Als ein Grundschulkind der 1970er Jahre kam ich schon
erheblich früher In den Genuss von Aufklärungsunterricht als meine älteren
Schwestern und deren Freundinnen. Umso spannender fanden sie, welche zumindest
theoretischen Detailkenntnisse über das Liebesleben ihr kleiner Bruder für
Details aus seinem anschaulich vermittelten Aufklärungsunterricht in der
aufgeklärten Schule der 1970er Jahre mit nach Hause brachte. Später, im
Gymnasium , lernte ich den Begriff der Aufklärung dann noch einmal von seiner
philosophischen Seite kennen. Die Frage: „Was ist Aufklärung?“, so las und
hörte ich, hatte der Königsberger Philosoph Immanuel Kant 1784 mit der Aufforderung
beantwortet: „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Gestern , im
Wartezimmer meines Zahnarztes wurde mir wieder einmal klar, wie Recht der alte
Kant hatte. Die Arzthelferinnen hatten es gut gemeint mit den Patienten und das
Fenster zur Straße weit geöffnet. Doch gut gemeint, ist nicht immer gut gemacht.
Denn plötzlich wehte eine so steife Brise durch das Wartezimmer, dass die
Patienten im Durchzug saßen und neben ihren Zahnschmerzen auch noch einen
steifen Hals zu bekommen drohten. Doch wir alle ertrugen unser Leid still und
duldsam. Bis ich auf die Idee kam, dass ich ja auch selbständig in der Lage sei,
das weit geöffnete Fenster zu schließen und auf Kippe zu stellen, so dass der
Durchzug abgeschaltet wurde. „Das ist wirklich eine gute Idee“, waren sich
meine Mit-Insassen im Wartezimmer einig. Da fiel mir der alte Kant wieder ein, der
seinen Zeitgenossen schon so manchen Zahn gezogen hatte. Und mir wurde klar, was
er damit gemeint hatte: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
Ich weiß zwar nicht, welchen Zahnarzt Immanuel Kant hatte, aber er seine
Erkenntnis kann auch heute für uns heilsam sein. Die beste Idee nutzt nichts, solange
sie niemand in die Tat umsetzt.
Dieser Text erschien am 31. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Mittwoch, 31. Juli 2019
Dienstag, 30. Juli 2019
Man lernt nie aus
Da staunt der Leser Bauklötze. Jetzt wissen wir, warum
unsere Schüler immer öfter und immer länger auf einer Baustelle lernen müssen,
um ihren Schulabschluss zu bauen. Von den Rahmenbedingungen in so manchem
Klassenraum, in dem Mülheim Schule macht, träumen die Damen und Herrn in den klimatisierten
und durchdigitalisierten Chefetagen noch nicht mal in ihren Albträumen.
Die Stadt würde gerne manchen abschreckenden Arbeitsplatz,
an dem Lehrer und Schüler fürs Leben lehren und lernen müssen, schneller in
einen menschenwürdigen und wertschätzenden Lernort verwandeln, an dem Lehrende
und Lernende gerne das Fundament unserer Zukunft bauen. Aber mitten in den
Sommerferien, die vor allem die baustellengeplagten Lehrer und Schüler der
Stadt als Auszeit von ihrer Schulbaustelle genießen, führte uns der gestrige
Bericht über die Ursachen der verzögerten Schulsanierungen ein Schulbeispiel
für die Baumängel unseres gemeinsamen Hauses Mülheim vor Augen.
Ausgerechnet der Fachkräftemangel, dem unter anderem in
unseren Schulen entgegengesteuert werden muss, verhindert, dass die von der
Stadt beauftragten und mit unseren Steuergeldern bezahlten Bau- und
Handwerksunternehmen die überfälligen Schulbaustellen schnell und preiswert
abarbeiten. Man braucht keinen Mathematik- oder Wirtschafts-Leistungskurs belegt
zu haben, um zu wissen, dass diese Rechnung für alle Beteiligten nicht aufgehen
und der Markt offensichtlich nicht alles regeln kann.
Denn je länger Schulen Baustellen bleiben, desto länger
müssen wir auf Fachkräfte und Steuerzahler warten. Und je länger die
kurzsichtige Gewinnmaximierung auf Kosten der Steuerzahler unsere Stadt weiter
in die Schuldenfalle treibt, desto weniger Steuergeld bleibt für uns alle
übrig, um unsere Stadt zum Schulbeispiel für eine lebenswerte und sympathische
Stadt zu machen. Das kann aber nur gelingen, wenn in der Stadt am Fluss alles im
Fluss bleibt, aber nicht alles den Bach hinuntergeht. Da wünscht man sich noch
während der Schulferien spontane Nachhilfestunden für alle, die in der
Verantwortung für die Baustellen unserer Gemeinde stehen und diese Lektion noch
lernen müssen.
Dieser Text erschien am 30. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Montag, 29. Juli 2019
Mülheim mediteran
Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir unsere Nachbarn
im Süden Europas immer etwas mitleidig und herablassend belächelt haben. Siesta
war das Schlüsselwort. Für uns Wirtschaftswunder-Deutsche Arbeitstiere war es
immer etwas seltsam, dass es Menschen gab, die Lebensfroh und ohne schlechtes
Gewissen existieren konnten, obwohl sie sich eine mehrstündige Mittagspause gönnten
und stattdessen abends länger arbeiteten. „Abends werden die Faulen fleißig“, sagt
ein Sprichwort. Doch ein anderes weiß es besser. Es mahnt den Spötter: „Beurteile
einen Menschen erst, wenn du einige Kilometer in seinen Schuhen gelaufen bist.“
Apropos laufen. An den heißen Tagen, die wir jetzt erlebten, war selbst die
natürlichste Form der Fortbewegung zuweilen eine Zumutung. Da blieb man lieber im
Schatten sitzen, wenn man ihn denn fand und tat am liebsten nichts. Und plötzlich
entdeckt man in seiner arbeitswütigen deutschen Seele so etwas wie Reue und
Verständnis, ob das eigenen Hochmutes vergangener Tage , als man 40 Grad im
Schatten nur vom Hörensagen her kannte. Jetzt müssen wir auf unserem heimischen
Teutonengrill unseren südlichen Nachbarn Abbitte tun und es ihnen gleichttun, um
über den heißen Tag zu kommen. Das fiel mir auch am Samstag auf, als ich eine
Familie sah, die ein Eis vom Italiener schleckte und ihre heißen Füße im feuchten
Nass des Rasche-Brunnens auf der Schlossstraße abkühlten. Sage noch einer, Kunst
im öffentlichen Raum sei Geldverschwendung und habe keinen Mehrwert für den
Alltag. Dem seligen Mülheimer Bildhauer Ernst Rasche, der sich auch von seinen
italienischen Kollegen inspirieren ließ, sei Dank. Vergelte es ihm Gott. Möge seine
edle Seele an einem wohltemperierten Ort jenseits von Zeit und Raum die ewige Glückseligkeit
genießen und zuweilen auf seinen seinen Brunnen an der Schloßstraße schauen und
sich über dessen handfesten Mehrwert freuen.
