Mittwoch, 23. November 2022

Schein und Sein

 Heuchler wurden im antiken Griechenland und im alten Rom Hypokrit genannt. Jetzt hatte mit „Hypocrites“ die neue Volxbühnenproduktion im Theaterstudio an der Adolfstraße gleich dreimal eine gut bis sehr gut besuchte Premiere. Wer sie verpasst hat, bekommt am 27., 28. und 29. Januar 2023, jeweils um 19.30 Uhr, eine zweite Chance, das von Jörg Fürst inszenierte und von seinem 18-köpfigen Ensemble auf die Bühne gebrachte Stück anschauen und daraus seine Schlüsse für die eigene Existenz zu ziehen. „Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben heute Fragen transportiert, mit denen sich jeder auseinandersetzen sollte: Was ist Sein? Was ist Schein? Was ist Wahrheit? Was ist Lüge? Wie funktioniert unsere Gesellschaft? Wie sollte sie funktionieren? Wie beeinflusst Digitalisierung unser Leben?“, fanden Julia Cornelius und Kosta Thönneßen nach der Aufführung, der sich eine Premierenfeier anschloss.

Minimalistisch gestaltet und im existenziellen Schwarz gehalten. So sieht man, die Volxbühne, auf der sich die grau gewandeten Darstellerinnen und Darsteller als Hypocrites, wie du und ich, bewegen. Wer ist hier Profi, wer Amateur? Was ist Choreografie? Was ist Improvisation? Das ist kaum zu erkennen. Und das macht die Qualität des Ensembles aus. Aus dem Theater Mülheimer Spätlese hervorgegangen gehört es als Bürgertheater heute zum Theater an der Ruhr. In einigen Passagen kann man am Stimmvolumen am ehesten den Unterschied zwischen Profi und professionellem Amateur erahnen. Wie im antiken Theater stehen deklamierende Chöre und Solisten im Dialog. Die Damen und Herrn in Grau erinnern an Michael Endes Romanfigur Momo, die den grauen Herren, die den Menschen die Zeit stehlen wollen, einen Strich durch die Rechnung macht. Auch an das Bild der „grauen Maus“ oder der „grauen Masse“, kann denken, der die grau gekleideten und barfuß auf der Bühne stehenden und gehenden Männer und Frauen der Volxbühne sieht.

Die Musiker Peter Eisold und Max Wehner bewegen sich mit Posaune, Sousaphon und einem fahrbaren Schlagwerk. Mal sind sie Teil der Handlung, mitten auf der Bühne, und dann wieder verborgen, aber hinter der Bühne hörbar. Ihre Töne verschmelzen mit dem Takt der auf der Bühne gehenden und stehenden Schauspielerinnen und Schauspieler.

Wie ein Dirigent im Orchestergraben muss Ton- und Lichttechniker Dirk Lohmann am Pult in der letzten Reihe des Auditoriums, Computermonitore, Mischpult und die, Partitur der Regieanweisung im Blick behalten. Seine Jonglage gelingt. Er zaubert eine Sinfonie aus Klang und Licht auf die Bühne. Sie fordert das Publikum heraus, will es irritieren. Warum? Vielleicht, um es aus scheinbaren Gewissheiten herauszureißen, um dem Kern des eigenen Seins zu erkennen. Weitere Informationen zur Volxbühne und ihrer aktuellen Produktion, die vom NRW-Kulturministerium, von der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft und von der Rheinenergie-Kulturstiftung gefördert wird, finden sich im Internet unter: www.volxbuehne.de


Zu meinen Texten in NRZ & WAZ

Freitag, 18. November 2022

Reden wir über Tod und Trauer

Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag. Der November ist der Monat des Jahres, der unter dem Vorzeichen von Tod, Trauer und Gedenken steht. Vor diesem Hintergrund trafen sich die beiden ehrenamtlichen Begräbnisleiter, Bernd Heßeler und Annegret Tewes aus der Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt und die ebenfalls in der ökumenischen Trauerbegleitung Links der Ruhr und im Trauernetzwerk Mülheim aktive Psychotherapeutin Dr. Britta Dickoff am Rande der Buchausstellung im Kloster Saarn mit dieser Zeitung zu einem Gespräch darüber, warum sie sich in einem Themenfeld engagieren, das die meisten Menschen meiden und tabuisieren.

Warum treffen wir Sie heute bei einer Buchausstellung?

