänner, die so gar nicht zum Anbeißen sind, nicht einfach aus dem Verkehr ziehen kann, in dem man sie, wie ihre Kollegen aus dem Supermarkt vernascht oder schmelzen lässt.

Dieser Text erschien am 8. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 9. November 2016

So gesehen: Viel Lärm um nichts

Was macht man, wenn es plötzlich bei einem piept? Manche mögen an den Besuch eines Psychiaters denken. Ich versuchte es erst mal mit der Konsultation eines Technikers. Der bescheinigte mir, dass es tatsächlich bei mir piept. Die Quelle des leisen, aber doch stetigen und unüberhörbaren Tons machten wir schnell in der verbrauchten Batterie eines in der Diele montierten Rauchmelders aus. Doch wir wunderten uns nicht schlecht, als es auch dann noch piepte, nachdem der Techniker den Rauchmelder mit der neuen Batterie wieder montiert hatte. Den anhaltenden Ton im Ohr durchkämmten wir die Wohnung so lange, bis wir schon nahe daran waren, uns für eine Gruppentherapie beim Psychiater anzumelden.

Doch als ich dann ganz nebenbei von meinem Ersatz-Rauchmelder berichtete, den ich für Notfälle im Dielenschrank gebunkert hatte, beschlich uns eine Ahnung, die schnell zur Gewissheit wurde. Es war eben die verbrauchte Batterie des Ersatz-Rauchmelders, die mich an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. So schnell kann man sich eine Stunde beim Psychiater ersparen, auch wenn ich zu geben muss, dass ich mich nach dieser geräuschvollen Aktion erst mal auf die Couch legen musste.


Dieser Text erschien am 7. November 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 8. November 2016

Ein Stück heiterer Ernst: Die Ensemblemitglieder der Kleinen Bühne des Backsteintheaters zeigtenmit ihrer 17. Premiere: Man darf über die Olympier der deutschen Dichtung lachen


Monika Gruber und Justus Cohen auf der Kleinen Bühne
des Backsteintheaters (Foto Walter Schernstein)
Schiller, Goethe, Lessing. Diese Poeten aus dem Dichter-Olymp kennt jeder aus dem Deutsch-Unterricht und hat entsprechend gute oder auch schlechte Erinnerungen an sie.

Gut Lachen hatten die rund 80 Literaturfreunde, die am Samstagabend den Weg ins Backstein-Theaterstudio an der Schulstraße fanden. Dort verstanden es die Ensemblemitglieder der Kleinen Bühne des Backstein-Theaters mit der Premiere ihres 17. Programms nicht nur den berühmten Dichtern, sondern auch ihren Zuhörern ein Lächeln und manchmal auch etwas mehr zu entlocken, frei nach Goethe und gesprochen von Justus Cohen: „Ihr wisst auf unseren deutschen Bühnen probiert ein jeder, was er mag.“

Diese Olympier, die Programm-Autor Günter Johann, ein pensionierter Deutschlehrer, aus seinem Bücherschrank auf die Bühne gebracht hatte, musste man mögen. Denn alle Ensemble-Mitglieder brachten Goethe, Lessing und Schiller mit so viel Esprit und Empathie auf die Bühne, dass die Klassiker lebendig und gegenwärtig wurden. Die auflockernde musikalische Begleitung durch Wolfgang Bruns mit Mozart und Beethoven tat das Übrige dazu.

Zwei weitere Vorstellungen
Lächeln und lachen durfte man vor allem dort, wo uns Goethe, Schiller und Lessing den Spiegel vorhielten und mit ihren Versen deutlich machten: Lust und Laster eines Menschenlebens verändern ihre Formen, sind aber im Kern zeitlos aktuell.

Das Lachen kam wie von selbst aus dem Publikum, wenn Gustav an Huef als verblichener Ehemann den Petrus (Günter Johann) mit den Versen Lessings an der Himmelsforte wissen ließ: „Was? Meine Frau im Himmel? Wie? Klorinden habt Ihr eingenommen? Lebt wohl! Habt Dank für eure Müh! Ich will schon sonst wo unterkommen.“

Auch die von Günter Johann vorgetragene Aufforderung Lessings: „Trinkt Brüder, lasst uns trinken, bis wir berauscht zu Boden sinken. Doch bittet Gott, den Herrn, das Könige nicht trinken. Denn da sie unberauscht die halbe Welt zerstören, was würden sie nicht tun, wenn sie betrunken wären?“ ließ an Aktualität nichts zu wünschen übrig und deshalb das Lachen fast im Halse stecken. Und Goethes Mephisto (Günter Johann) hat auch heute noch Recht, wenn er seine Schülerin (Monika Gruber) wissen lässt: „Grau ist, teure Freundin, alle Theorie und grün des Lebens goldener Baum.“