Dieser Text erschien am 29. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Dieser Text erschien am 29. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Sonntag, 28. Juli 2019
Geld für Gutes
Simone Silberberg strahlt Freundlichkeit und
Selbstbewusstsein aus. Mit ihren 51 Jahren steht die Mutter einer 18-jährigen
Tochter mit beiden Beinen im Leben. Seit Januar 2019 steht sie für die
Betreuung und Gewinnung von Fördermitgliedern für den Kreisverband des
Deutschen Roten Kreuzes.
Bevor Silberberg zum DRK kam, verdiente sie ihr Geld mit
Messepräsentationen und als Mitarbeiterin einer Versicherung. Marketing und
kaufmännisches Denken sind der Frau aus dem Ruhrgebiet also nicht fremd. Auch
die Herausforderungen des
Spendensammelns hat sie als ehrenamtliche Unterstützerin eines Tierheims
bereits kennen gelernt.
„Ich will dauerhaft etwas machen, was Sinn macht und
Menschen hilft“, erklärt Silberberg, warum sie sich auf eine
Stellenausschreibung für Betreuung der aktuell 5800 Fördermitglieder des
Mülheimer DRKs beworben hat. Schon als sie das Rote Kreuz nur von außen kannte,
war sie „tief beeindruckt von dem, was die Rettungskräfte des DRKs leisten.“
Inzwischen hat sie auch die Rettungshundestaffel des
Kreisverbandes kennen gelernt. „Ich habe höchsten Respekt vor der Arbeit, die
dort geleistet wird. Denn von meinen eigenen vier Hunden, weiß ich wie schwer
es ist, ihnen etwas so beizubringen, dass sie es auch verinnerlichen. Das macht
man nicht mal so eben. Da steckt viel Arbeit drin“, sagt Silberberg.
Was muss man eigentlich mitbringen, um im Dienst der guten
Sache an das Geld anderer Leute heranzukommen? „Ich habe keine Berührungsängste
und gehe gerne auf Menschen zu. Wenn man für andere Menschen offen ist, spüren
sie das und öffnen sich im Gespräch auch selbst“, weiß Silberberg. „Natürlich
sind nicht alle Menschen begeistert und freundlich, wenn ich sie auf eine
Spende oder eine Fördermitgliedschaft für das Rote Kreuz anspreche. Ich kann
das auch verstehen. Denn ich hole die Leute ja in der Regel unvermittelt aus
ihrem Alltag heraus, in dem sie mit ihren ganz eigenen Herausforderungen,
Problemen und Sorgen beschäftigt sind“, berichtet die einnehmende
DRK-Mitarbeiterin. Sie lässt sich nicht nur zu Messen und Vorträgen oder in die
Erste-Hilfe-Kurse einladen, um über den Sinn von Spenden und
Fördermitgliedschaften für den DRK-Kreisverband zu sprechen. Sie geht dafür
auch Klinken putzen, spricht auf der Straße Menschen wie dich und mich an oder
sucht Gewerbetreibende in ihren Unternehmen auf.
„Ich dränge meinen Gesprächspartnern nichts auf und ich
akzeptiere auch ein Nein. Aber wenn die Menschen sich erst mal auf ein Gespräch
über die vielen Hilfsdienste des Roten Kreuzes einlassen und wenn sie
begreifen, dass das DRK mehr ist als sein Blutspendedienst, dann sind sie auch
bereit über einen einmaligen oder dauerhaften Förderbeitrag in einer für sie
leistbaren Höhe nachzudenken“, beschreibt Silberberg ihre tägliche
Überzeugungsarbeit. Die macht sich für den Kreisverband und seine Dienste von
Rettungsdienst über die Wasserwacht, das DRK-Bürgerzentrum oder die
Kindertagesstätte Rettungszwerge und das
Jugendrotkreuz bis hin zum Menüservice oder dem Hausnotrufdienst bezahlt.
„Ich sage den Leuten immer“, so Silberberg: „Jeder braucht
in seinem Leben mal Hilfe. Aber diese Hilfe kommt nur dann, wenn es Menschen
gibt, die durch ihren haupt- und ehrenamtlichen Arbeitseinsatz oder durch ihre
finanzielle Unterstützung diese Arbeit heute, morgen und übermorgen möglich
machen.“
Aber Hand aufs Herz. Spenden und Fördermitgliedschaften. Ist
das nicht nur etwas für Besserverdienende? Silberberg lächelt. „Das ist
relativ“, sagt sie: „Natürlich gibt es viele Menschen, die selbst kein dickes
Konto haben und mit jedem Euro rechnen müssen. Aber wenn ich ihnen sage, dass
uns auch schon drei Euro pro Monat als Förderbeitrag oder eine einmalige Spende
weiterhelfen, werden viele doch nachdenklich. Denn sie sehen ein: Drei oder
fünf Euro pro Monat. Das kann jeder leisten. Das sind vielleicht eine Packung
Zigaretten oder eine Portion Pommes mit Currywurst!“
Wie steht es denn um die Spendenbereitschaft für das Rote
Kreuz in Mülheim? „Vor allem junge und ältere Menschen lassen sich auf eine
Spende oder eine Fördermitgliedschaft ansprechen. Die mittleren Jahrgänge tun
sich schwerer damit. Denn viele von ihnen haben selbst viele Verpflichtungen
oder leiden unter sozialen Abstiegsängsten, die ihre Spendenfreudigkeit heben“,
berichtet Silberberg.
Den Skeptikern aus dem gebeutelten Mittelbau der
Gesellschaft versucht sie Ängste vor einer unkontrollierbaren finanziellen
Zusatzverpflichtung durch dem Hinweis nehmen, „dass man eine
Fördermitgliedschaft für das DRK sofort und ohne Kündigungsfrist beenden kann
und das Spenden an das Rote Kreuz auch steuerlich über eine Spendenquittung
geltend gemacht werden können. Hinzu kommt, dass Fördermitglieder des
DRK-Kreisverbandes einen 30-prozentigen Rabatt auf ihre KFZ-Versicherung, einen
Rückholservice bei Unfällen im Ausland sowie eine Medical-Hotline, die bei
Arzt- oder Apotheken-Kontakten im Ausland hilft, in Anspruch nehmen können. Und
auch das lässt die Spendensammlerin des Kreisverbandes nicht unerwähnt: „Jeder
gespendete Euro bleibt bei uns in Mülheim und kommt damit der örtlichen Arbeit
des Roten Kreuzes zugute.“
Dieser Text erschien im Mai 2019 im Mülheimer DRK-Magazin
Samstag, 27. Juli 2019
Im Fegefeuer des Klimawandels
Es gibt noch Abenteuer, etwa bei 40 Grad Im Schatten in die
Nachbarstadt fahren. Eigentlich ist das nicht der Rede wert. Es sei denn, die
Deutsche Bahn hat mal wieder eine Großbaustelle und lässt ihre Fahrgäste auf
den Schienenersatzverkehr umsteigen. Die Hinweise, wo welcher Bus abfährt, sind
Glückssache. Außerdem fährt auch nicht jeder Schienenersatzverkehr dort lang, wo
die S Bahn entlangfährt, die der ersatzweise eingesetzte Bus eigentlich
ersetzen sollte. Da heißt es umsteigen und die Anschlusshaltestelle suchen. Eine
Schnitzeljagd ist nichts dagegen. Lautsprecherdurchsagen und plakative Hinweise
auf den Schienenersatzverkehr sind nur sparsam zu sehen und zu hören. Und der Fahrkartenautomat
will meinen ungebügelten Geldschein für die Fahrkarte partout nicht annehmen. Auch
die meisten Passanten verstehen beim Thema Schienenersatzverkehr nur Bahnhof. Gehen
Sie nicht über Los, sondern über das nächste Reiseinformationszentrum der
Deutschen Bahn und schauen sie dem nächsten Schienenersatzverkehr hinterher.