Bernd Heßeler: Wir stellen hier Literatur zum Thema Tod und Trauer vor, weil wir festgestellt haben, dass es zumindest nach der ersten Phase der Trauer hilfreich sein kann, etwas darüber zu lesen, wie andere Menschen ihren Trauerprozess erlebt und gemeistert haben. So erfahren die Trauernden: Das ist ja wie bei mir. Ich bin ja gar nicht verrückt, sondern durch meine Trauer nur verrückt in eine andere Welt. Zudem ist die hiesige Bibliothek ein guter Treffpunkt, um aus seiner Isolation heraus- und mit anderen Menschen ins Gespräch und in Kontakt zu kommen.

Warum engagieren Sie sich, neben ihrem Beruf als Krankenschwester und Heilpraktikerin, als ehrenamtliche Begräbnisleiterin?

Annegret Tewes: Ich möchte als Begräbnisleiterin, auch vor dem Hintergrund meiner eigenen Trauererfahrungen, sowohl den Verstorbenen als auch den Hinterbliebenen einen würdigen Abschied gestalten, mit dem sie gut weiterleben können und ihnen im Gespräch das gute Gefühl geben, dass ich offen und bereit bin, mit ihnen über ihre Trauer zu sprechen. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht. Das wird von den Menschen dankbar angenommen. Das gilt auch für das Gleichnis vom Regenbogen, das ich gerne nutze, um den Trauernden zu zeigen, dass der Regenbogen, als ein göttliches Hoffnungszeichen, dort am Himmel steht, wo die Wolken am dunkelsten sind.

Warum werden Tod, Trauer, Abschied und Bestattung in unserer modernen Gesellschaft tabuisiert?

Bernd Heßeler: Wir Deutschen sind sehr regelfixiert. Wir fragen zuerst: Was darf ich? Doch wenn es um Tod, Trauer und Abschied geht, sollten wir uns zunächst mal fragen: Was brauche ich in dieser Ausnahmesituation? Deshalb ist es uns auch wichtig, die Bestattet in unser Trauernetzwerk mit einzubeziehen. Und wir sehen, dass immer mehr Bestatter dafür sensibel sind, wie man einen Abschieds- und Bestattungsprozess so individuell gestalten kann, um damit auch die Trauer zu ermöglichen und nicht zu verdrängen.

Heute sterben viele Menschen in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Müssen wir zurück in die Vergangenheit, in der die Menschen zuhause im Kreise ihrer Familien starben und dann auch zuhause aufgebahrt wurden?

Annegret Tewes: Ich glaube, dass wir wieder einen anderen Umgang mit dem Tod brauchen. Sicher wäre das auch aus christlicher Sicht wünschenswert. Aber wir sollten nicht bewerten, sondern Menschen in der Trauer Mut machen und ihnen aufzeigen, was möglich ist, wenn es um Tod, Trauer und Abschied geht.

Kann eine gute Trauerfeier Hinterbliebene trösten?

Bernd Heßeler: Das Kondolenzgespräch ist hier wichtig. Hier geht es für mich vor allem um das Zuhören. Was war das für ein Mensch? Wie haben seine Hinterbliebenen mit ihm gelebt und ihn erlebt? Das ist viel wichtiger als die Klärung, welches Lied bei der Trauerfeier gespielt werden soll. Nur so kann eine Trauerfeier für die Hinterbliebenen authentisch und tröstlich werden.

Annegret Tewes: Ich versuche den Menschen, persönlich etwas mitzugeben, was sie berührt und tröstet. Gerne erinnere ich mich an eine Trauerfeier, vor der ich die handgeschriebene Lebensgeschichte des Verstorbenen lesen durfte. Dies konnte ich in meine Ansprache und in die Fürbitten mitnehmen. Und es hat mich damals sehr angerührt, dass die Hinterbliebenen meine Worte immer wieder zustimmend kommentiert haben und mir im besten Sinne ins Wort gefallen, sind: „Ja. Genau so war es. Genauso war er!“ Mir erscheint es besonders wichtig, dass die Hinterbliebenen eine Brücke zueinander finden und anerkennen, dass jeder anders trauert.

Und was kommt nach der Trauerfeier?

Bernd Heßeler: Wichtig ist es, Trauernde nicht allein zu lassen, mit ihnen im Gespräch zu bleiben und sie immer wieder in die Gemeinschaft hineinzuholen, ob im Rahmen eines Trauer Cafés oder eines Trauerseminars oder auch in der Gemeinde, in der Nachbarschaft und auch am Arbeitsplatz. Auch hier sollte man den Trauernden nicht aus dem Weg gehen, sondern mit ihnen im Gespräch bleiben. Deshalb ist es dem Bundesverband der Trauerbegleiter auch ein Anliegen, dass in jedem Betrieb mindestens ein Mitarbeiter zum Trauerbegleiter qualifiziert wird.

Ist der November mit seinen Trauertagen für Trauerende ent- oder belastend?