Wiedersehen und Wiederhören machen Freude, zum Beispiel am 11. November um 19 Uhr in der Evangelischen Ladenkirche an der Kaiserstraße 4 oder am 19. November um 19 Uhr im Heißener Kulturzentrum Fünte an der Gracht 209. Der Eintritt ist wie immer frei. Die Eintrittskarten müssen aber aus Platzgründen am jeweiligen Veranstaltungsort bestellt werden,


Dieser Text erschien am 7. November in NRZ/WAZ

Montag, 7. November 2016

Investoren nehmen 68 Millionen Euro für das neue Stadtquartier Schloßstraße in die Hand

In der Computeranimation ist es schon fertig, das neue Stadtquartier Schloßstraße. An die Stelle des seit sechs Jahren leer stehenden Kaufhofgebäudes sind zwei Gebäudekomplexe mit einer kombinierten Putz- und Natursteinfassade getreten, die durch eine acht Meter breite Passage getrennt und zugleich durch sie mit dem neuen Ruhrquartier verbunden sind.

Oberbürgermeister Ulrich Scholten spricht angesichts der ersten Bagger- und Baugeräusche im und am alten Kaufhof-Komplex von „Zukunftsmusik“, bevor die Architekten Gerd Rainer Scholze und Michael Martin vom Projektplaner AIP und der Vorstandsvorsitzende der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft (MWB), Frank Esser das 68-Millionen-Euro-Projekt, unweit der Baustelle im OB-Büro, vorstellen.

Scholze nennt den Zeitfahrplan. Im Oktober rechnet er mit der Baugenehmigung und bis Ende des Jahres mit dem Abschluss der Abrissarbeiten. Im Januar 2017 so der Bau des neuen Stadtquartiers zwischen Schloßstraße und Ruhrpromenade begonnen und im ersten Quartal 2019 abgeschlossen werden. Schon jetzt sind, laut Scholze und Esser, mehr als 80 Prozent der 35.000 im Stadtquartier Schloßstraße zu vermietenden Qudratmeter in festen Händen. Auf sechs Ebenen entsteht eine Brutto-Geschossfläche von 49.000 Quadratmetern. 

Allein 3000 Quadratmeter entfallen auf ein Alten- und Pflegeheim mit 80 Pflegezimmern, das von Allo-Gruppe bestrieben werden soll, zu der auch die Seniorenresidenz an der Dimbeck gehört. Die Bewohner des neuen Altenheimes werden durch eigens ausgestellte Fenster nicht nur eine gute Aussicht auf den Stadthafen und die neue Passage, sondern auch die Ruhe in einem begrünten Innenhof genießen können. 

Ein Markt des Discounters Netto, ein Biomarkt und ein FitX-Fitnesscenter gehören ebenso zu den verbindlichen Großmietern, wie ein Holliday-Inn-Hotel mit 140 Gästezimmern. Die MWB will in ihrem 6300 Quadratmeter umfassenden Gebäudekomplex zwischen Friedrich-Ebert-Straße, Schollenstraße und Ruhrstraße unter anderem 24 Mietwohnungen errichten.


 Darüber hinaus will sie auch will sie dort auch Büros und Arztpraxen vermieten. Hinzu kommen 270 PKW-Stellplätze im Untergeschoss. Mit Blick auf die Gastronomie im künftigen Stadtquartier Schloßstraße nennen Scholze und Martin eine Cocktail,- eine Sushi- und eine Sportbar. Eine besonders hohe Aufenthaltsqualität dürfte die Dachterrasse mit Blick auf den Stadthafen des Ruhrquartiers haben. Geht es nach dem Willen der Projektplaner und Investoren, zu denen neben der AIP und der MWB auch die Fortress Immobilien AG und die Investmentfirma Competo gehören, soll der Abschnitt zwischen Ruhrstraße, Schollenstraße und dem neuen Stadtquartier Schloßstraße nach dem Abschluss der Bauarbeiten ein verkehrsberuhigter Platz werden, der einen fließenden Übergang zum Ruhrquartier und Stadthafen schafft. Während der Bauphase sollen beide Straßen zu Sackgassen werden.