Warten in der Sonne, unter anderem mit gut gelaunten Biertrinkern,
hat schon was von All inclusive.
Freundliche Servicekräfte der Deutschen Bahn retten auf der
der letzten Etappe meines Heimweges im Schienenersatzverkehr die Ehre ihres
Arbeitgebers, indem sie an die wartenden und in der Sonne schwitzenden Fahrgäste
mit kleinen Wasserflaschen versorgen. Ein Prosit auch die gut bezahlten
Vorstände der Deutschen Bahn. Mögen sie in ihren Dienstwagen und in der ersten ICE-Klasse
immer unbeschadet an ihr Ziel kommen und das Unternehmen Zukunft nicht aufs Abstellgleis
manövrieren, damit wir alle gemeinsam auf der Spur bleiben und nicht
entgleisen, wenn es darum geht, dem Verkehrs- und Klimainfarkt zu entkommen und
nicht in der Klimahölle schmoren zu müssen.
Dieser Text erschien am 27. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Freitag, 26. Juli 2019
Aufgeräumte Ansichten
Man wünscht sich ein schönes Wochenende und wundert sich, was
dann auf einen zukommen kann. Mein Wochenende wurde vom Ausräumen eines Kellers
überschattet. Weil der Hauseigentümer In Kürze an einer tragenden Wand Hand
anlegen muss, musste ich in unserem Kellerraum schon jetzt Hand anlegen und ihn
räumen. Was da so alles an schon fast vergessenen Altlasten vom Dosenöffner über
diverses Spielzeug bis zu einem alten
Schlitten aus Kindertagen, zum Vorschein, kam machte mich ebenso nachdenklich wie
der Inhalt eines Kleiderschranks, aus dem ich längst und leider in alle
Richtungen herausgewachsen bin. Vieles, von dem, was inzwischen als Sperrmüll Staub
angesetzt hat, war einst Objekt des persönlichen Erwerbstriebes. Um das, was
jetzt in Müllsäcken und auf dem Sperrmüll landet, zu bekommen, wurden vor
Jahrzehnten Arbeit, Lebenszeit, Energie und Geld aufgewendet. Und jetzt sind
die früheren Wertgegenstände zu Staubfängern geworden, die sich nur noch mit
viel Zeit und Energie entsorgen oder im besten Falle verschenken lassen.
Die schweißtreibende Wochenendschicht als Kellerkind erinnerte
mich an einen Satz, den ich schon von meinen Großeltern gehört habe: Das letzte
Hemd hat keine Taschen. Wie wahr. Auch die materiellen Dinge, die wir heute heiß
begehren, werden über kurz oder lang zur Altlast und zum Sperrmüll, der
weggeräumt , entsorgt oder bestenfalls verschenkt werden muss. Das ist eine
Anekdote zur Senkung der Kauflaune, die uns schon heute klug machen sollte, nicht
zu viel Lebenszeit, Energie und Geld in Dinge zu investieren, deren
Halbwertszeit begrenzter ist, als wir das wahrhaben wollen. Denken wir deshalb
schon heute daran, dass die Lebenszeit und Energie, die wir in den Erwerb materieller
Dinge investieren, uns davon abhalten Energie, Geld und Lebenszeit Augen in die
Dinge zu investieren, die uns Lebensfreude bescheren und die dank unserer
Erinnerung kein Verfallsdatum kennen und deshalb auf keinen Sperrmüllhaufen unserer
Lebensgeschichte landen werden.
Dieser Text erschien am 15. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Donnerstag, 25. Juli 2019
Fleischlos in der Innenstadt
Die Nachricht schlug mir beim Samstagseinkauf auf den Magen.
Der Metzger meines Vertrauens, der mich schon als Knirps mit der einen oder
anderen Gratis-Scheibe Fleischwurst versorgt hat, schließt sein Fleischerei
Fachgeschäft an der Leineweberstraße zum Ende des Monats. Zum Abschied gab es
am Samstag schon mal vorab ein Küchenmesser. Doch den Fleischwurstkranz, dessen
Pelle man mit diesem Messer aufschneiden kann, muss ich als Eingeborener der
Innenstadt ab August woanders einkaufen. Mit dem Fleischereifachgeschäft Pieper
schließt zum Monatsende die letzte Metzgerei in der Innenstadt. Damit ist so
manches Dorf lebensmitteltechnisch besser aufgestellt als die City der
Großstadt Mülheim. Hinter der Theke hört man von den freundlichen Fleisch
Fleischereifachverkäuferinnen, die immerhin schon neue Arbeitsplätze außerhalb
der Mülheimer Innenstadt gefunden haben, dass das Umfeld nicht mehr gestimmt
habe. Das Straßenpflaster vor der Tür, auf dem selbst Hunde nur noch ungern auf
ihr Herrchen und sein Mitbringsel aus der Metzgerei warten, spricht Bände
davon, dass es für die Innenstadt und ihre Bewohner schon länger um die Wurst
geht.
Wenn uns Innenstädter künftig die Fleischeslust überkommt,
müssen wir also in den nächsten Supermarkt, der auch nicht immer eine Fleischtheke
im Angebot hat. Dann heißt es entweder: „Raus aus der Innenstadt!“ oder: „Welche
Packung darfs denn sein?“ Wer alt und nicht mehr mobil ist, muss als armes
Würstchen zu Hause bleiben und darauf hoffe, dass ihm ein freundlicher Hans
Wurst ein gutes Stück Fleisch von seiner Einkaufstour mitbringt. Ein
Pflaumen-August könnte auf die Idee kommen: Machen wir doch aus der Not eine
Tugend und werden Vegetarier oder noch besser: Wir legen in der Innenstadt
Äcker und Beete und bauen unsere Lebensmittel künftig selber an. Da wird für
das eine oder andere Schwein oder Rindvieh auch noch ein Platz frei sein. Urban
Gardening und Ferien auf dem Bauernhof liegen ja voll im Trend und sind zudem
noch co-2-neutral. Alle reden von der Klimawende. Wir machen sie.
Dieser Text erschien am 22. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Mittwoch, 24. Juli 2019
Günther Smend: Der Mülheimer an Stauffenbergs Seite
Auch ein Mülheimer gehörte zu den Männern des militärischen Widerstandes,
die sich um den Grafen von Stauffenberg versammelten, um Hitler am 20. Juli
1944 zu töten und damit den Krieg und die Diktatur zu beenden.