Bernd Heßeler: Wir haben bei unserer Allerheiligenandacht, bei unseren Grabsegnungen, aber auch bei unseren Gesprächen am Grab erlebt, dass es Hinterbliebenen ein tröstliches Bedürfnis ist.

Was sagen Sie Trauernden als Psychotherapeutin mit eigenen Trauererfahrungen?

Britta Dickkoff: Jeder Mensch muss seine eigenen Trauererfahrungen machen. Die kann einem niemand abnehmen. Aber ein Gespräch kann helfen, wenn man keine guten Ratschläge gibt, sondern zusammen mit dem Trauernden Ideen entwickelt, wie sie Leben ohne den Verstorbenen weitergehen kann und ihn darin zu ermutigen, seinen eigenen Weg der Trauer, aber auch des Lebens weiterzugehen. Leider kommt es in der Trauerphase immer wieder zu belastenden Streitigkeiten zwischen Hinterbliebenen, wenn zum Beispiel ein Erbe oder die Gestaltung der Trauerfeier im Raum steht. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass Literatur, zum Beispiel die Gedichte von Hermann Hesse, Else Lasker-Schüler, Hilde Domin und Mascha Kaleko, Trauernde sehr gut trösten und ihnen Mut zum eigenen Weiterleben machen können.


Meine Beiträge in der Mülheimer Tagespresse



Donnerstag, 17. November 2022

Tante Emmas Erben

 Einkaufen ist ein Politikum. Das machte ein Zeitzeugengespräch rund ums Einkaufen deutlich, zu der die Mülheimer Zeitzeugenbörse, rechtzeitig zum Wochenendeinkauf, in den Dümptener Seniorenclub an der Oberheidstraße eingeladen hatte. Brigitte Reuß, die die Zeitzeugenbörse zusammen mit Manfred Zabelberg leitet, schlug zum Einstieg den ganz großen historischen Bogen von den tönernen Einkaufslisten alten Römer bis zu den personalfreien Kassenscannern und dem Interneteinkauf, der die Existenz des stationären Einzelhandels bedroht. Auch den sozialen Bogen schlug sie vom Higtech-Smarthome, in dem der Kühlschrank die Einkaufliste erstellt bis hin zur zunehmenden Zahl materiell armer Menschen, die auf die Lebensmittelspenden der Tafel des Diakoniewerkes an der Georgstraße oder auf Kleidung aus den Schenk- und Secondhandläden der Wohlfahrtverbände angewiesen sind.

Die 1926 geborene Eva Timm berichtete aus ihrer Jugend: „Natürlich gab es früher auch schon Kaufhäuser, zum Beispiel das der jüdischen Familie Tietz, das nach der Machtübernahme von den Nationalsozialisten in den 1930erJahren als Kaufhof arisiert wurde. Aber die Auswahl und Vielfalt war früher bei weitem nicht so groß wie heute. Stattdessen gab es sehr viel mehr Stoffgeschäfte als heute und den Beruf des Zuschneiders, den mein Vater ausübte.“ Zuschneider schnitten den Stoff zu, den ihre Kunden bei ihnen kauften, um sich daheim an der Nähmaschine ein Kleid, eine Hose oder einen Anzug zu nähen. Auch das damals noch florierende Gewerbe der Hutmacherinnen und Hutmacher gehört zu Timms Kindheitserinnerungen, „weil die Damen und auch die Herren viel mehr Hut trugen als heute.“ Unvergessen bleiben für Timm auch ihr erste blaues Jäckchenkleid und die dazu passenden Schuhe, die ihr älterer Bruder ihr im Kriegsjahr 1942 im Heimaturlaub, aus dem von der deutschen Wehrmacht besetzten Paris mitgebracht hatten.

Wie Timm, konnten sich auch die 1939 geborene Ursula Storks, die 1936 geborene Ilse Diekhönner und die 1938 geborene Gisela Fuß an die Mangelwirtschaft der Kriegs- und Nachkriegsjahre erinnern. „Wir kauften in einem kleinen Tante-Emma-Laden ein. Gekauft wurde, was gerade da war. Lebensmittel wurden unverpackt und wurden in einem Henkelmann, in einer mitgebrachten Flasche oder im Einkaufskorb- oder Beutel nach Hause getragen.“ Die Kriegs- und Nachkriegszeit verbinden Storks, Fuß und Diekhönner mit rationierten Lebensmitteln, die man monatlich auf einer Karte zugeteilt bekam und meistens erst nach einem langen Stehen in der Warteschlange ausgehändigt bekam. „Damals gab es oft Maisbrot und Steckrüben. Die schmeckten furchtbar. Aber wir hatten Hunger“, erinnern sich Storks und Fuß. Unvergessen bleibt Storks, „dass meine Mutter den Bunker verließ und im Bombenhagel nach Hause lief, um dort einen Fleischtopf zu holen, den sie auf der Fensterbank hatte stehen lassen und dass ich einmal den Henkelmann mit unserer gesamten Milchration vergossen habe, weil ich auf dem Heimweg von einem Tiefflieger überrascht wurde und mich sofort flach hinwerfen musste.“ Obwohl Bergleute als „Schwerstarbeiter“ Lebensmittelzulagen erhielten, weiß Diekhönner zu berichten, „dass mein Vater nach seiner Schicht als Bergmann am Wochenende bei einem Bauern arbeitete, um zusätzliche Lebensmittel heimbringen zu können.“

