Heute denkt doch jeder nur noch an sich selbst. Wer so
denkt, denkt falsch. Die Zahlen, die der Deutsche Spendenrat veröffentlicht
hat, sprechen eine andere Sprache. Danach ist das deutsche Spendenvolumen im
vergangenen Jahr um 13 Prozent auf 4,7 Milliarden angestiegen. 23,3 Millionen
Deutsche, 3,5 Prozent mehr als im Jahr 2012 haben Geld für wohltätige Zwecke
gespendet.
Wer sich bei gemeinnützigen Mülheimer Vereinigungen und
Einrichtungen umhört, kann bei der lokalen Spendenentwicklung keine eindeutige
Tendenz feststellen.
Sowohl von einer Spendenzunahme (Wir für die Mülheimer
Kinder oder Tierschutzverein) wird berichtet, als auch von stabilen Spendenzahlen
(Diakoniewerk, Hospiz und Vereinte Evangelische Kirchengemeinde) oder von
starken Rückgängen der Spendenfreudigkeit, wie etwa bei der Deutschen Multiple
Sklerosegesellschaft, dem Deutschen Roten Kreuz, dem Kinderschutzbund und dem
Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport. (VBGS)
„Viele Menschen sind heute eher bereit für notleidende
Menschen in anderen Ländern, als für notleidende Menschen in der eigenen Stadt
zu spenden“, glaubt der VBGS-Vorsitzende Alfred Beyer. Tatsächlich weist der Spendenrat
darauf hin, dass ein Großteil der Spendenzunahme unter anderem auf die Hilfe
für die Opfer des Taifuns Haiyan auf den Philippinen zurückzuführen ist.
Doch nicht nur Ulrich Schreyer vom Diakoniewerk Arbeit und
Kultur und Annegret Cohen von der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde sehen
auch auf lokaler Ebene eine große Spendenbereitschaft, sobald Projekte greifbar
und nachvollziehbar sind.
„Die Leute sind auch heute sehr spendenbereit. Doch man muss
mehr tun sie zum Beispiel auch mit interessanten Veranstaltungen ansprechen, um
Spenden zu bekommen“, glaubt Gabriele Beyer vom Verein Wir für die Mülheimer
Kinder.
Das glaubt auch der Geschäftsführer des Deutschen Roten
Kreuzes, Klaus-Jürgen Wolf, der verstärkt auf öffentlichkeitswirksame
Informationskampagnen setzen will, frei nach dem Motto: „Tue Gutes und sprich
darüber.“ Das strukturelle Problem sieht er, ähnlich wie Christel Schuck vom
Freundeskreis Las Torres darin, dass Menschen heute zwar bereit sind für
bestimmte Projekte zu spenden, sich aber nicht dauerhaft als Spender, etwa in
Form einer Fördermitgliedschaft, auf einen guten Zweck festzulegen.
Auch wenn die Spenden-Umfrage der NRZ kein vollständiges
Bild der Mülheimer Spendenlandschaft zeichnen kann, zeigt sich doch, dass
Mülheimer Bürger jedes Jahr mehrere 10 000 Euro spenden und damit
soziale und kulturelle Aufgaben mitfinanzieren, die der Stadtgesellschaft
zugute kommen.
Dabei kann auch aus Schlechtem Gutes erwachsen. Das erkennt
man, wenn man weiß, dass allein im letzten Jahre von Staatsanwaltschaften verhängte
Geldbußen in Höhe von 31 500 Euro an 15 gemeinnützige
Vereine und Einrichtungen von der Theodor-Fliedner-Stiftung über den
Kinderschutzbund bis zur Deutschen Multiple Sklerosegesellschaft geflossen
sind.
Die Vorsitzende des Vereins Wir für die Mülheimer Kinder,
Gaby Beyer, macht einen bestechenden Vorschlag: „Wie viel Gutes könnten wir in
Mülheim bewirken, wenn jeder der 168 000
Mülheimer jeden Monat nur einen Euro für einen wohltätigen Zweck spenden
würde?“ Wo und wie Geld für gute Taten gebraucht wird und gut angelegt wäre,
machen die nachfolgenden Beispiele deutlich.