Die interessierte Öffentlichkeit wird am 29. September um 19 Uhr in der 3. Etage des Medienhauses am Synagogenplatz umfassend über den Bau des Stadtquartiers Schloßstraße informiert. Außerdem wollen die Auszubildenden der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft den Bauprozess des neuen Stadtquartiers auf Facebook und Twitter dokumentieren. 

Dieser Text erschien am 31. August 2016 in der Mülheimer Woche

Sonntag, 6. November 2016

Warum Menschen immer wieder fliehen müssen: Eine aktuelle Ausstellung im Forum zeigt es

Ein Blick in die Ausstellung
Wenn am 13. November der Volkstrauertag begangen wird, ist das kein Gedenken für
Gestern. Das macht eine bemerkenswerte, weil anschaulich und kompakt
informierende Ausstellung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge deutlich,
die noch bis zum 13. November im ersten Obergeschoss des Forums zu sehen ist.
Mit Bildern, Texten und Grafiken wird nicht nur die Geschichte der jüdischen Flucht aus
Nazi-Deutschland oder die Vertreibung der Deutschen aus den ehemals deutschen
Gebieten jenseits von Oder und Neiße, nach dem Zweiten Weltkrieg, erzählt. Auch die
heutigen Flüchtlingsströme, die zum Teil nach Deutschland führen, weil Menschen in
ihrer Heimat an Leib und Leben bedroht werden, werden vor Augen geführt.

„Nach Angaben der Vereinten Nationen sind derzeit weltweit 65 Millionen Menschen
auf der Flucht. Knapp eine Million von ihnen kam 2015 nach Deutschland“, beschreibt
der Mülheimer Vorsitzende des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, Markus
Püll, die Dimension des globalen Problems und fügt hinzu: „Frieden und Demokratie
müssen täglich neu erarbeitet werden.“
Internationale Jugendbegegnung

Die 2,75 Millionen Kriegsgräber, die der Volksbund, auch mit Hilfe von Jugendlichen, in
45 Staaten pflegt, sind aus seiner Sicht die besten Mahner für Frieden und Versöhnung.
Püll wirbt deshalb nicht nur um Spenden für die ehrenamtliche Friedens- und
Erinnerungsarbeit des Volksbundes, sondern auch um interessierte Jugendliche und
Schulklassen, die zum Beispiel für einen Tag oder auch für eine Woche an einer
internationalen Jugendbegegnung in Deutschland, Belgien oder den Niederlanden
teilnehmen möchten. Dabei geht es nicht nur um die gemeinsame Pflege von
Kriegsgräbern und die Auseinandersetzung mit den Schicksalen der zumeist jungen
Menschen, die als Soldaten ihr Leben verloren haben, sondern auch um das sich
Begegnen und sich Verstehen im heutigen Europa.

Dieser Text erschien am 5. November 2016 in NRZ/WAZ


Samstag, 5. November 2016

Das Bestattungshaus Helmus-Fohrmann lädt zum Tag des Gedenkens und zum Tag der offenen Türe ein


Stefan Helmus und Seine Frau Mirjam Fohrmann im Hof
ihres Kolumbariums an der Augustastraße

"Nur zwei Dinge sind sicher, die Steuern und der Tod", wusste schon der 1790 gestorbene amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin. Zu seiner Zeit ließen sich fast alle Menschen beerdigen. Nur ganz wenige Freimaurer und Freigeister wählten die Feuerbestattung, um damit ihre von Kirche und Religion unabhängige Geisteshaltung zu unterstreichen.

"Ließen sich früher vielleicht 20 Prozent der Menschen feuerbestatten, so sind es heute etwa 80 Prozent", beschreibt Bestatterin Mirjam Helmus-Fohrmann den Wandel der letzten 20 Jahre. Warum der Trend inzwischen so massiv zur Feuerbestattung geht, liegt für Mirjam Helmus-Formann und ihren Mann Stefan auf der Hand. "Viele Menschen suchen heute nach einer preiswerten und pflegefreien Bestattungsform, weil sie ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen."

Verstorbene wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen

Wer mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt geht, weiß, dass es nicht nur hier viele alte und einsame Menschen gibt, deren Kinder und Enkel nicht mehr vor Ort leben. Als der Großvater von Mirjam Helmus-Fohrmann, August Fohrmann, das in Styrum an der Feldstraße 127 ansässige Familienunternehmen gründete, zimmerte er als Schreiner selbstverständlich auch Särge und fuhr die zunächst daheim aufgebahrten Verstorbenen mit einer Kutsche zum Friedhof. Lang ist es her.