„Nach dem Krieg mussten unsere Eltern uns immer wieder bei Nachbarn einquartieren, um in überfüllten Zügen zum Hamstern an den Niederrhein zu fahren. Die Reichsmark war nichts mehr wert. Der Schwarzhandel blühte. Zigaretten waren damals die Hauptwährung. Unsere Eltern haben bei den Bauern alles, was nicht niet- und nagelfest war gegen Lebensmittel eingetauscht.“ Als ein Privileg empfand es Ursula Storks, „dass meine Mutter zuhause einen Teil der Milchsuppe kochen konnte, die wir nach dem Krieg als Schulspeisung von den Quäkern bekamen, so dass ich in der Schule und zuhause essen konnte.“ Und auch ein waghalsiger Kohlenklau auf einem Eisenbahnwaggon am Styrumer Bahnhof gehörte für Storks zu ihren etwas anderen „Einkaufserlebnissen“ in der Nachkriegszeit.

Erst nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 füllten sich die Schaufenster der zum Teil noch kriegsbeschädigten Geschäfte wieder mit Waren, die jetzt mit der knappen D-Mark bezahlt werden mussten.

„In der DDR gab es noch bis 1958 Lebensmittelkarten. Eingekauft wurde in den HO-Läden der staatlichen Handelsorganisation. Grundnahrungsmittel und Wohnungsmieten waren sehr preiswert, aber alles was über den Grundbedarf hinausging, war sehr teuer. Während ein 1500-Gramm-Brot 78 Pfennig kostete, kosteten eine Bockwurst 5 Mark und ein Stück Torte 7,50 Mark. Später konnte man viele hochwertige Waren nur in Exquisit-Läden und Intershops zu überhöhten Preisen kaufen. Manche Waren, wie etwa ein Kühlschrank waren nur gegen einen inoffiziellen Aufpreis unter der Hand zu bekommen“, erinnert sich der 1939 in Halle an der Saale geborene Mülheimer Dieter Schilling.

Aber auch für die 1949 im damals noch ländlichen Teil Dümptens, der an Oberhausen grenzt, geborene Jutta Lose kam das Wirtschaftswunder erst Mitte der 1960er Jahre an, als sie als Arzthelferin ihr erstes eigenes Geld verdiente und damit erstmals in einer Boutique schick einkaufen konnte. Lose erinnert sich: „In meiner Kindheit hatten wir einen großen Garten, in dem wir als Selbstversorger Obst und Gemüse anbauten. Einkaufen konnten wir damals nur in einem kleinen Tante-Emma-Laden mit einer sehr begrenzten Auswahl. Kartoffeln, Eier und Milch lieferte uns ein Bauer mit seinem Pferdefuhrwerk. Brot, Brötchen und Kuchen kauften wir aus dem Lieferwagen eines Bäckers. Ein Einkauf in der Mülheimer oder Oberhausener Innenstadt war für uns mit einem mindestens 40-minütigen Fußmarsch verbunden. Erst 1962 eröffnete in der Nähe meines Elternhauses ein Aldi-Markt.“


Mülheimer Zeitzeugen

Dienstag, 15. November 2022

Kinder: Es ist Karneval

 Mehr als 1000 Menschen sind im Mülheimer Karneval aktiv. Ein Drittel von ihnen feierte am 11.11. im Dümptener Autohaus Extra den Start in die Fünfte Jahreszeit. Chefkarnevalist Markus Uferkamp konnte nicht mit von der närrischen Partie sein, weil das Corona-Virus bei ihm stärker war als der Bazillus Carnevalensis war.

Die Jecken, die gesund und munter feiern konnten, bekamen von.

Tollitäten, Tanzgarden und Musikzüge eine Karnevalsshow geboten,, die Lust auf mehr machte. Da das große Prinzenpaar, Tamara und Kevin, bereits am 11.11.2021 proklamiert worden war und jetzt einen zweiten Anlauf wagt, nachdem die vergangene Session Corona-bedingt abgebrochen werden musste, standen an diesem 11.11. die Kindertollitäten, Kinderprinz Louis, Kinderprinzessin Emily, Pagin Marie und Page Felix Antonio im Rampenlicht.