Günther Smend wurde 1912 in Trier geboren. Er wuchs zunächst
in Berlin und ab 1924 in Mülheim auf. Dorthin war sein Vater Julius, ein Hauptmann
und Berufsoffizier der Reichswehr, versetzt worden. Die Familie Smend wohnte im
Luisental 11, wo 2007 im Andenken an Günther Smend ein Stolperstein verlegt
wurde. Schon seit den frühen 1950er Jahren erinnert im Luisental ein „Mann in
Ketten“ als Mahnmal an alle Menschen, die wie Günther Smend Opfer der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden sind.
Sein Weg in den militärischen Widerstand begann nach der
militärischen Ausbildung in Detmold, Kampfeinsätzen in Russland und Frankreich
und dem Besuch der Berliner Kriegsakademie 1943 mit seiner Versetzung in den
Generalstab des Heeres. Dort diente Smend als Adjutant dessen Chef, dem
Generaloberst Kurt Zeitzler. Wie Stauffenberg und andere Generalstabsoffiziere,
teilte Zeitzler die Kritik an Hitlers Entscheidungen, wollte aber nicht so weit
wie sein Adjutant gehen. „Dies ist ein Nicht-Gespräch“, wies Zeitzler Smends
Versuch zurück, ihn zur Teilnahme am aktiven militärischen Widerstand zu
überzeugen. Auch wenn ihn sein Vorgesetzter nicht verriet, wurde Smends
Verbindung zu Stauffenberg und dessen Mitverschwören nach dem gescheiterten
Attentat vom 20. Juli 1944 offenkundig.
In der Nacht des 20. Juli rief Smend seine Frau Renate an,
die damals mit ihren Kindern Henriette (4), Rudolf (3) und Axel (4 Monate) in
Lüneburg lebte. Es war der letzte Kontakt zwischen den Eheleuten und Eltern. Am
1. August wurde Günther Smend als Mitwisser des Hitler-Attentates am Lerther
Bahnhof in Berlin verhaftet und am 30. August 1944 in einem Schauprozess vor
dem Volksgerichtshof zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil des
Blutrichters Roland Freisler wurde am 8. September 1944 im Berliner Gefängnis
Plötzensee vollstreckt.
Innere Kraft hatte Günther Smend während der Haft durch die
Lektüre des theologisch-philosophischen Gedichtbandes „Gedanken sind Kräfte „
gewonnen. In diesem Band hatte er unter anderem folgende Sätze unterstrichen: „Ich
habe einen guten Kampf gekämpft. Ich habe den Lauf vollendet. Ich habe Glauben
gehalten.“
Nach der Ermordung ihres Mannes musste Renate Smend alleine
für ihre Kinder sorgen. Immerhin gab es gute Menschen wie den Schweizer Arzt Albrecht
von Erlach, der die Kinder der 1944 hingerichteten Widerstandkämpfer während
der frühen Nachkriegsjahre zum Erholungsurlaub ins Berner Oberland einlud. Doch
es sollte bis zum Ende der 1950er Jahre dauern, bis sie die ihr zustehende
Witwen- und Waisenrente erhielt. Auch die Smends mussten noch in den 1950er Jahren
erleben, dass ihr Ehemann und Vater nicht als Held, sondern als Verräter
angesehen wurde. Das hat sich in der Erinnerung seines jüngsten Sohnes Axel
erst in den 1960er Jahren geändert, als immer mehr junge Menschen ihre Eltern
kritisch fragten: „Wo wart ihr damals und was habt ihr damals gemacht?“ Bei
einem Besuch an der Schule seines Vaters sagte der Berliner Rechtsanwalt Dr.
Axel Smend vor Otto-Pankok-Schülern: „Haben Sie Mut zur Verantwortung in einer
Zeit, in der es an extremistischen Verführern nicht fehlt.“ Und er zitierte den
studentischen Widerstandskämpfer Hans Scholl: „Nicht wir müssen etwas tun,
sondern ich muss etwas tun.“
Erbe und Erinnerung
Heute engagiert sich Günther Smends jüngster Sohn Axel als Kuratoriumsvorsitzender
der Stiftung 20. Juli 1944. Die Stiftung wurde 1949 von Angehörigen der
Widerstandskämpfer gegen Hitler ins Leben gerufen. Ging es in den ersten Jahren
vor allem um materielle Unterstützung der Hinterbliebenen und um die rechtliche
Rehabilitierung der Männer und Frauen des Widerstandes, so ist die Stiftung
heute zusammen mit der Bundesregierung und der Gedenkstätte Deutscher
Widerstand Mitveranstalter der alljährlichen Gedenkfeiern im Berliner Bendler-Block.
Außerdem bemüht sich die Stiftung mit Ausstellungen und Veranstaltungen Menschen
aus allen gesellschaftlichen Gruppen über den Widerstand gegen den
Nationalsozialismus zu informieren und damit das Eintreten für unsere
Demokratie und unseren Rechtsstaat zu fördern. Mehr Informationen gibt es im
Internet unter: www.stiftung-20-juli-1944.de
Dienstag, 23. Juli 2019
Mülheimer Christen im Widerstand
Auch in Müllheim unter dem Hakenkreuz
gab es Männer des Kreuzes, die die Frohe Botschaft der christlichen
Nächstenliebe ernst nahmen und dem Unrechtsregime Hitlers widerstanden.
Zu ihnen gehörten der 1870 geborene Präses
der katholischen Arbeiterbewegung in Westdeutschland (KAB), Dr. Otto Müller,
der 1896 geborene Styrumer Kaplan und Pfarrer Heinrich Küppers und der 1891
geborene evangelische Altstadtpfarrer Ernst Barnstein.