Vor drei Jahren ließen seine Nachfahren an der Augustastraße 144 einen Urnenfriedhof, ein vom Mülheimer Architekten Wolfgang Kamieth entworfenes Kolumbarium, errichten und trugen damit dem Wandel der Bestattungskultur Rechnung.

Gefragte Bestattungsform

Dass der Urnenfriedhof, der den Namen des Firmengründers trägt, gut angenommen wird, beweist die Tatsache, dass das Kolumbarium mit seinen 450 Bestattungsplätzen inzwischen um einen Raum für weitere 150 Bestattungsplätze erweitert worden ist. Wer das Kolumbarium betritt, wird angenehm überrascht. Die Atmosphäre ist nicht kalt und abstoßend, sondern geradezu wohnlich. Man fühlt sich, wie in einem Wohnzimmer, in dem man gerne auch Platz nehmen und verweilen kann. Die Urnen mit den sterblichen Überresten der Verstorbenen stehen, wie in Regal- und Schrankfächern, zum Teil mit Holz, Marmor oder Milchglas, zum Teil aber auch mit durchsichtigem Glas verkleidet. Kleine Portraitfotos, Blumenschmuck, aber auch kleine Andenken vom Wappen eines Fußball-Clubs bis zur Mini-Windjammer oder einem Notenschlüßsel erinnern an die Dahingegangenen und ihre kleinen und großen Leidenschaften. Jedes Grab hat hier seine persönliche Note. Und wer außerhalb des Urnenraumes noch ein wenig meditieren und seinen Gedanken nachhängen möchte, braucht nur seitlich in einen kleinen Innenhof treten, der mit seinen kleinen Sitzbänken und einem kleinen Teich beschaulich, einladend und beruhigend wirkt.

Wer seinen lieben Verstorbenen gedenken möchte, den laden die Familie Helmus-Fohrmann und ihre Mitarbeiter am 5. November um 15 Uhr zu einer Trost gebenden und mit Wort und Musik gestalteten Gedenkveranstaltung in ihr Bestattungshaus an der Feldstraße 127 ein. Und wer sich über die Urnenbestattung im Kolumbarium informieren möchte, sollte am 6. November zwischen 14 und 18 Uhr am Urnenfriedhof August Fohrmann (Augustastraße 144) vorbeischauen. Weitere Informationen findet man auch im Internet unter: www.fohrmann-aktuell.de


Dieser Text erschien am 2. November 2016 in der Mülheimer Woche

Donnerstag, 3. November 2016

So gesehen: Werden wir doch mal politisch

Wundern Sie sich manchmal darüber, dass sich Politiker oft gar nicht oder nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können, obwohl allen das gemeinsame Ziel und die Notwendigkeit des gemeinsamen Handelns klar sein müsste?

Dann versuchen Sie doch mal einen Familien-Geburtstag zu organisieren und alle Familienmitglieder an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit und an einem bestimmten Ort zusammenzubringen.

Dann werden Sie sich erst wundern und dann gar nicht mehr wundern.  „Ich könnte an jedem anderen Tag, aber nicht an diesem. Da habe ich einen ganz wichtigen Termin, den ich auf keinen Fall verschieben kann. Sonst gerne.“ Und wo wollen wir essen? „Also in dieses Lokal kriegen mich keine zehn Pferde hinein! Ich gehe überall hin, aber nicht dort hin.“ Was wollen wir essen: „Das auf keinen  Fall. Ich bin vegetarisch oder allergisch oder beides!“ Und wen wollen wir einladen? „Wenn Der kommt, komme ich auf keinen Fall. Ich bin ja eine Seele von Mensch. Aber das tue ich mir nicht an.“

Spätestens dann wollen Sie die Uno anrufen. Doch die hat gerade mit ihrem eigenen Krisenmanagement genug zu tun und deshalb keine Zeit für Sie. Jetzt begreifen Sie, warum auch die Politik manchmal, wie ein Kindergeburtstag anmutet („Das ist mein Spielzeug und das lasse ich mir nicht wegnehmen!“) Spätestens, wenn Sie dann doch noch rechtzeitig vor dem nächsten Geburtstag den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden haben und im Kreise Ihrer Lieben feiern, fühlen Sie sich reif für den Friedensnobelpreis und sind froh darüber, dass Sie keine Renten,- Steuer- oder Gesundheitsreform unter Dach und Fach bringen müssen.

