Dienstag, 23. Juli 2019

Mülheimer Christen im Widerstand


Auch in Müllheim unter dem Hakenkreuz gab es Männer des Kreuzes, die die Frohe Botschaft der christlichen Nächstenliebe ernst nahmen und dem Unrechtsregime Hitlers widerstanden.

Zu ihnen gehörten der 1870 geborene Präses der katholischen Arbeiterbewegung in Westdeutschland (KAB), Dr. Otto Müller, der 1896 geborene Styrumer Kaplan und Pfarrer Heinrich Küppers und der 1891 geborene evangelische Altstadtpfarrer Ernst Barnstein.

Otto Müller war als Sohn eines katholischen Volksschullehrers in Heißen aufgewachsen und hatte 1889 am Mülheimer Gymnasium an der Schulstraße sein Abitur bestanden. Danach studierte er Theologie, Philosophie und Staatswissenschaften. Seine Doktorarbeit schrieb über die christliche Arbeiterbewegung. Seine Arbeit als Priester war vom Einsatz für die Rechte und die Bildung der Arbeiter geprägt. Schon als Kaplan sagte er: „Ich will Jesus Christus in den Menschen heranbilden. Die Arbeiter brauchen keine Caritas, sondern Gerechtigkeit.“ Zum Unwillen seines Bischofs, kritisierte der „rote Kaplan“ das bis 1918 geltende preußische Dreiklassenwahlrecht, das den Stimmen der reichen Wähler deutlich mehr Gewicht gab als den Stimmen der Armen. Als kritischer Geist konnte Müller die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten nicht hinnehmen und verschrieb sich dem aktiven Kampf gegen Hitler. Als Präses der KAB schrieb MülIer 1938 an deren Mitglieder: „Wo keine Ehrfurcht vor Gott ist, da kann auch keine Ehrfurcht vor allem sein, was Menschenanlitz trägt, nicht Mitleid mit Armen, Kranken und Schwachen, nicht Gerechtigkeit gegen Jedermann, und nicht jene Liebe, die du, Jesus, uns befohlen und vorgelebt hast, dem Nächsten zu geben, was wir uns selbst an Glück und Wohlergehen wünschen. So lass alle, die sich unsere Mitglieder nennen, in der Gemeinschaft, in der sie mit mir stehen, frei bleiben vom Gift des gottentfremdeten Denkens.“ Vom Wort schritt Müller zur Tat. Er traf sich 1943 mit dem Generaloberst Ludwig Beck und mit dem ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl-Friedrich Goerdeler, die nach einem geglückten Attentat auf Hitler Reichspräsident und Reichskanzler werden sollten. Mit ihnen beriet Müller über eine Staatsordnung nach Hitlers Sturz. Den Rat, aus Nazi-Deutschland zu fliehen, lehnte Müller ab. Er wollte dazu beitragen, „das nationalsozialistische Unglück zu beenden.“

Seine gegen das Regime gerichteten Aktivitäten blieben der Geheimen staatspolizei nicht unbekannt und so wurde er nach dem Attentat auf Adolf Hitler im September 1944 verhaftet, in Berlin inhaftiert und gefoltert. Blind und von der Haft gezeichnet starb er am 12. Oktober 1944 im Berliner Polizeikrankenhaus.

Der Styrumer Kaplan, Jugendseelsorger und spätere Styrumer Pfarrer, Heinrich Küppers hatte sich ab Mitte der 1930er Jahre durch Regime kritische Äußerungen und Kritik an führenden NS-Funktionären den Unwillen und die Inhaftierung durch die Geheime Staatspolizei zugezogen. 1944 führte ihn sein Leidensweg ins Konzentrationslager Dachau. Er überlebte das Kriegsende, blieb aber von der Haft gezeichnet. Küppers starb 1955. Bei seiner Beisetzung in Styrum sagte der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Salomon Lifsches, über ihn:  „Du hast im Gefängnis täglich für uns gebetet. Dau hast für uns und für Häftlinge aus allen Nationen noch in der Haft gesorgt, dass wir nicht verhungerten. Du hast uns, bevor wir ins KZ überwiesen wurden, deinen priesterlichen Segen geschenkt. Du warst ein wahrer Engel Gottes.“

Mehr Glück im Unglück hatte der zur regimekritischen bekennenden Kirche  gehörende evangelische Altstadtpfarrer Ernst Barnstein. Auch er wurde von der geheimen Staatspolizei inhaftiert, doch schon nach relativ kurzer Zeit wieder freigelassen, weil der Mülheimer Gestapo Chef Karl Kolk seine schützende Hand über ihn hielt. Anders, als die evangelischen Pfarrer, die sich zu den regimetreuen Deutschen Christen zählten, prangerte Barnstein in seinen Predigten die Judenverfolgung und den Terror der Nationalsozialisten an. Trotz Verbotes bildete er Vikare für die Bekennende Kirche aus. Seine von der Bergpredigt inspirierte  Jugendarbeit war ein Kontrastprogramm zur nationalsozialistischen Erziehung. Was Barnstein neben der Sympathie Kolks schützte, war seine enorme Popularität bei den Gemeindemitgliedern. Seine Gottesdienste zogen zehnmal mehr Besucher in die Petrikirche als die der Deutschen-Christen-Pfarrer. Aber auch Barnstein konnte nicht verhindern, dass 4600 der ursprünglich 35.000 Gemeindemitglieder zwischen 1933 und 1945 dem nationalsozialistischen Zeitgeist folgten und ihrer Kirche den Rücken kehrten. (T.E.)

In Memoriam


Der 1975 verstorbene Ernst Barnstein, nach dem seit 1989 der Platz an der Petrikirche benannt ist, stand von 1946 bis 1961 als Superintendent an der Spitze des evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr. Damals konnte er den Wiederaufbau der 1943 zerstörten Petrikirche miterleben und begleiten. In der Heißener Kirche St. Joseph erinnert seit 1963 ein von Maria Katzgrau gestaltetes Fest an den katholischen Widerstandskämpfer Otto Müller. Im Oberhausener Teil Styrums gibt es einen nach Heinrich Küppers benannten Weg.

Dieser Text erschien am 18. Juli 2019 in NRZ & WAZ

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