Otto Müller war als Sohn eines
katholischen Volksschullehrers in Heißen aufgewachsen und hatte 1889 am Mülheimer
Gymnasium an der Schulstraße sein Abitur bestanden. Danach studierte er Theologie,
Philosophie und Staatswissenschaften. Seine Doktorarbeit schrieb über die
christliche Arbeiterbewegung. Seine Arbeit als Priester war vom Einsatz für die
Rechte und die Bildung der Arbeiter geprägt. Schon als Kaplan sagte er: „Ich
will Jesus Christus in den Menschen heranbilden. Die Arbeiter brauchen keine
Caritas, sondern Gerechtigkeit.“ Zum Unwillen seines Bischofs, kritisierte der
„rote Kaplan“ das bis 1918 geltende preußische Dreiklassenwahlrecht, das den Stimmen
der reichen Wähler deutlich mehr Gewicht gab als den Stimmen der Armen. Als kritischer
Geist konnte Müller die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten nicht
hinnehmen und verschrieb sich dem aktiven Kampf gegen Hitler. Als Präses der
KAB schrieb MülIer 1938 an deren Mitglieder: „Wo keine Ehrfurcht vor Gott ist,
da kann auch keine Ehrfurcht vor allem sein, was Menschenanlitz trägt, nicht
Mitleid mit Armen, Kranken und Schwachen, nicht Gerechtigkeit gegen Jedermann,
und nicht jene Liebe, die du, Jesus, uns befohlen und vorgelebt hast, dem
Nächsten zu geben, was wir uns selbst an Glück und Wohlergehen wünschen. So
lass alle, die sich unsere Mitglieder nennen, in der Gemeinschaft, in der sie
mit mir stehen, frei bleiben vom Gift des gottentfremdeten Denkens.“ Vom Wort
schritt Müller zur Tat. Er traf sich 1943 mit dem Generaloberst Ludwig Beck und
mit dem ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl-Friedrich Goerdeler, die
nach einem geglückten Attentat auf Hitler Reichspräsident und Reichskanzler
werden sollten. Mit ihnen beriet Müller über eine Staatsordnung nach Hitlers
Sturz. Den Rat, aus Nazi-Deutschland zu fliehen, lehnte Müller ab. Er wollte
dazu beitragen, „das nationalsozialistische Unglück zu beenden.“
Seine gegen das Regime gerichteten
Aktivitäten blieben der Geheimen staatspolizei nicht unbekannt und so wurde er
nach dem Attentat auf Adolf Hitler im September 1944 verhaftet, in Berlin
inhaftiert und gefoltert. Blind und von der Haft gezeichnet starb er am 12.
Oktober 1944 im Berliner Polizeikrankenhaus.
Der Styrumer Kaplan, Jugendseelsorger
und spätere Styrumer Pfarrer, Heinrich Küppers hatte sich ab Mitte der 1930er
Jahre durch Regime kritische Äußerungen und Kritik an führenden NS-Funktionären
den Unwillen und die Inhaftierung durch die Geheime Staatspolizei zugezogen.
1944 führte ihn sein Leidensweg ins Konzentrationslager Dachau. Er überlebte das
Kriegsende, blieb aber von der Haft gezeichnet. Küppers starb 1955. Bei seiner Beisetzung
in Styrum sagte der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Salomon
Lifsches, über ihn: „Du hast im
Gefängnis täglich für uns gebetet. Dau hast für uns und für Häftlinge aus allen
Nationen noch in der Haft gesorgt, dass wir nicht verhungerten. Du hast uns,
bevor wir ins KZ überwiesen wurden, deinen priesterlichen Segen geschenkt. Du
warst ein wahrer Engel Gottes.“
Mehr Glück im Unglück hatte der zur regimekritischen
bekennenden Kirche gehörende
evangelische Altstadtpfarrer Ernst Barnstein. Auch er wurde von der geheimen Staatspolizei
inhaftiert, doch schon nach relativ kurzer Zeit wieder freigelassen, weil der Mülheimer
Gestapo Chef Karl Kolk seine schützende Hand über ihn hielt. Anders, als die
evangelischen Pfarrer, die sich zu den regimetreuen Deutschen Christen zählten,
prangerte Barnstein in seinen Predigten die Judenverfolgung und den Terror der
Nationalsozialisten an. Trotz Verbotes bildete er Vikare für die Bekennende
Kirche aus. Seine von der Bergpredigt inspirierte Jugendarbeit war ein Kontrastprogramm zur
nationalsozialistischen Erziehung. Was Barnstein neben der Sympathie Kolks
schützte, war seine enorme Popularität bei den Gemeindemitgliedern. Seine
Gottesdienste zogen zehnmal mehr Besucher in die Petrikirche als die der
Deutschen-Christen-Pfarrer. Aber auch Barnstein konnte nicht verhindern, dass
4600 der ursprünglich 35.000 Gemeindemitglieder zwischen 1933 und 1945 dem
nationalsozialistischen Zeitgeist folgten und ihrer Kirche den Rücken kehrten.
(T.E.)
In Memoriam
Der 1975 verstorbene Ernst Barnstein,
nach dem seit 1989 der Platz an der Petrikirche benannt ist, stand von 1946 bis
1961 als Superintendent an der Spitze des evangelischen Kirchenkreis an der
Ruhr. Damals konnte er den Wiederaufbau der 1943 zerstörten Petrikirche
miterleben und begleiten. In der Heißener Kirche St. Joseph erinnert seit 1963
ein von Maria Katzgrau gestaltetes Fest an den katholischen Widerstandskämpfer
Otto Müller. Im Oberhausener Teil Styrums gibt es einen nach Heinrich Küppers
benannten Weg.
Dieser Text erschien am 18. Juli 2019 in NRZ & WAZ
Montag, 22. Juli 2019
Drei Mülheimer gegen Hitler
20. Juli 1944: Das Attentat auf Adolf Hitler scheitert. Doch
dieser Versuch den deutschen Diktator zu stürzen, um Krieg und Gewaltherrschaft
zu beenden, bleibt zeitlos erinnernswert und identitätsstiftend. Die
Widerstandskämpfer um den Grafen von Stauffenberg stehen für ein besseres
Deutschland. Zu den Rund 5.000 Regimegegnern, die nach dem Attentat reichsweit
verhaftet wurden, gehörten auch die im März 1933 gewählten und im Juni 1933 von
der NS-Regierung abgesetzten Mülheimer Stadtverordneten Fritz Terres (KPD) und
Wilhelm Müller (SPD). Ihr Ratskollege Otto Gaudig von der KPD saß zum Zeitpunkt
des Attentats bereits in Haft und wurde im August 1944 wegen seiner Widerstandsaktivitäten
gegen die Hitler-Herrschaft zu acht Jahren Haft verurteilt. Terres, Müller und
Gaudig bezahlten ihren Kampf gegen Hitler mit dem Leben. Heute erinnert eine
Gedenktafel am Eingang zum Ratssaal an sie. Terres, Gaudig und Müller waren
Teil des politischen Widerstandes gegen die Nationalsozialisten, die nach ihrer
Machtübernahme mithilfe des greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und seiner
Notverordnungen die Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung abschafften, um
ihre Gegner ungehemmt verfolgen zu können. Kommunisten und Sozialdemokraten
gehörten zu den Hauptgegnern der Nationalsozialisten.
Waren die kommunistischen Stadtverordneten Terres und Gaudig
bereits nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 verhaftet und ins
Konzentrationslager Börgermoor gebracht worden, konnte ihr Ratskollege Wilhelm
Müller, damals Vorsitzender der SPD Fraktion, mit seinem Genossen am 30. März
1933 noch gegen die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an den Reichspräsidenten Paul
von Hindenburg und der Reichskanzler Adolf Hitler stimmen. Das verziehen ihm
die Nationalsozialisten nicht und setzten ihn wie Terres und Gaudig auf ihre
schwarze Liste.