Dieser Text erschien am 31. Oktober 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 2. November 2016

Rückblick: Einigkeit im Angesicht der Not - Amt 4. November 1946 konstituierte sich der erste frei gewählte Mülheimer Stadtrat der Nachkriegszeit



Derzeit muss man sich im Rathaus den Kopf darüber zerbrechen, wie man angesichts einer äußerst angespannten Haushaltslage einen aus Düsseldorf gesteuerten Nothaushalt und ein damit verbundenes Streichkonzert bei den freiwilligen Leistungen der Stadt verhindern kann.

Kämmerer und Stadtverordnete sind um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Doch ihre 39 Vorgänger, die am 4. November 1946 den ersten frei gewählten Stadtrat der Nachkriegszeit konstituierten, mussten ungleich schwerere Aufgaben bewältigen. Damals standen der Wiederaufbau der zerstörten Stadt und die Überwindung von Hunger und Kälte auf der Tagesordnung. „Bisher 58 000 Kubikmeter Schutt besteitigt", liest man am 6. November 1946 in der Mülheimer NRZ. Und am 9. November: „Soforthilfe soll Ermährungskrise überwinden – Mehltransporte für die britische Zone verlassen die USA."

Im Angesicht dieser erdrückenden Nachkriegsnot treten die Stadtverordneten am Nachmittag des 4. November in der Aula des heutigen Otto-Pankok-Gymnasiums an der Von-Bock-Straße zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Den Tagungsort wählt man nicht nur, weil der eigentliche Ratssaal noch in Trümmern liegt, sondern weil möglichst viele Bürger die Sitzung miterleben sollen.

Auch Mitarbeiter der Stadtverwaltung sowie Vetreter der britischen Militärregierung und des in Mülheim humanitär engagierten Schwedischen Roten Kreuzes sind dabei. Oberstleutnant Kennedy, der Chef der Mülheimer Militärregierung, die die Stadtverordneten bis zur ersten Kommunalwahl am 13. Oktober 1946 ernannt hatte, betont in einer kurzen Ansprache, dass die Mitglieder des Stadtparlamentes jetzt bereits die Hälfte aller kommunalen Angelegenheiten eigenständig regeln könnten.

Leichter gesagt als getan. Oberbürgermeister Wilhelm Diederichs sagt in seiner Ansprache: „Wir stehen vor einem sehr schweren Winter mit weittragenden Folgen für unsere Stadt. Tausende Frauen, Kinder und Männer besitzen noch nicht einmal das Notdürftigste für ein menschenwürdiges Dasein. Wir könnten mutlos werden angesichts dieser Not und der Verantwortung, die auf uns lastet, wenn wir nicht aus innerster Verpflichtung heraus handeln würden."

Ebenso wie Christdemokrat Diederichs beschwört SPD-Fraktionschef Heinrich Thöne angesichts der Not, alles Trennende zurückzustellen und gemeinsam an die Arbeit zu gehen. Was zu tun ist, formuliert Thöne damals unter anderem so: „Ernährung, Kleidung, Heizung, Wohnung und viele andere Probleme müssen angefasst werden. Seit 18 Monaten gilt der Krieg als beendet. Aber die Not wächst von Tag zu Tag. Es wird höchste Zeit, dass andere Formen der Wiederaufrichtung der deutschen Wirtschaft und des deutschen Volkes gefunden werden."

Tatsächlich beweisen die Stadtverordneten im Angesicht der Not bei der ersten Sitzung Einigkeit. Sowohl Oberbürgermeister Diederichs (CDU) als auch Bürgermeister Hermann Gröschner (SPD) werden fast einstimmig in ihr Amt gewählt. Nur der Stadtverordnete der KPD stimmt mit Nein. 

Dieser Text erschien am 4. November 2008 in der Neuen Ruhr Zeitung





Ein Zeitsprung vom Viktoriaplatz zum Synagogenplatz

Die "neue" Sparkasse am Viktoriaplatz 1960: Ein Foto
aus dem Mülheimer Stadtarchiv