Das närrische Publikum, zu dem auch Mülheims rheinischer Oberbürgerbürgermeister Marc Buchholz gehörte, wurde mit kleinen Glückbringern und selbstgestrickten Wollbeuteln überrascht, die Louis, Emily und ihr Gefolge wie Kamelle am Rosenmontag unters Narrenvolk brachten.

Und nach der Verleihung der närrischen Insignien, Zepter, Amtskette und Federn, kam der Moment der Wahrheit, als Louis und Emily ihr närrisches Regierungsprogramm verkündeten. Nach ihrem Willen, müssen Miesepeter, die im Karneval nicht mitsingen und mittanzen 11,11 Euro in die Kasse der Karnevalisten zahlen. OB Buchholz wurde verdonnert, an den Tollen Tagen alle Baustellen der Stadt mit Luftschlangen und Luftballons schmücken zu lassen, die Müga an den Tollen Tagen in ein Kinder-Karnevalsparadies umzuwandeln, leerstehende Ladenlokale in der Innenstadt als kindgerechten Freizeiteinrichtungen zu nutzen, den Karnevalsgesellschaften mietfreie Feste in der Stadthalle zu gewähren und am Altweiberdonnerstag im Clownskostüm zu erscheinen.


Außerdem forderten die Nachwuchsregenten von Politik und Wirtschaft, auch außerhalb der Fünften Jahreszeit, mehr Gehör und Unterstützung, natürlich nicht, ohne sich zuvor bei allen zu bedanken, die das närrische Brauchtum schon jetzt unterstützen. Und sein Sessionslied: „Wir sind die Kindercrew,  die Krone, die euch aufrecht hält, wo nur die Freundschaft zählt. Ihr seid der Karneval und der Karneval sind wir!“, will das Kinderprinzenteam während der Fünften Jahreszeit mindestens einmal pro Tag im Radio Mülheim hören.

Nicht nur vom Oberbürgermeister bekamen die Kindertollitäten viel Lob für ihren ersten Sessionsauftritt. Der ohnehin kostümaffine OB erklärte sich sofort bereit, im Clownskostüm zur Schlüsselübergabe zu erscheinen. Aber mit Blick auf die hohe Verschuldung der Stadt lehnte er es ab, den närrischen Nachwuchsregenten eine mietfreie Stadthalle für Karnevalsfeste zu versprechen. Stattdessen gab es vom Stadtoberhaupt nur einen symbolischen Null-Euro-Schein und die Absichtserklärung: „Was nicht ist, kann vielleicht noch werden. Wir arbeiten daran.“


Zum Mülheimer Karneval und: Zu NRZ/WAZ



Montag, 14. November 2022

Traurige Aktualität

 Am Volkstrauertag 2022 waren deutlich mehr Bürgerinnen und Bürger zum Mahnmal des unbekannten Soldaten gekommen, um den vergangenen und den gegenwärtigen Opfern von Krieg Gewalt Herrschaft und Terrorismus zu gedenken. Vorsichtig geschätzt waren es 100 Bürgerinnen und Bürger, die sich vor dem Mahnmal an der Kettwigerstraße versammelt hatten.

Der Volkstrauertag wurde auf Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1919 ins Leben gerufen und 1922 zum staatlichen Gedenktag erklärt. Bürgermeister Markus Püll zitierte in seiner Funktion als Kreisvorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge unter anderem aus einer vor 100 Jahren gehaltenen Reichstagsrede des Sozialdemokraten Paul Löbe: „Wir brauchen Versöhnung und Verständigung, um Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch, um Tote zu ehren und Verlorene zu beklagen. Das bedeutet Abkehr vom Hass und Heimkehr zur Liebe. Und unsere Welt hat die Liebe nötig!

Der Superintendent der evangelischen Kirche Pfarrer Gerald Hillebrand und der Stadtdechant der katholischen Kirche Pfarrer Michael Janßen setzten mit einer Dialogansprache ein Zeichen der Ökumene. Sie machten deutlich, dass die Erinnerung an Krieg und Gewaltherrschaft in Deutschland auch heute und künftig notwendig sei, um die Werte der christlichen Botschaft, die auch die Werte der freiheitlichen Demokratie und des Grundgesetzes seien, zu bewahren, zu leben und, wo nötig, zu verteidigen. Hillebrand sagte: „Es gibt heute viele Menschen, die das gemeinsame Gedenken am Volkstrauertag, viele Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Frage stellen. Doch wir sollten an diesem gemeinsamen Gedenken am Volkstrauertag festhalten. Denn es hat seinen Sinn, in dem es die Toten ehrt, die Lebenden mahnt und die Kommenden warnt!“ Und Janßen betete: „Gott, wir bitten dich: Schenk uns Aufmerksamkeit und Zivilcourage, damit wir protestieren, wo wir Unrecht wahrnehmen, dass wir helfen, wo die menschliche Würde mit Füßen getreten wird und dass wir Menschen auf der von dir so wunderbar geschaffenen Mutter Erde erkennen, dass wir alle deine Kinder sind.“