Der 1907 geborene Terres, der 1878 geborene Gaudig und der
1890 geborene Müller waren gewerkschaftlich aktive Arbeiter und Handwerker. Müller
arbeitete von 1921 bis 1933 als hauptamtlicher Sekretär für den Deutschen Metallarbeiterverband.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutete für Müller, Gaudig und
Terres die Zerstörung ihrer politischen und bürgerlichen Existenz. Sie wurden in
Schutzhaft genommen, von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhört und
gefoltert. Ihre Arbeit als Gastwirt (Gaudig) und als Brotfahrer (Müller) war
für sie Broterwerb und Teil ihrer Widerstandsaktivitäten. Bis zu dessen
Zerschlagung im Jahr 1936 bewegten sie sich in einem Widerstandskreis, zu dem
Kommunisten, Sozialdemokraten und regimekritische Christen gehörten. Ihnen
allen war klar, dass der Nationalsozialismus für unser Land eine moralische
Katastrophe war. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verschärfte die GESTAPO die
Beobachtung der Regimegegner. Nachdem das Attentat auf Adolf Hitler gescheitert
war und sich die militärische Niederlage der Wehrmacht abzeichnete, wurden auch
Fritz Terres und Wilhelm Müller im Juli und August 1944 verhaftet. Zunächst im
Oberhausener Polizei Gefängnis inhaftiert, deportierte man sie von dort aus in
die Konzentrationslager Sachsenhausen-Oranienburg und Hamburg-Neuengamme. Der
Sozialdemokrat Wilhelm Müller machte den Fehler, sich in Neuengamme krank zu
melden. Das bedeutete seinen Tod durch unterlassene Hilfe, Gewalt und Hunger. Die
Todesursache Lungenentzündung, die Müllers Frau Margarete mitgeteilt wurde, war
eine Schutzbehauptung, keine Tatsache.
Vergeblich hatte Margarete Müller nach der Verhaftung ihres
Mannes in einem Brief an die SS-Dienststelle Düsseldorf geschrieben: „Ich
vertrete meinen Mann als Brotfahrer und trage damit zur Ernährung der
Bevölkerung bei. Mein Mann hat auch Bäckereien mit Brot beliefert deren Meister
eingezogen sind. Für unseren Sohn Willi, der seit zwei Jahren Frontkämpfer ist,
ist es niederdrückend, seinen Vater in Schutzhaft zu wissen Ich bitte dies zu
würdigen und meinen Mann schnellstmöglich zu entlassen.
Wilhelm Müller hatte noch wenige Wochen vor seinem Tod im
Konzentrationslager Neuengamme an seine Frau und seinen Sohn Willi, der von
1965 bis 1980 für die SPD im Bundestag sitzen sollte, geschrieben „Ich muss den
Weg gehen, den das Schicksal mir vorschreibt. Aber ich bin überzeugt, dass wir
uns wiedersehen. Ich habe manche Härte überwunden und gebe die Hoffnung nicht
auf. Ich glaube fest daran, dass du (Willi) uns gesund und munter nach Hause kommst. Dann
wird das große Europa und die neue Welt gebaut. Und dabei werden wir ein
gewichtiges Wort mitreden. Denn siegen werden nur wir.“
Auch der am 20. Juli verhaftete Fritz Terres erlebte das
Ende des Zweiten Weltkrieges nicht. Er wurde am 10. April 1945 Opfer eines Luftangriffs
auf das Konzentrationslager Sachsenhausen. Wenige Tage danach wurde sein Genosse
Otto Gaudig mit 70 anderen Inhaftierten bei Langenfeld von SS-Einheiten erschossen
und in einem Markt Massengrab verscharrt.
Dieser Text erschien am 16. Juli 2019 in NRZ & WAZ
Sonntag, 21. Juli 2019
Pflege nimmt Politik unter die Lupe
Die Pflegestärkungsgesetze des Bundes haben die Realität in den Pflegeheimen nicht verbessert. Darin waren sich rund 30 Führungs- und Fachkräfte der Mülheimer Pflegeheime mit ihrem Referenten, dem Hamburger Sozialrechts-Professor und Rechtsanwalt Roland Richter einig.
Bei einer Fachtagung ihrer Arbeitsgemeinschaft im Haus Ruhrgarten kritisierte Roland Richter nicht nur die verantwortlichen Gesundheits- und Sozialminister des Bundes und der Länder, sondern auch die „nicht funktionierende Rückkopplung“ zwischen den Spitzenfunktionären der Berufsfachverbände und den Praktikern in den Pflegeheimen.
Bei einer Fachtagung ihrer Arbeitsgemeinschaft im Haus Ruhrgarten kritisierte Roland Richter nicht nur die verantwortlichen Gesundheits- und Sozialminister des Bundes und der Länder, sondern auch die „nicht funktionierende Rückkopplung“ zwischen den Spitzenfunktionären der Berufsfachverbände und den Praktikern in den Pflegeheimen.
Finanzierung aus einer Hand
Viel wäre aus Sicht des Hamburger Pflegerechtsexperten gewonnen, wenn die Pflegedienstleistungen nicht aus diversen Budgets über Landschaftsverbände, Bezirksämter und Sozialämter, sondern einheitlich durch den Bund finanziert würde. „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen“, sagt Richter mit Blick auf die Auswirkungen der Pflegestärkungsgesetze auf die stationäre und ambulante Pflege. Er plädiert für eine Pflegeversicherung im Rahmen einer umfassenden gesetzlichen Krankenversicherung. Auch die Tatsache, dass Pflegekräfte in der ambulanten Pflege im Durchschnitt 20 Prozent weniger verdienen als ihre Kollegen in den stationären Pflegeeinrichtungen, würde er als Bundesgesundheitsminister revidieren. „Diese Einkommensschere muss weg“, sagt er. Unabhängig von der Frage, ob die in der Altenpflege gebrauchten Fachkräfte auf dem deutschen oder internationalen Markt zu bekommen sind, weist Richter darauf hin, dass das Schließen der Personallücke in der stationären Pflege in Deutschland bis zu 5 Milliarden Euro kosten würde.
Auch auf die Basis hören
Den Gesundheits- und Sozialministern des Bundes und der Länder rät der Jurist, sich nicht nur von sogenannten Pflegeexperten aus den Chefetagen der Fachverbände, sondern auch von Leuten aus der Pflegepraxis beraten zu lassen. Mit welcher Bürokratie die Pflegekräfte in den Pflegeheimen von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten werden, macht sein Parforceritt durch die 400-seitige Pflegedokumentation deutlich.
Der Geronto-Psychiater, Helmut Schaffert, der die Arbeiterwohlfahrt in Fragen der Altenpflege berät, sieht das Grundproblem darin, „dass der tatsächliche Zeit- und Arbeitsaufwand in der Pflege in ihrer auf den fünf Pflegraden basierenden Finanzierung nicht abgebildet wird.“ Er könnte sich auch eine steuerfinanzierte Pflege vorstellen wie sie in Dänemark bereits praktiziert wird.