Jugend mit Zukunft
So heißt eine 2002 vom ehemaligen Superintendenten Frank
Kastrup gegründete Stiftung, die Kinder, Jugendliche und Familien stark machen
will. Elternkurse und kirchliche Jugendarbeit werden ebenso gefördert, wie
Hausaufgabenhilfe, Antigewalttraining oder Unterstützung für junge schwangere
Frauen. Das Spendenvolumen, wie in den Vorjahren konstant bei rund 6000 Euro.
Kinderschutzbund
Seit 1977 setzt sich der unabhängige Verband in Mülheim für
die Rechte von Kindern ein. In seiner Geschäftststelle an der Schloßstraße 31
betreibt er eine ärztliche Beratungsstelle, die der Misshandlung und
Vernachläßigung von Kindern vorbeugt und entgegenwirkt. Ein Spielpunkt für
Kinder, betreuter Umgang von Kindern und getrennt lebenden Eltern, Still- und
Wickelmöglichkeiten, eine Mädchengruppe, ein Kleiderladen am Dickswall und
Hausaufgabenhilfe gehören ebenso zu seinen Angeboten und Aktivitäten. 2013
konnte der Kinderschutzbund Spenden in Höhe von 19 200 Euro einwerben. 2012 waren es noch
30 000 Euro
gewesen.
Diakoniewerk
Seit Mitte der 80er Jahre fördert das Diakoniewerk Arbeit
und Kultur Langzeitarbeitslose durch Beschäftigung und Qualifizierung. Außerdem
betreibt es eine Tafel, an der sich Bedürftige mit gespendeten und kostenlosen
Lebensmitteln versorgen können. Hinzu kommen eine Schultafel, für die
Lebensmittel und Schulmaterialien eingekauft werden, um damit bedürftige
Schüler zu unterstützen und ihnen ein Frühstück in der Schule zu ermöglichen.
Das von Ulrich Schreyer geleitete Diakoniewerk kann derzeit jährlich konstant
9000 bis 10 000
Euro an Spenden verbuchen. Hinzu kamen 2013 rund 200 000 Euro, die für das seit 2012 vom
Diakoniewerk und vom Evangelischen Krankenhaus betriebene stationäre Hospiz an
der Friedrichstraße, das in der Bau- und Investionsphase mit Spenden von
insgesamt rund 300 000
Euro bedacht wurde.
Arbeiterwohlfahrt
Der 1920 gegründete und der SPD nahestehende Sozialverband
betreibt unter anderem ein Familienbildungswerk, eine Schuldnerberatung, eine
Drogenhilfe, eine Seniorentagesstätte, eine
Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle und ein Sorgentelefon für von sexuellem
Missbrauch bedrohte Kinder und Jugendliche sowie das Jugendzentrum Altes
Wachhaus in Holthausen. Das jährliche Spendenvolumen der Awo bewegt sich
derzeit konstant zwischen 5000 und 10 000
Euro.
Wir für die Mülheimer Kinder
Der von Gaby Beyer geführte Verein finanziert das von der
Awo betriebene Sorgentelefon Elefon, das Kindern und Jugendlichen hilft, die
von Misshandlung und sexuellem Missbrauch bedroht sind. Außerdem unterstützt
der Verein Grundschulprojekte und die Arbeit mit sozailabenachteiligten Kindern
sowie Kinder, die mit ihren Müttern vor häuslicher Gewalt ins Frauenhaus
geflüchtet sind. 2013 konnte der Verein Spenden in Höhe von rund 30 000 Euro einnehmen
und damit ein Plus von etwa fünf Prozent verbuchen.
DRK
Das Deutsche Rote Kreuz rettet in Mülheim seit 1907 Leben.
