20. Juli 1944: Das Attentat auf Adolf Hitler scheitert. Doch
dieser Versuch den deutschen Diktator zu stürzen, um Krieg und Gewaltherrschaft
zu beenden, bleibt zeitlos erinnernswert und identitätsstiftend. Die
Widerstandskämpfer um den Grafen von Stauffenberg stehen für ein besseres
Deutschland. Zu den Rund 5.000 Regimegegnern, die nach dem Attentat reichsweit
verhaftet wurden, gehörten auch die im März 1933 gewählten und im Juni 1933 von
der NS-Regierung abgesetzten Mülheimer Stadtverordneten Fritz Terres (KPD) und
Wilhelm Müller (SPD). Ihr Ratskollege Otto Gaudig von der KPD saß zum Zeitpunkt
des Attentats bereits in Haft und wurde im August 1944 wegen seiner Widerstandsaktivitäten
gegen die Hitler-Herrschaft zu acht Jahren Haft verurteilt. Terres, Müller und
Gaudig bezahlten ihren Kampf gegen Hitler mit dem Leben. Heute erinnert eine
Gedenktafel am Eingang zum Ratssaal an sie. Terres, Gaudig und Müller waren
Teil des politischen Widerstandes gegen die Nationalsozialisten, die nach ihrer
Machtübernahme mithilfe des greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und seiner
Notverordnungen die Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung abschafften, um
ihre Gegner ungehemmt verfolgen zu können. Kommunisten und Sozialdemokraten
gehörten zu den Hauptgegnern der Nationalsozialisten.
Waren die kommunistischen Stadtverordneten Terres und Gaudig
bereits nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 verhaftet und ins
Konzentrationslager Börgermoor gebracht worden, konnte ihr Ratskollege Wilhelm
Müller, damals Vorsitzender der SPD Fraktion, mit seinem Genossen am 30. März
1933 noch gegen die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an den Reichspräsidenten Paul
von Hindenburg und der Reichskanzler Adolf Hitler stimmen. Das verziehen ihm
die Nationalsozialisten nicht und setzten ihn wie Terres und Gaudig auf ihre
schwarze Liste.
Der 1907 geborene Terres, der 1878 geborene Gaudig und der
1890 geborene Müller waren gewerkschaftlich aktive Arbeiter und Handwerker. Müller
arbeitete von 1921 bis 1933 als hauptamtlicher Sekretär für den Deutschen Metallarbeiterverband.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutete für Müller, Gaudig und
Terres die Zerstörung ihrer politischen und bürgerlichen Existenz. Sie wurden in
Schutzhaft genommen, von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhört und
gefoltert. Ihre Arbeit als Gastwirt (Gaudig) und als Brotfahrer (Müller) war
für sie Broterwerb und Teil ihrer Widerstandsaktivitäten. Bis zu dessen
Zerschlagung im Jahr 1936 bewegten sie sich in einem Widerstandskreis, zu dem
Kommunisten, Sozialdemokraten und regimekritische Christen gehörten. Ihnen
allen war klar, dass der Nationalsozialismus für unser Land eine moralische
Katastrophe war. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verschärfte die GESTAPO die
Beobachtung der Regimegegner. Nachdem das Attentat auf Adolf Hitler gescheitert
war und sich die militärische Niederlage der Wehrmacht abzeichnete, wurden auch
Fritz Terres und Wilhelm Müller im Juli und August 1944 verhaftet. Zunächst im
Oberhausener Polizei Gefängnis inhaftiert, deportierte man sie von dort aus in
die Konzentrationslager Sachsenhausen-Oranienburg und Hamburg-Neuengamme. Der
Sozialdemokrat Wilhelm Müller machte den Fehler, sich in Neuengamme krank zu
melden. Das bedeutete seinen Tod durch unterlassene Hilfe, Gewalt und Hunger. Die
Todesursache Lungenentzündung, die Müllers Frau Margarete mitgeteilt wurde, war
eine Schutzbehauptung, keine Tatsache.
Vergeblich hatte Margarete Müller nach der Verhaftung ihres
Mannes in einem Brief an die SS-Dienststelle Düsseldorf geschrieben: „Ich
vertrete meinen Mann als Brotfahrer und trage damit zur Ernährung der
Bevölkerung bei. Mein Mann hat auch Bäckereien mit Brot beliefert deren Meister
eingezogen sind. Für unseren Sohn Willi, der seit zwei Jahren Frontkämpfer ist,
ist es niederdrückend, seinen Vater in Schutzhaft zu wissen Ich bitte dies zu
würdigen und meinen Mann schnellstmöglich zu entlassen.
Wilhelm Müller hatte noch wenige Wochen vor seinem Tod im
Konzentrationslager Neuengamme an seine Frau und seinen Sohn Willi, der von
1965 bis 1980 für die SPD im Bundestag sitzen sollte, geschrieben „Ich muss den
Weg gehen, den das Schicksal mir vorschreibt. Aber ich bin überzeugt, dass wir
uns wiedersehen. Ich habe manche Härte überwunden und gebe die Hoffnung nicht
auf. Ich glaube fest daran, dass du (Willi) uns gesund und munter nach Hause kommst. Dann
wird das große Europa und die neue Welt gebaut. Und dabei werden wir ein
gewichtiges Wort mitreden. Denn siegen werden nur wir.“
Auch der am 20. Juli verhaftete Fritz Terres erlebte das
Ende des Zweiten Weltkrieges nicht. Er wurde am 10. April 1945 Opfer eines Luftangriffs
auf das Konzentrationslager Sachsenhausen. Wenige Tage danach wurde sein Genosse
Otto Gaudig mit 70 anderen Inhaftierten bei Langenfeld von SS-Einheiten erschossen
und in einem Markt Massengrab verscharrt.
Dieser Text erschien am 16. Juli 2019 in NRZ & WAZ
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