Der vom Musiklehrer Stephan Adam-Glagovsek  geleitete Oberstufenchor der Gesamtschule Saarn und das Bläserensemble um den Rathaus-Mitarbeiters, Alexander Vogtmann, begleiteten die Kundgebung zum Volkstrauertag musikalisch und gaben ihr damit einen würdigen und berührenden Charakter. Die Lieder, die die Saarner Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler sangen, „Flashlight“ und „Time“ erzählten von der Widersprüchlichkeit unseres menschlichen Lebens und unserer Welt, die so wunderbar und zugleich auch so grausam sein können. Und sie erzählten von der vergehenden Zeit, die es uns möglich machen kann, aus Fehlern zu lernen, Schuld zu vergeben und sich mit sich selbst und mit anderen Menschen zu versöhnen. Die Bläser um Alexander Vogtmann setzen mit der Internierung des 1841 von Hoffmann von Fallersleben gedichteten Deutschlandliedes den Schlussakkord, dessen dritte Strophe von allen Anwesenden gemeinsam gesungen, mit dem Dreiklang von Einigkeit und Recht und Freiheit den Kern unserer Demokratie, in Erinnerung rief, der am Volkstrauertag 2022, angesichts der inneren und äußeren Anfechtungen unserer Demokratie eine tiefere Bedeutung bekam.

Zu den Mülheimerinnen und Mülheimern, die an diesem Sonntagmittag den Weg zum Mahnmal des Unbekannten Soldaten gefunden hatten, gehörten auch Oberbürgermeister Marc Buchholz und der ehemalige Bürgermeister und FDP-Stadtrat Paul Gerhard Bethge. Er gehört mit seinen 98 Lebensjahren zur Generation, die als Soldaten der deutschen Wehrmacht vom Hitler Regime missbraucht wurden und nach dem erlebten und überlebten Krieg von Werkzeugen der NS-Diktatur zu politischen Mitgestaltern der neuen westdeutschen Nachkriegsdemokratie geworden sind. Bethge erinnerte sich: „Ich habe die Errichtung des Mahnmals des Unbekannten Soldaten an der Kettwiger Straße in meinem ersten Ratsjahr 1964 vorgeschlagen und seine Realisierung im Jahr 1968 miterleben können. Nachdem dem Vertreter der politischen Parteien und andere gesellschaftliche Organisationen am Mahnmal Kränze niedergelegt hatten machte Bürgermeister Markus Püll deutlich, dass sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem in Mühlheim rund 50 Bürgerinnen und Bürger angehören, über zusätzliche Unterstützer und Mitglieder freuen würde. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, „dass die Pflege von Kriegsgräbern gerade für Jugendliche, die im Frieden aufgewachsen sind, eine anschauliche und praktische Form der Erinnerungskultur darstellt.“ Sie zeige Ihnen, so Püll, „was Krieg für Menschen bedeutet, und was getan werden muss, um auch heute und morgen Kriege zu verhindern oder zu beenden.“ Laut Püll gibt es in Mülheim acht Gräber von Mülheimer Soldaten, die in den beiden Weltkriegen gefallen sind. Nicht nur an die 10.000 Mülheimer Soldaten, die in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts ihr Leben verloren haben, wurde am Volkstrauertag erinnert, sondern auch an die 59 Bundeswehrsoldaten, die während des Afghanistan-Einsatzes zwischen 2001 und 2021 gefallen sind.

 Zum Volksbund Duetsche Kriegsgräberfürsorge

Freitag, 11. November 2022

Ein Fest der Freiheit

 Am 11.11. starten die Karnevalisten, die Fünfte Jahreszeit. Jubel, Trubel, Heiterkeit!? Geht das in Zeiten von Corona, Inflation und Ukraine-Krieg? Am Tag vor dem Start in die Session 2022/2023 trafen sich Stadtprinz, Kevin Bongarts (34) und Stadtprinzessin Tamara Bongarts (31) in einem Mülheimer Restaurant, noch ganz zivil, zum Gespräch mit dieser Zeitung. Beide Tollitäten kommen aus den Reihen der Roten Funken. Abseits des karnevalistischen Rampenlichtes, wo man sich im Ernst des Lebens beruflich nicht nur seine Kamelle, sondern auch seine Lorbeeren und seine Brötchen verdienen muss, arbeitet der Prinz bei der Müllabfuhr der MEG und die Prinzessin als Altenpflegerin für einen ambulanten Pflegedienst.

