Auch in Müllheim unter dem Hakenkreuz
gab es Männer des Kreuzes, die die Frohe Botschaft der christlichen
Nächstenliebe ernst nahmen und dem Unrechtsregime Hitlers widerstanden.
Zu ihnen gehörten der 1870 geborene Präses
der katholischen Arbeiterbewegung in Westdeutschland (KAB), Dr. Otto Müller,
der 1896 geborene Styrumer Kaplan und Pfarrer Heinrich Küppers und der 1891
geborene evangelische Altstadtpfarrer Ernst Barnstein.
Otto Müller war als Sohn eines
katholischen Volksschullehrers in Heißen aufgewachsen und hatte 1889 am Mülheimer
Gymnasium an der Schulstraße sein Abitur bestanden. Danach studierte er Theologie,
Philosophie und Staatswissenschaften. Seine Doktorarbeit schrieb über die
christliche Arbeiterbewegung. Seine Arbeit als Priester war vom Einsatz für die
Rechte und die Bildung der Arbeiter geprägt. Schon als Kaplan sagte er: „Ich
will Jesus Christus in den Menschen heranbilden. Die Arbeiter brauchen keine
Caritas, sondern Gerechtigkeit.“ Zum Unwillen seines Bischofs, kritisierte der
„rote Kaplan“ das bis 1918 geltende preußische Dreiklassenwahlrecht, das den Stimmen
der reichen Wähler deutlich mehr Gewicht gab als den Stimmen der Armen. Als kritischer
Geist konnte Müller die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten nicht
hinnehmen und verschrieb sich dem aktiven Kampf gegen Hitler. Als Präses der
KAB schrieb MülIer 1938 an deren Mitglieder: „Wo keine Ehrfurcht vor Gott ist,
da kann auch keine Ehrfurcht vor allem sein, was Menschenanlitz trägt, nicht
Mitleid mit Armen, Kranken und Schwachen, nicht Gerechtigkeit gegen Jedermann,
und nicht jene Liebe, die du, Jesus, uns befohlen und vorgelebt hast, dem
Nächsten zu geben, was wir uns selbst an Glück und Wohlergehen wünschen. So
lass alle, die sich unsere Mitglieder nennen, in der Gemeinschaft, in der sie
mit mir stehen, frei bleiben vom Gift des gottentfremdeten Denkens.“ Vom Wort
schritt Müller zur Tat. Er traf sich 1943 mit dem Generaloberst Ludwig Beck und
mit dem ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl-Friedrich Goerdeler, die
nach einem geglückten Attentat auf Hitler Reichspräsident und Reichskanzler
werden sollten. Mit ihnen beriet Müller über eine Staatsordnung nach Hitlers
Sturz. Den Rat, aus Nazi-Deutschland zu fliehen, lehnte Müller ab. Er wollte
dazu beitragen, „das nationalsozialistische Unglück zu beenden.“
Seine gegen das Regime gerichteten
Aktivitäten blieben der Geheimen staatspolizei nicht unbekannt und so wurde er
nach dem Attentat auf Adolf Hitler im September 1944 verhaftet, in Berlin
inhaftiert und gefoltert. Blind und von der Haft gezeichnet starb er am 12.
Oktober 1944 im Berliner Polizeikrankenhaus.
Der Styrumer Kaplan, Jugendseelsorger
und spätere Styrumer Pfarrer, Heinrich Küppers hatte sich ab Mitte der 1930er
Jahre durch Regime kritische Äußerungen und Kritik an führenden NS-Funktionären
den Unwillen und die Inhaftierung durch die Geheime Staatspolizei zugezogen.
1944 führte ihn sein Leidensweg ins Konzentrationslager Dachau. Er überlebte das
Kriegsende, blieb aber von der Haft gezeichnet. Küppers starb 1955. Bei seiner Beisetzung
in Styrum sagte der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Salomon
Lifsches, über ihn: „Du hast im
Gefängnis täglich für uns gebetet. Dau hast für uns und für Häftlinge aus allen
Nationen noch in der Haft gesorgt, dass wir nicht verhungerten. Du hast uns,
bevor wir ins KZ überwiesen wurden, deinen priesterlichen Segen geschenkt. Du
warst ein wahrer Engel Gottes.“
Mehr Glück im Unglück hatte der zur regimekritischen
bekennenden Kirche gehörende
evangelische Altstadtpfarrer Ernst Barnstein. Auch er wurde von der geheimen Staatspolizei
inhaftiert, doch schon nach relativ kurzer Zeit wieder freigelassen, weil der Mülheimer
Gestapo Chef Karl Kolk seine schützende Hand über ihn hielt. Anders, als die
evangelischen Pfarrer, die sich zu den regimetreuen Deutschen Christen zählten,
prangerte Barnstein in seinen Predigten die Judenverfolgung und den Terror der
Nationalsozialisten an. Trotz Verbotes bildete er Vikare für die Bekennende
Kirche aus. Seine von der Bergpredigt inspirierte Jugendarbeit war ein Kontrastprogramm zur
nationalsozialistischen Erziehung. Was Barnstein neben der Sympathie Kolks
schützte, war seine enorme Popularität bei den Gemeindemitgliedern. Seine
Gottesdienste zogen zehnmal mehr Besucher in die Petrikirche als die der
Deutschen-Christen-Pfarrer. Aber auch Barnstein konnte nicht verhindern, dass
4600 der ursprünglich 35.000 Gemeindemitglieder zwischen 1933 und 1945 dem
nationalsozialistischen Zeitgeist folgten und ihrer Kirche den Rücken kehrten.
(T.E.)
In Memoriam
Der 1975 verstorbene Ernst Barnstein,
nach dem seit 1989 der Platz an der Petrikirche benannt ist, stand von 1946 bis
1961 als Superintendent an der Spitze des evangelischen Kirchenkreis an der
Ruhr. Damals konnte er den Wiederaufbau der 1943 zerstörten Petrikirche
miterleben und begleiten. In der Heißener Kirche St. Joseph erinnert seit 1963
ein von Maria Katzgrau gestaltetes Fest an den katholischen Widerstandskämpfer
Otto Müller. Im Oberhausener Teil Styrums gibt es einen nach Heinrich Küppers
benannten Weg.
Dieser Text erschien am 18. Juli 2019 in NRZ & WAZ
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