Pflegefachlehrer fehlen
„Positiv überrascht“ ist der Leiter der Bildungsakademie für pflege Berufe des Kreises Mettmann, Bodo Keißner-Hesse davon, „dass immer noch so viele junge Leute positiv und mit voller Überzeugung trotz der schwierigen Rahmenbedingungen in die Altenpflege gehen.“ Er weist darauf hin, dass es zurzeit nicht nur einen Mangel an Pflegefachkräften sondern auch an Pflegefachlehrern gibt. Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen, laut Keißner-Hesse, aktuell 770 Pflegefachlehrer. Dieser Mangel führe dazu, so Keissner-Hesse, derzeit stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Altenpflege, dass 15.000 Bewerber für den Altenpflegeberuf gar nicht ausgebildet werden könnten. Die Folge: Trotz eines akuten Fachkräftemangels in der Altenpflege hat Keißner-Hesses Bildungsakademie eine Warteliste, auf der bisher noch nicht berücksichtigte Bewerber stehen. Ebenso wie Roland Richter, sieht Keißner-Hesse die ab 2020 greifende Generalisierung der Pflegeausbildung sehr skeptisch: „Wir werden an Breite gewinnen, aber an Tiefe verlieren“, fürchtet er. In diesem Zusammenhang macht der Sozialrechts Professor Richter deutlich, dass die von der Bundesregierung versprochen 13.000 Pflegekräfte noch lange nicht in der Praxis angekommen sind. Seine Blitz-Umfrage unter den 50 anwesenden Altenpflege-Führungs- und Fachkräften macht das deutlich. Nur eine Hand geht nach oben, als er danach fragt, welche Pflegeeinrichtung denn schon eine der 13.000 neuen Altenpflegefachkraftstellen habe einstellen können. Helmut Schaffert erklärt diese Tatsache mit dem ungemein aufwendigen Antragsverfahren, das viel zu viel Zeit von Altenpflegefachkräften binde.
Der Personalschlüssel entscheidet
Professor Richter macht deutlich, dass die Schaffung neuer Stellen nicht ausreicht, wenn nicht auch der Personalschlüssel an die praktischen Bedürfnisse der Altenpflege angepasst werde. „So werden zusätzliche Kräfte in der nächtlichen Betreuung der Pflegeheimbewohner kontraproduktiv auf den Personalschlüssel der Tagesbetreuungskräfte angerechnet, so dass am Ende kein wirklicher Gewinn für die Einrichtung und ihre Bewohner bleibt.“
Dieser Text erschien am 17. Juli 2019 im Lokalkompass der Mülheimer Woche
Samstag, 20. Juli 2019
Reif für Olympia
Eigentlich sind Mutter und ihre Altersgenossen aus der
Generation Uhu (U 100) reif für Olympia. Denn wenn sie mit dem Rollator, an
Krücken oder im Rollstuhl in der Mülheimer Innenstadt unterwegs sind, ist das
der reinste Hindernislauf. Da kann man nicht einfach, immer der eigenen Nase
nach, gerade aus gehen, humpeln oder rollen wie einem gerade der Sinn steht. Da
muss man schon mit einiger Energie und Kondition eine Hürde nach der nächsten
nehmen oder wie beim Slalom geschickte Haken schlagen. Hier ein aufgeplatztes Schlagloch,
dort eine unvorhergesehene Bodenwelle, hier ein Plakatwerbeständer, dort ein Kleiderständer,
hier ein Rollwagen mit ausgelegten Sonderangeboten, dort vergessene Hausmülleimer
oder Sperrmüllhaufen. Zu den immobilen kommen natürlich die mobilen Hindernisse,
die beim täglichen Mehrkampf in der City einkalkuliert werden müssen.
„Ist das denn nicht mehr die Fußgängerzone? Dürfen die hier
alle fahren?“ hörte ich gestern eine alte, am Stock gehende, Dame zu ihrer
Begleiterin sagen, als sie sich auf dem immer anspruchsvoller werdenden
Military-Parcours an der Leineweberstraße von zwei Lieferwagen, einer Taxe und einem
Fahrrad eingekesselt sah. Da fehlte nur noch ein E-Roller, um den Mobilitätsmix
komplett zu machen.
Die alte Dame war heilfroh, als sie die Sitzgarnitur des nächsten
Straßencafés schadlos erreichte und sich dort für den Rest ihres Heimwegs mit
einer Tasse Kaffee dopen konnte. Sollte Olympia im Ruhrgebiet irgendwann mal Wirklichkeit
werden, sollte sich die Mülheimer Innenstadt unbedingt für den noch
einzuführenden Mehrkampf im Senioren-Military- Mehrkampf bewerben. Motto: Nur die
Harten kommen in den Garten oder an die Ruhr. Auch abseits von Olympia könnte Mülheim
in dieser Sportart das werden, was heute Hawai und sein Wettkampf um den Ironman
für die Triathleten ist.
Dieser Text erschien am 20. Juli in der Neuen Ruhrzeitung
Freitag, 19. Juli 2019
Papier ist geduldig
Ausgerechnet beim Radiohören ging mir gestern auf, wie gut es
ist, dass es immer noch eine gedruckte Zeitung gibt. In jüngster Zeit habe ich
den Eindruck, dass die Kollegen vom Funk wie von der Tarantel gestochen sind. Vor
allem in die Reporter, die von der Börse und vom Tagessport berichten, aber
nicht nur die , werden immer schneller. Selbst als normal hörender Mensch fällt
es einem immer schwerer, ihrer Informationsraserei zu folgen. Vielleicht hat es
damit zu tun, das gerade im Sport und an der Börse oft Sekunden zählen, die über
Sieg oder Niederlage beziehungsweise über Gewinn oder Verlust entscheiden.
Kaum hat man sich als geneigter Frühstückshörer zwischen
Kaffee, Brötchen, Wurst und Marmelade auf
eine Nachricht eingelassen, kommt auch schon die nächste wie aus der Pistole
geschossen. Und am Ende weiß man gar nicht mehr recht, was man überhaupt gehört
hat. Hinzu kommt, dass Fußballvereine, siehe Borussia Dortmund, inzwischen ja
auch als Aktiengesellschaften an der Börse notiert sind. Man sieht: Auch der
Sport ist schon lange nicht mehr die reine Freude. Auch auf seinem Spielfeld
geht es um knallharte Gewinne und Verluste in Euro, Dollar und Cent. Na, dann: Hals
und Beinbruch. Da bin ich als Zeitgenosse, der das digitale Zeitalter noch aus der
Perspektive eines noch im analogen Steinzeitalter aufgewachsenen Menschen erlebt,
doch ganz froh, dass ich bei meinen täglichen Nachrichten, die mir nicht nur morgens
aufs Butterbrot geschmiert werden, nicht allein von den flüchtigen Funker abhängig
bin, sondern alles noch einmal in Ruhe in meiner Zeitung nachlesen kann. Papier
ist eben geduldig und verträgt auch den ein oder anderen Kaffee oder Fettfleck.
So schön langsam kann eine Zeitreise ins analoge informationszeitalter sein.
Dieser Text erschien am 19. Juli 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Donnerstag, 18. Juli 2019
Mülheim macht Berlin was vor
Wer hätte das gedacht? Die Mülheimer Sozialdemokratie ist
ihrer Bundespartei voraus. Während sich die Genossen auf der Bundesebene noch
winden wie ein Aal, um eine Frau, einen Mann oder beides zu finden, um die
Sozialdemokratie aus ihrer Existenzkrise herauszuführen, haben die Mülheimer Genossen
mit der Europaparlaments-Kandidatin Sina Breitenbruch-Tiedtke und dem Stadtverordneten
Rodion Bakum gleich zwei vielversprechende politische Talente, die sich um den
Vorsitz der ebenfalls nicht gerade erfolgsverwöhnten Mülheimer SPD bewerben. Vielleicht
sollten sich die beiden ja sogar zu einem Tandem zusammentun, um die alte Tante
SPD wieder flott zu bekommen.