Einmal Prinz zu sein, davon habe ich immer schon geträumt. So heißt es in einem Karnevalsschlager. Wie fühlt es sich an, wenn Sie nach der Corona-bedingt ausgefallenen Session 2021/2022 jetzt zum zweiten Mal als närrisches Regentenpaar ins närrische Rampenlicht treten?

Kevin und Tamara: Ganz ehrlich. Nach der Absage der letzten Session hatten wir erst mal keine Lust mehr. Aber dann haben wir, auf Einladung des Oberbürgermeisters Marc Buchholz, zusammen mit dem Kinderprinzenpaar im Sommer einen Freizeitpark in Kevelaer besucht. Das war ein tolles Gemeinschaftserlebnis. Und danach haben wir uns entschlossen, zwei neue Lieder für unsere zweite Session als Prinzenpaar zu schreiben und dann haben wir wieder Feuer gefangen. Und jetzt kommt bei uns auch schon wieder Lampenfieber auf.

Was bekommt das närrische Publikum von Ihnen zu hören?

Kevin und Tamara: Unsere neuen Sessionsschlager tragen die Titel: „Was für eine geile Session“ und: „Lange nicht genug. Was für ein guter Tag!“

Was werden Sie denken, wenn Sie das als Tollitäten am 11.11. auf der Bühne singen?

Kevin und Tamara: Zugegeben. Wir haben da zwiespältige Gefühle. Denn niemand kann im Moment die Gedanken an die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die daraus erwachsene Inflation abschalten. Aber vielleicht kommen wir ja gerade jetzt mit dem Karneval, der die Gemeinschaft, die Toleranz, die Freiheit und die Lebensfreude feiert, zu den rechten Zeiten, um mit unseren Auftritten und Festen unseren grauen und trüben Alltag wenigstens für einige Stunden wieder bunt und fröhlich machen, gemäß unserem Motto: „Kunterbunte Mölmsche Welt. Wir machen Sie, wie es uns gefällt!“ Ohne Karneval ginge es den Menschen in unserer Gesellschaft sicher noch schlechter. Auch wenn wir jetzt nicht nur in der Ukraine Krieg und Krisen erleben, haben die einfachen Menschen, die keine Schuld an der aktuellen Weltlage, es sich gerade jetzt verdient, richtig Karneval zu feiern und damit, allen schrecklichen Nachrichten zum Trotz, etwas Freude, Gemeinschaft und Hoffnung zu erleben.

Was haben Sie sich als närrische Regenten vorgenommen?

Kevin und Tamara: Wir wollen bei unseren Auftritten wir selbst sein und den Karneval fröhlich und authentisch mit möglichst vielen Menschen feiern. Damit wollen wir uns bei den Karnevalsgesellschaften, ihren Sponsoren und Oma Alex, Opa Udo und Tante Jasmin bedanken, die uns auf der Bühne, hinter den Kulissen und zuhause mit unseren Töchtern Shalia (5) und Lavinia (8) den Rücken freihalten und uns so eine zweite Regentschaft ermöglichen.

Was gehört zur Agenda ihrer Regentschaft?

Kevin und Tamara: Unser am 11.11.2021 verkündetes Regierungsprogramm bleibt in Kraft: Keine Erhöhung der Getränkepreise, keine Knöllchen für das Prinzenmobil und gebührenfreie Entsorgung von elf Tonnen Müll durch die MEG für alle aktiven Karnevalisten. Und: Männer verzichten auf das letzte Bier und Frauen auf das letzte Wort Das sind unsere Beiträge zur Dämpfung der Inflation und zum Erhalt des sozialen Friedens..

Und wenn Sie als närrische Regenten reale Macht hätten, was würden Sie in unserer oft närrischen, aber nicht immer heiteren Welt gerne durchsetzen?

Kevin und Tamara: Alle Kriege beenden und alle Diktatoren entmachten. Sofort!

Wie politisch ist der Karneval?

Kevin und Tamara: Der Karneval feiert die Freiheit und die Toleranz. Er lädt Menschen aller Generationen ein, egal, wer sie sind und woher sie kommen. Er schließt niemanden aus und macht keine sozialen Unterschiede. Besonders wichtig ist für uns, dass wir als Prinzenpaar auch behinderte, alte und pflegebedürftige Menschen besuchen, um ihnen Aufmerksamkeit, Zuwendung, Gemeinschaft und Freude zu bringen. Und bitte, nicht vergessen: Der Karneval mit seinen Tanzgarden und Musikzügen ist immer auch ein Stück Sozial- und Jugendarbeit, und dass nicht nur zur Fünften Jahreszeit. 


