Heute haben 135.000 Mülheimer gleich dreimal die Wahl. Sie wählen die oder den OB, die 52 Stadtverordneten des Rates und die dreimal 19 Mitglieder der für die Stadtteile zuständigen Bezirksvertretungen. Nicht nur der Chef des Wahlamtes, Wolfgang Sauerland (Foto), und seine Mitarbeiter und Wahlhelfer werden ihren Großkampftag erleben.
Die Parteien haben sich den mit den Beiträgen ihrer Mitglieder und Mandatsträger sowie mit Spenden finanzierten Wahlkampf einiges kosten lassen. Die mitgliederstärkste Partei der Stadt, die SPD, investierte, laut Geschäftsführer Klare, einen hohen fünfstelligen Betrag. Die CDU musste nach Angaben ihres Schatzmeisters Werner Oesterwind mit einem mittleren fünfstelligen Betrag auskommen. Noch bescheidener musste das Wahlkampfbudget bei den kleineren Parteien ausfallen, die erheblich weniger Mitglieder als SPD (rund 2.500) und CDU (rund 1000) haben. Bei FDP und Grünen bezifferte man den Etat für das Wahljahr 2009 mit 15.000 bis 20.000 Euro, während das Wählerbündnis Wir aus Mülheim (WIR) und die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) nur 8000 bis 10.000 Euro für ihren Kommunalwahlkampf ausgaben.
Wer am Ende die Nase vorn hat, wird sich nicht zuletzt daran entscheiden, wie viele Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden. Bei der letzten OB-Wahl lag sie unter 40 Prozent. Der Tenor der Gespräche, die ich in der Wahlkampfzeit geführt habe, lautete: Noch nie war es so schwer, die für sich richtige Wahlentscheidung zu treffen. Hinzu kommt, dass, anders, als bei der letzten OB-Wahl bereits die einfache Stimmenmehrheit über den oder die künftige OB entscheidet. Es gibt keine Stichwahl mehr. Die Entscheidung muss also bereits am heutigen Sonntag fallen. Und während der Rat und die Bezirksvertretungen für jeweils fünf Jahre gewählt werden, wird die oder der künftige OB für sechs Jahre an der Spitze von Stadt und Verwaltung stehen.
Die Amtsinhaberin Dagmar Mühlenfeld (SPD), die als ehemalige Schulleiterin im Wahlkampf vor allem auf ihr Leib- und Magenthema Bildung ("die entscheidende Zukunftsfrage des 21. Jahrhunderts, an der auch unser Wohlstand, unsere innere Sicherheit und unser sozialer Friede hängen.") geht sicher mit einem gewissen Amtsbonus ins Rennen. Sie ist aber auch nicht unumstritten. Weiter umstritten bleiben zum Beispiel das große Stadtentwicklungsprojekt Ruhrbania, dass die Innenstadt an die Ruhr holen und beleben soll. Das gleiche gilt auch für den Standort der parteiübergreifend begrüßten Fachhochschule. Der Eindruck vieler Bürger: Das Thema wurde in der Öffentlichkeit zerredet, statt hinter verschlossenen Türen zu einer schnellen und sachgerechten Lösung zu kommen.
Mühlenfelds Herausforderer Stefan Zowislo von der CDU agierte im Wahlkampf nicht immer ganz glücklich. Seine Korruptionsvorwürfe gegen den ehemaligen Oberbürgermeister Jens Baganz, heute Wirtschaftsstaatssekretär der Landesregierung, dessen OB-Wahlkampf Zowislo 1999 sehr erfolgreich gemanagt hatte, überschatteten seinen Start in die heiße Wahlkampfphase, weil er sie am Ende kleinlaut zurücknehmen musste. Doch in den letzten Wochen hat sich Zowislo wieder gefangen und in seiner Kampagne vor allem die Wiederbelebung der Innenstadt thematisiert, die er mit einem zentralen City-Management vorantreiben will. Zowislo ist in Mülheim kein unbekannter. Er war nicht nur Parteigeschäftsführer der CDU und Pressechef im Rathaus, sondern auch Geschäftsführer der Mülheimer Stadtmarketinggesellschaft MST, ehe er als Marketingleiter zur WAZ-Mediengruppe wechselte. Zuletzt machte Zowislo durch sein Plädoyer für eine schwarz-grüne Koalition von sich Reden.
Nur Außenseiterchancen haben zweifellos die Bewerber der kleineren Parteien und Wahlbündnissse. Die Mülheimer Bürgerinitiativen schicken ihren Dümptener Bezirksvertreter Friedel Lemke ins Rennen, der sich in seinem Wahlkampf vor allem das Anliegen Mehr Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben hat. Die Stadt, so seine These, täte gut daran, den Sachverstand der Bürger, besser als bisher, in ihre Entscheidungen mit einzubeziehen statt teure Gutachten in Auftrag zu geben.
Der für die FDP antretende Rechtsanwalt Christian Mangen argumentierte nach dem Motto: Weniger ist mehr für eine konsequente Haushaltskonsolidierung. Die Stadt, so seine Forderung, muss sich auf ihre infrastrukturellen Kernaufgaben konzentrieren, um sich finanziell nicht zu verzetteln und handlungsfähig zu bleiben. Außerdem möchte Mangen als OB zukunftsfähige Arbeitsplätze in Mülheim befördern und die Verkehrsführung in der Innenstadt optimieren.
Die Einführung eines Bus- und Bahn-Sozialtickets für bedürftige Bürger und die Einrichtung einer vierten Gesamtschule für Mülheim waren zentrale Wahlkampfforderungen des Linken-OB-Kandidaten Wim Ehlers. Da es bei der Kommunalwahl keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, macht sich seine Partei berechtigte Hoffnungen neben SPD, CDU, FDP, MBI, Grünen und WIR in den Rat und die Bezirksvertreungen einzuziehen.
Die Grünen, die bei den vorangegangenen Wahlen insbesondere an die MBI und WIR Stimmen verloren haben, haben ihre Landtagsabgeordnete Barbara Steffens als OB-Kandidatin nominiert. Steffeens will sich unter anderem für eine barrierefreie Stadt einsetzen, die sich auch mit wohnortnahen Sozialdienstleistungen, besser, als bisher auf die Herausforderungen des demografischen Wandels einstellt und die soziale Teilhabe möglichst vieler Bürger sichert. Bebauungsplänen in der Frischluftschneise an der Tilsiter Straße steht sie ebenso ablehnend gegenüber, wie dem Flughafenbetrieb. Auch auf kommunal Ebene muss, laut Steffens, mehr für die Einsparung von Energie und die Förderung erneuerbarer Energieträger getan werden.
Der unabhängige Einzelbewerber Eugen Kalff, Arbeitsdirektor bei einm NRW-Abwasserverband, versuchte in seiner Wahlkampagne für das OB-Amt vor allem mit dem Thema: Keine Privatisierung öffentlicher Einrichtungen zu punkten. Sozialdemokrat Kalff hatte das 2005 erfolgreiche Bürgerbegehren gegen Privatisierungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge initiiert. Außerdem will er sich als OB die 3400 Mitarbeiter der Stadtverwaltung dazu motivieren, ihre Dienstleistung bürgerfreundlicher zu erbringen.