Freitag, 21. März 2014

Rückblick: Als die Kommunalpolitik weiblich wurde: Vor 95 Jahren zogen die ersten Frauen in das Mülheimer Stadtparlament ein

Heute, da Mülheim von einer Oberbürgermeisterin und Nordrhein-Westfalen von einer Ministerpräsidentin aus Mülheim regiert wird, kann man sich Politik ohne Frauen gar nicht mehr vorstellen.

Doch als mit Luise Blumberg, Katharina Havermann und Maria Büssemeyer vor 95 Jahren die ersten drei Frauen ins Mülheimer Stadtparlament einzogen, war das eine Revolution. Denn erst die November-Revolution des Jahres 1918, die Deutschland am Ende des Ersten Weltkrieges von der Monarchie zur Republik werden ließ, verschaffte den Frauen das Wahlrecht.

Nach der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung im Januar 1919 war die Kommunalwahl vom 2. März 1919 die zweite Wahl, bei der nicht nur Mülheimer, sondern auch Mülheimerinnen wählen und gewählt werden konnten. Nicht nur das war damals neu, sondern auch das Wahlrecht. Es war damals zum ersten mal ein demokratisches und allgemeines Verhältniswahlrecht. Denn im Kaiserreich waren zumindest die preußischen Kommunal- und Landtagswähler noch in drei Steuerklassen eingeteilt wurden. Die wenigen Bürger in der ersten Steuerklasse stellten dabei ein Drittel der Stimmen, ebenso wie die überschaubare Zahl in der mittleren Steuerklasse und die Masse der volljährigen Männer in der dritten Steuerklasse. Das Gewicht einer Stimme war also nicht gleichwertig, sondern orientierte sich am Einkommen und an dem persönlichen Steueraufkommen. Das war natürlich ebenso ungerecht, wie der Ausschluss der Frauen.

Aber auch nach der ersten demokratischen Kommunalwahl der Weimarer Zeit, blieben die drei Ratsfrauen unter den damals insgesamt 72 gewählten Stadtverordneten eine fast verschwindende Minderheit. Außerdem fällt auf, dass bei der Kommunalwahl vom 2. März 1919 nur 37.057 von insgesamt 74.625 Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht auch Gebrauch machten. Wahlmüdigkeit und fehelendes Vertrauen in die politische Handlungskraft von Parteien waren also wohl schon damals ein Thema. Das Wahlergebnis vom 2. März 1919 brachte der SPD 19, dem Zentrum 18, der DVP 12, der KPD 9, der DNVP 8, der DDP 5 und der Wirtschaftsvereinigung 1 Stadtratsmandat

In seiner Eröffnungsrede vor dem neuen Stadtrat sagte der damalige Oberbürgermeister Paul Lembke unter anderem: "Meine Damen und Herren! So begrüße ich Sie heute, die neue Stadtverordnetenversammlung. Neu, wie die Versammlung, ist auch die Art es Grußes. Zum ersten Male habe ich die Ehre, neben den Herrn auch Damen in unserer Mitte willkommen zu heißen. Ich freue mich dessen und hoffe, dass Sie uns eine wertvolle Hilfe bei unserer Art der Arbeit sein werden, die wir zu leisten haben, sein werden." Und Lembke fügte mit Blick auf das neue Wahlrecht hinzu: "Die neuen Wahlen haben sich fast ausschließlich nach parteipolitischen Gesichtspunkten vollzogen.Möge es mir gestattet sein, dieser Tatsache gegenüber, den Wunsch zum Ausdruck zu bringen, dass unter den zu erwartenden parteipolitischen Auseinandersetzungen die Sache selbst niemals leiden möge.

Die damals 43-jährige Lehrerin Maria Büßemeyer, die ebenso, wie die Hausfrau Katharina Havermann für das katholische Zentrum in den Stadtrat einzog, war die erste Frau, die bei der konstituierenden Sitzung des Stadtparlamentes am 21. März 1919 das Wort ergriff. Leider hat die Mülheimer Zeitung nicht festgehalten, zu welcher Angelegenheit sie gesprochen hat. Die dritte Ratsfrau war damals Luise Blumberg. Die damals erst 29-jährige Krigerwitwe und zweifache Mutter wurde von der liberalen Deutschen Volkspartei ins Stadtparlament entsandt. Ihre Partei hatte am Wahltag in einer Zeitungsanzeige verkündet: "Achtung Frauen! Die Deutsche Volkspartei ist die einzige Partei, die eine Frau an aussichtsreicher Stelle ihrer Liste aufgestellt hat." Blumberg, die, wie Büssemeyer, bis 1929 dem Stadtrat angehörte, sollte 1932 auch in den rheinischen Provinziallandtag gewählt werden, ehe mit der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 die politische Mitwirkung der Frauen wieder zurückgedrängt werden sollte. Nach 1945 waren es dann die Christdemokratin Anni Seelbach und die Sozialdemokratin Luise Vosshagen, die als erste Frauen in den neuen demokratischen Stadtrat einziehen konnten.

Ab 1982 sollte dann mit der Sozialdemokratin Eleonore Güllenstern zum ersten Mal eine Oberbürgermeisterin an der Spitze der Stadt und des Rates stehen. Auch im Bundestag standen Frauen wie Gisela Praetorius und Helga Wex (beide CDU) oder Ulrike Flach (FDP in den Nachkriegsjahrzehnten für den berechtigten Anspruch der Frauen auf politische Teilhabe.

Lieder ist in den Unterlagen des Stadtarchives über die Stadtverordnete Katharaina Havermann gar nichts und über ihre beiden Kolleginnen auch nur sehr wenig überliefert. Von Blumberg ist bekannt, dass sie 1890 als Tochter des Kaufmanns Christian Becker und seiner Frau Gertrud Lindgens in Mülheim geboren wurde und hier 1907 ihren Abschluss an der Luisenschule machte, ehe sie 1909 den Juristen Ernst Blumberg heiratete, der bereits kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 fiel. Blumberg ist 1974 gestorben.

Ihr Kollegin Maria Büssemeyer wurde am 15. Januar 1876 in Soest geboren und kam 1904 als Lehrerin nach Mülheim, wo sie ihren Beruf bis 1936 ausübte, zuletzt als Konrektorin an der katholischen Volksschule an der Bruchstraße. Sie blieb unverheiratet und kinderlos und starb am 27. April 1973 in Mülheim.

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