Meine Beiträge für NRZ & WAZ

Zum Mülheimer Karneval 





 

Dienstag, 1. November 2022

Die Zukunft im Rücken

 Der Samstagabend Gottesdienst in Sankt Mariae Geburt war fast so gut besucht wie die Gottesdienste an Ostern und Weihnachten. Und das hatte seinen guten Grund. Denn 19 Mädchen und Jungen wurden als neue Messdiener feierlich in ihr Amt eingeführt. 

Sie verstärken das Team Messdiener von Sankt Mariae Geburt. „In diesem Gottesdienst fühle ich mich besonders wohl, weil ich die Kirche der Zukunft im Rücken habe“, sagte Pfarrer und Stadtdechant Michael Janßen. Er hob in seiner Predigt die besondere Bedeutung der Messdienerinnen und Messdiener hervor. „Sie tragen das Kreuz vorweg, bringen Brot und Wein zum Alltar und tragen die Kerzen als Symbol des Lichtes, das Jesus als eingeborener Sohn Gottes mit seinem Leben und Leiden in die Welt gebracht hat, um uns zu erlösen. Kreuz, Brot und Wein stehen für das Leiden aber auch für die Auferstehung Jesu Christi. Sie geben uns Hoffnung und Zuversicht und zeigen uns, dass kein Weg zum Ostersonntag am Karfreitag vorbeiführt, dass aber unsere frohe christliche Botschaft uns Mut macht und uns Kraft gibt, auf das Wort Gottes zu hören und danach zu handeln. So können wir selbst zum Licht für andere Menschen werden.“ Janßen bedankte sich nicht nur für das Engagement der acht bis zehn Jahre jungen Messdienerinnen und Messdiener, die sich nach ihrer ersten Heiligen Kommunion vor den Sommerferien für eine Ausbildung zum Messdiener entschieden, hatten. Ausdrücklich bedankte sich Jansen auch bei den Eltern, Freunden und Verwandten, die die neuen Messdienerinnen und Messdiener durch ihr eigenes christliches Lebensbeispiel begleitet und inspiriert hätten. Alle neuen Messdiener wurden einzeln mit ihrem Namen aufgerufen, verbunden mit ihrem geistlichen Wahlspruch. Da war zum Beispiel zu hören: „Nichts soll dich erschrecken. Denn dein Gott und Herr bin bei dir!“ Oder: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott.“ Alle neuen Messdienerinnen und Messdiener traten aus der ersten Kirchenbank heraus und sagten vor dem Altar stehend: „Hier bin ich. Anschließend erhielten sie ihr vollständiges Messdienergewand und den Segen des Pfarrers und Stadtdechanten. „Als ich so alt war, wie ihr heute, bin ich auch Messdiener geworden. Damals hat mich unser inzwischen heiliggesprochener Papst Johannes XXIII. inspiriert“, erinnerte sich Janßen.

Warum entscheiden sich heute Kinder für den Messedienst am Altar? Die neunjährige Lena Bülte erklärt ihre Motivation so: „Meine Geschwister sind auch Messdiener. Und ich habe sie schon oft im Gottesdienst beobachtet. Und das, was sie tun, hat mir so gut gefallen, dass ich auch Messdienerin werden wollte.“ Der inzwischen 31-jährige Marketingfachmann, Lukas Lamberty gehört ebenfalls zum Messdienerteam von St. Mariae Geburt. Er sagt: „Ich kam nach meiner Erstkommunion durch einen Freund zu den Messdienern und habe mich seitdem in dieser tollen Gemeinschaft, die auch durch die Leute in der Gemeinde getragen wird, so wohlgefühlt, dass ich bis heute dabeigeblieben bin und meinen Dienst, auch als Ausbilder, solange weiter tun möchte, wie mir das möglich ist. Mich begeistert es, mitzuerleben, wie die jungen Messdienerinnen und Messdiener in unserer Gemeinschaft zu Persönlichkeiten heranreifen, die dann auch selbst wieder unseren Messdienernachwuchs ausbilden können. In unserer Ausbildung haben wir nicht nur mit Erklärgottesdiensten, sondern auch mit Lehrvideos, die man sich bei Youtube herunterladen kann, sehr gute Erfahrungen gemacht.“


Meine Beiträge für den Lokalkompass der Mülheimer Woche

Augen auf bei der Berufswahl

  Was soll ich werden? Bei dieser lebensentscheidenden Frage, die man sie sich vor dem Schulabschluss zwangsläufig stellen muss, bekamen etw...