In den Zeiten von Fridays for Future, in denen die Jungen in Sachen Klimawandel und Energiewende nicht
nur den altvorderen Genossen Beine machen, ist es ein demografischer Wandel der
besonderen Art, dass es jetzt ausgerechnet ganz junge Mülheimer Genossen sind, die
ihre alte Partei aus der Krise führen wollen. Zwei so entschlossene Frontleute würden
sich ihre Bundes-Genossen in Berlin auch wünschen. Die Feststellung des
vormaligen SPD Chefs Franz Müntefering: „SPD Vorsitzender, das ist das schönste
Amt neben dem Papst“, klingt angesichts der aktuellen Lage der ältesten
deutschen Partei wie eine Anekdote aus anno dazumal.
Aber vielleicht müssen ja gerade in solchen Krisenzeiten, in
denen es auch darum geht alten Ballast abzuwerfen, die ganz Jungen ran, die
weniger belastet sind von den Fehlern und Vorurteilen der Vergangenheit. Apropos
Papst und SPD. Vielleicht würde ja auch der Katholischen Kirche mal eine
Doppelspitze aus vergleichsweise jungen Leuten ganz gut tun, um in die Zukunft
aufzubrechen und nicht in den Schatten Der Vergangenheit hängen zu bleiben. Aber
ich befürchte, dass das angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der römischen
Kurie bis auf weiteres so unwahrscheinlich ist wie die Möglichkeit, dass die SPD
beim bekanntermaßen Kapitalismus-kritischen Papst Franziskus anfragt, ob er
nicht neben seinen Papstamt auch das, laut Franz Müntefering, zweitschönste Amt
der Welt übernehmen möchte. Die Genossen könnten ja vielleicht schon mal mit Beten
reinhängen. Das kann nie schaden.
Dieser Text erschien am 18. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Mittwoch, 17. Juli 2019
Unter Strom
Es gibt Berichte, die würde man gerne auch im Mülleimer
Lokalteil lesen. So ging es mir gestern, als ich einen Bericht über die plötzliche
Renaissance des Siemens-Standortes Görlitz las. Dort wurde rechtzeitig vor der
sächsischen Landtagswahl der Startschuss für einen Innovationscampus in Sachen
erneuerbare Energietechnologie gegeben, der unter anderem mit einer Investition
von 30 Millionen Euro und der Schaffung von 100 neuen Arbeitsplätzen verbunden
ist.
Außerdem soll die Stadt an der Neiße, deren Siemns-Standort
vor zwei Jahren noch vor der Schließung stand, mit seinen über 1.000 Arbeitsplätzen
Hauptstandort für die Turbinen-Produktion werden. Man ist geneigt, frei nach
Goethe zu sagen: „Sachsen, du hast es besser!“
Vom Mülheimer Siemnes-Standort
musste man zuletzt leider gegenteiliges lesen. Angesichts von fast 600 der
insgesamt 4500 Mülheimer Siemens-Arbeitsplätzen, die bis 2023 in der Stadt an
der Ruhr wegrationalisiert werden sollen, bleibt uns hier im Westen, wo wir nicht
nur die Starrampe für den Aufbau Ost waren, einstweilen nur das Prinzip
Hoffnung.
Aber die politischen und wirtschaftlichen Kraftmeier und Netzwerker
tun gut daran, bei der Energiewende auch das Ruhrgebiet der einst 1000 Feuer
nicht zu vergessen. Denn auch hier kommen die nächsten Wahlen ganz bestimmt und
dann wollen die Menschen nicht nur in unserer Stadt an der Ruhr und bei Siemens
eine ehrliche Energiewende-Perspektive sehen, die von Menschen nicht nur
bezahlt, sondern auch von ihnen selbst mit Maschinenkraft bewerkstelligt wird.
Wenn Zukunftsmusik wie die des Energie-Spitzen-Clusters Ruhr oder eines
Zentrums für Energiewendetechnik am Ende nicht mit Leben und Jobs gefüllt wird,
könnten so manche kühlen Strategen mit ihren hochfliegenden Energiewende-Visionen
hart auf dem Boden der Tatsachen landen und mehr Feuer unter ihrem
Allerwertesten gemacht bekommen als uns allen lieb sein kann.
Dieser Text erschien am 16. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
Dienstag, 16. Juli 2019
Hast du Töne?
Mit Musik geht alles besser. So sagt man. Als Schüler machte
ich meine Hausaufgaben auch gerne unter den entspannenden Klängen klassischer
Musik, wenn meine Motivation und geistige Spannkraft nachzulassen drohten. Im
Fach Mathematik konnte mich aber auch die schönste Symphonie nicht in die Leichtigkeit
des Seins versetzen und meinen Geist auf das hohe C bringen. Mathematik, ob
daheim oder in der Schule, war für mich stets ein Trauermarsch oder bestenfalls
ein Kriminaltango. Heute lassen es Schüler bei der musikalischen Begleitung nicht
mehr mit Musik in den eigenen 4 wänden bewenden. Sie lassen sich via Smartphone
und Kopfhörer auch unterwegs, zu Fuß, auf dem Fahrrad oder in der Straßenbahn beschallen.
Den Höhepunkt der musikalischen Ausgelassenheit erlebte ich jetzt in einem Mülheimer
Fachmarkt für Unterhaltungselektronik. Dort nutzten Schüler ihre Schulferienfreizeit
dafür, um sich die Neuheiten auf dem Audio- und Hifi-Markt nicht nur
anzuschauen, sondern die Probe aufs Exempel zu machen. Sie drehten eine
Musikanlage gleich soweit auf, das allen Verkäufer und Kunden das Hören und Sehen
verging und legten passend zum Sound ihrer Wahl zwischen den Regalen eine kesse
Sohle aufs Parkett.
Auch ihre sehenswerte Tanzeinlage, die zweifellos
Unterhaltungswert hatte, konnte einen erstaunlich dynamisch aus der Tiefe des
Raumes heranspurtenden Verkäufer nicht daran hindern, ihr lautstarkes Gastspiel
mit einem Platzverweis und einigen schroffen Missklängen zu einem Finale
Infernale zu bringen.
Die so gescholtenen Schüler zogen sich denn auch piano
zurück und mussten auch in den Schulferien eine Lektion lernen, die da heißt: Ohne
Moos ist nichts los. Und wo du nicht bist Herr Jesus Christ, da schweigen alle Flöten,
ganz zu schweigen von der Unterhaltungselektronik, die nur den unterhält und
zum Tanzen bringt, der vorher die Kassen hat klingeln lassen. Der Rest ist Schweigen.
Dieser Text erschien am 16. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
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