Im Rettungs- und Krankentransport ist es ebenso aktiv wie bei Sammlung von
Blutspenden oder in der Jugendarbeit. Das DRK betreibt eine Seniorentagesstätte
und eine Kleiderkammer für Bedürftige. Außerdem gibt es Erste-Hilfe- und
Schwimmkurse und betreibt einen Hausnotrufdienst für alleinlebende Senioren,
liefert Essen auf Rädern, leistet Besuchdienste und bietet Senioren betreute
Reisen und einen Einkaufservice an. Vor allem durch Überalterung und Tod ist
die Zahl der DRK-Fördermitglieder in den letzten 20 Jahren von 8000 auf 3700
zurückgegangen. Allein 2013 gingen die von den Fördermitgliedern erbrachten
Spenden um rund 10 Prozent auf 260 000
Euro zurück. Kontakt und Infos 450060
DMSG
Die 115 Mitglieder zählende Ortsvereinigung der Deutschen
Multiple Sklerose Gesellschaft ist dringend auf Spenden angewiesen, um zum
Beispiel Feste, Veranstaltungen und Ausflüge zu organisieren, um die an MS
erkrankten und oft auch finanziell eingeschränkten Mitglieder aus der sozialen
Isolation herauszuholen. Doch Ausflüge können nur mit teuren Spezialbussen
durchgeführt werden, die über eine Hebebühne verfügen. Um so härter trifft die
DMSG, die 14-tägig zu einem Treffen in die Altentagesstätte an der
Folkenbornstraße einlädt, der Spendenrückgang von 20 000 Euro auf 12 000 Euro, den sie 2013 verkraften
musste. „Spender unterstützen heute eher Sportvereine als Selbshilfegruppen“,
glaubt der DMSG-Vorsitzende Karl-Heinz Reinelt.
Tierschutzverein
Der 1951 gegründete und von Heidrun Schultchen geleitete
Verein konnte das städtische Tierheim an der Horbeckstraße gerade erst beim
Einbau neuer Zwinger finanziell unterstützen, musste aber 2013 einen Rückgang
der Spenden von etwa fünf Prozent auf rund 30 000
Euro hinnehmen. Auch wenn Tiere medizinisch behandelt werden müssen oder
Tierhalter in einer Sprechstunde Rat und Hilfe suchen, kann sich das städtische
Tierheim auf die finanzielle und fachliche Hilfe des Vereins verlassen.
Stadtbücherei
Egal ob es um die Anschaffung neuer Medien oder neuer
Computer geht. Die Stadtbücherei kann sich seit 1997 auf die finanzielle Hilfe
eines aktuell 193 Mitglieder zählenden Freundeskreises verlassen. Sein
Vorsitzender Bernhard Haake freut sich über ein stabiles Spendenvolumen von
jährlich rund 10 000
Euro. Diese Summe kommt nicht nur durch Spenden und Mitgliedsbeiträge, sondern
auch durch die Erlöse einer Schmökerstube am Kurt-Schumacher-Platz und durch
Büchertrödel in den Stadtteilbüchereien zustande.
VBGS
Der 1989 gegründete Verein für Bewegungsförderung für
Gesundheitssport steht für Sport, Spiel und Geselligkeit von Menschen mit und
ohne Handicap. Ob Anschaffung neuer Sportgeräte, Kleinbusse für den Fahrdienst
oder Honorare für Übungsleiter. Das alles funktioniert nur mit Spenden. „Doch
das Geld sitzt nicht mehr so locker und die Spendenfreudigkeit geht in den
letzten Jahren leider sehr nachgelassen“, sagt der Vereinsvorsitzende Alfred
Beyer. Er schätzt, dass das Spendenvolumen des VBGS in den letzten fünf Jahren
von jährlich 30 000
auf 20 000
Euro zurückgegangen ist..