Mit einem Foto aus dem Stadtarchiv springen wir zurück ins Jahr 1960. Damals hieß der Synagogenplatz noch Viktoriaplatz. Und wo heute das 2009 eröffnete Medienhaus mit der Stadtbibliothek, der Touristen-Information und einer Beratungsstelle des Stromversorgers RWE steht, stand der nach drei Jahren gerade fertig gestellte Neu- und Umbau der Stadtsparkasse.Die an gleicher Stelle 1909 eröffnete Stadtsparkasse war, wie viele andere Gebäude der Innenstadt beim großen Luftangriff vom 22. und 23. Juni 1943 stark beschädigt und anschließend (bis 1950) provisorisch instandgesetzt worden. Etwa dort, wo heute die Touristen-Information zu finden ist, stand bis zur Reichspogromnacht am 9. November 1938 die damals bereits von der Stadtsparkasse erworbene Synagoge der Jüdischen Gemeinde. Nach dem Krieg fand im dort errichteten Anbau der Stadtsparkasse die Stadtbildstelle ihr Quartier, die heute als Medienzentrum wieder im neuen Medienhaus sitzt.

Bis zur Mitte der 50 Jahre wickelte die 1842 gegründete Stadtsparkasse ihre gesamten Bankgeschäfte in ihrer Hauptstelle ab. Erst ab Mitte der 50er Jahre eröffnete das kommunale Kreditinstitut in den Mülheimer Stadtteilen Zweigstellen, um als „Bürgerbank“möglichst nahe bei den Bürgern zu sein. Die Filialen in Speldorf, Styrum, Heißen und Saarn machten den Anfang. Bis zum Ende der 70er Jahre wuchs das Filialnetz auf 21 Standorte an. Im Zeitalter von Online-Banking, Geldautomaten, Kontoauszugsdruckern und Selbstbedienungsterminals hat sich die Zahl der Sparkassenfilialen inzwischen auf 13 reduziert.
Das Medienhaus am Synagogenplatz 2016


Dieser Text erschien am 31. Oktober 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung


Dienstag, 1. November 2016

Vom Tod das gute Leben lernen; Chefarzt Christian Soimaru inspiriert und tröstet mit seiner Kanzelrede

Dr. Christian Soimaru bei seiner Kanzelrede in der Petrikirche
Es tut der Kirche gut, wenn sie nicht nur Geistliche predigen lässt. Die Kanzelrede, die der Mediziner Christian Soimaru gestern in der Petrikirche hielt, lieferte den Beweis dafür.

Der für rekonstruktive und plastische Chirurgie zuständige Chefarzt des Evangelischen Krankenhauses gab seinen Zuhörern Impulse zum wichtigsten Thema, das es gibt. Er beschäftigte sich am Vorabend des Allerheiligen- und Allerseelen-Tages mit der Frage von Tod und Leben.

Soimaru, der als Arzt täglich mit dem Tod, aber auch mit dem prallen Leben zu tun hat, berichtete von seinem eigenen Lernprozess im Angesicht der menschlichen Sterblichkeit. Er erzählte vom Sterben seines Vaters und dem Gefühl, in der Endphase seines Lebens die Zeit nicht wirklich gut genutzt zu haben, weil er im Rückblick zu viel Zeit mit der geschäftigen Therapierecherche verschwendet habe. „Wenn wir auf das Ende unseres Lebens schauen, haben wir mehr Einfluss auf dessen Gestaltung, den Ort, an dem wir sein wollen und auf die Menschen, mit denen wir diese wertvolle Zeit verbringen wollen, als wir es uns selbst zutrauen“, mahnte Soimaru.

Aus einer eigenen Lebenserfahrung mit Sterbenden und Toten, so der Arzt, habe er gelernt, jeden neuen Tag als den „ersten Tag vom Rest meines Lebens“ zu begreifen und dem entsprechend „als eine neue Chance für die Liebe und das Leben zu nutzen.“
Angesichts seiner Endlichkeit, aber auch der christlichen Hoffnung auf das Leben, gewinnt unsere irdische Existenz in den Augen des leitenden Chirurgen erst seinen ganz besonderen Wert.

Nach der zu Recht mit Applaus bedachten Kanzelrede des Arztes hatte wohl jeder Zuhörer in der Petrikirche wohltuend und tröstlich begriffen, was die Bibel meint, wenn sie uns, wie von Christian Soimaru zitiert, sagt: „Herr, bedenke uns, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden und lernen zu leben.“ Zu diesem geistlichen Impuls am Vorabend des Reformationstages passte das Lied Dietrich Bonhoeffers: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.

Dieser Text erschien am 31. Oktober 2016 in NRZ/WAZ

Schöne Straße?!

  Für die Mülheimer Presse und das neue Mülheimer Jahrbuch habe ich mich an 50 Jahre Schloßstraße erinnert. So alt bin ich also schon, dass ...