Kirche
Die Kirchengemeinden sind soziale, geistliche und kulturelle
Ankerpunkte der Stadtgesellschaft. Sie leisten generationsübergreifend von der
Wiege bis zur Bahre Seelsorge und Sozialarbeit, unterhalten Gotteshäuser und
Gemeindezentren, die für viele Menschen wichtige Anlaufpunkte sind. Auch
jenseits ihrer Kirchtürme unterstützen Gemeinden mit ihren Spenden kirchliche
Entwicklungshilfeprojekte. Während sich Pfarrerin Annegret Cohen von der
Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim mit Blick auf die vergangenen
fünf Jahre über eine stabiles Spendenaufkommen von rund 130 000 Euro pro Jahr,
darunter Kollekten von rund 32 000
Euro, freuen kann, sanken die Erlöse aus Spenden, Sammlungen und Kollekten in
der katholischen Pfarrgemeinde St. Barbara zwischen 2011 und 2013 um 4,8 auf
zuletzt rund 46 000
Euro. Den Hauptgrund für diese Entwicklung sieht Pfarrer Manfred von
Schwartzenberg im demografischen Wandel, weil die Pfarrgemeinde viele alte und
besonders spendenfreudige Gemeindemitglieder durch den Tod verliert.
Partei
Der Schatzmeister der CDU, Werner Oesterwind, spricht von
einem stabilen Spendenniveau mit großen Schwankungen zwischen 8000 Euro und
maximal 25 000
Euro pro Jahr. Immer wieder stellt er fest, dass die Spendenbereitschaft in
Wahljahren besonders groß und in Jahren ohne Wahl ehergering ist. Angesichts
der Erstellung von Informationsmaterial, Wahlplakaten, Saalmieten und
Zeitungsanzeigen sieht er aber in Wahljahren auch einen erheblich höheren
Finanzbedarf der politischen Parteien.
Las Torres
Der Freundeskreis Las Torres unterstützt in der
venezulanischen Hauptstadt Caracas die Asociación Civil de Educación Integral
San Benito, einen Verein, der in drei Elendsvierteln in Caracas Zentren
unterhält, in denen 150 Klein- und Kindergartenkinder, Vorschul- und
Schulkinder vom ersten bis zum 14. Lebensjahr von 30 hauptamtlichen
Mitarbeitern betreut werden. Durch seine bundesweit gesammelten Spenden konnte
der Freundeskreis in den letzten Jahren zwischen 150 000 und 200 000 Euro für diese Sozial- und
Bildungsarbeit zur Verfügung stellen. „Wir können uns nicht beklagen und
profitieren von einem in 30 Jahren gewachsenen Vertrauensbonus, aber es wird
zunehmend schwieriger dauerhafte Fördermitglieder zu gewinnen, weil gerade
jüngere Menschen heute immer mehr in beruflich ungesicherten Verhältnissen
leben müssen, so dass wir langfristig mit einem Spendenrückgang rechnen
müssen,“ sagt die Sprecherin des Freundeskreises, Christel Schuck
KHTC
700 Mitglieder spielen on den 40 Mannschaften des
Kahlenberger Hockey- und Tennisclubs nicht nur Hockey und Tennis, sondern
betreiben auch Wassersport. Geschäftsführer Ulrich Grüneboom weiß, dass Spenden
vor allem dann fließen, wenn es um konkrete Projekte und insbesondere um die
Jugendarbeit geht. So konnte der KHTC sich 2011 über Spenden von 25 000 Euro und 2012
über Spenden von 13 000
Euro freuen, die halfen einen neuen Kunstrasenplatz anzulegen. 2013 gingen dann
allerdings nur rund 5000 Euro ein, von denen 3000 Euro in die Jugendarbeit
flossen.
Caritas
Seit 1920 hilft der katholische Sozialverband Menschen in
Not. Einzelfallhilfe, Erziehungsberatung und Unterstützung von Familien gehören
ebenso zu den Aktivitäten, wie die Förderung und Beschäftigung psychisch
kranker Menschen oder die Bildungs- und Sozialarbeit in der offenen
Ganztagsschule sowie mit und die Unterstützung und Integrationsförderung von
Zuwanderern. 2011 konnte die Caritas bei den von ihren ehrenamtlichen
Gemeindegruppen zweimal jährlich durchgeführten Spendensammlungen insgesamt 54 000 Euro einnehmen,
2012 waren es 57 000
Euro und 2013 59 000
Euro einnehmen.
Eine komprimierte Fassung dieses Textes erschien am 13. März 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung