Heuchler wurden im antiken Griechenland und im alten Rom Hypokrit genannt. Jetzt hatte mit „Hypocrites“ die neue Volxbühnenproduktion im Theaterstudio an der Adolfstraße gleich dreimal eine gut bis sehr gut besuchte Premiere. Wer sie verpasst hat, bekommt am 27., 28. und 29. Januar 2023, jeweils um 19.30 Uhr, eine zweite Chance, das von Jörg Fürst inszenierte und von seinem 18-köpfigen Ensemble auf die Bühne gebrachte Stück anschauen und daraus seine Schlüsse für die eigene Existenz zu ziehen. „Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben heute Fragen transportiert, mit denen sich jeder auseinandersetzen sollte: Was ist Sein? Was ist Schein? Was ist Wahrheit? Was ist Lüge? Wie funktioniert unsere Gesellschaft? Wie sollte sie funktionieren? Wie beeinflusst Digitalisierung unser Leben?“, fanden Julia Cornelius und Kosta Thönneßen nach der Aufführung, der sich eine Premierenfeier anschloss.
Minimalistisch gestaltet und im existenziellen Schwarz
gehalten. So sieht man, die Volxbühne, auf der sich die grau gewandeten
Darstellerinnen und Darsteller als Hypocrites, wie du und ich, bewegen. Wer ist
hier Profi, wer Amateur? Was ist Choreografie? Was ist Improvisation? Das ist
kaum zu erkennen. Und das macht die Qualität des Ensembles aus. Aus dem Theater
Mülheimer Spätlese hervorgegangen gehört es als Bürgertheater heute zum Theater
an der Ruhr. In einigen Passagen kann man am Stimmvolumen am ehesten den
Unterschied zwischen Profi und professionellem Amateur erahnen. Wie im antiken
Theater stehen deklamierende Chöre und Solisten im Dialog. Die Damen und Herrn
in Grau erinnern an Michael Endes Romanfigur Momo, die den grauen Herren, die
den Menschen die Zeit stehlen wollen, einen Strich durch die Rechnung macht. Auch
an das Bild der „grauen Maus“ oder der „grauen Masse“, kann denken, der die grau
gekleideten und barfuß auf der Bühne stehenden und gehenden Männer und Frauen
der Volxbühne sieht.
Die Musiker Peter Eisold und Max Wehner bewegen sich mit
Posaune, Sousaphon und einem fahrbaren Schlagwerk. Mal sind sie Teil der Handlung,
mitten auf der Bühne, und dann wieder verborgen, aber hinter der Bühne hörbar.
Ihre Töne verschmelzen mit dem Takt der auf der Bühne gehenden und stehenden Schauspielerinnen
und Schauspieler.
Wie ein Dirigent im Orchestergraben muss Ton- und
Lichttechniker Dirk Lohmann am Pult in der letzten Reihe des Auditoriums,
Computermonitore, Mischpult und die, Partitur der Regieanweisung im Blick
behalten. Seine Jonglage gelingt. Er zaubert eine Sinfonie aus Klang und Licht
auf die Bühne. Sie fordert das Publikum heraus, will es irritieren. Warum?
Vielleicht, um es aus scheinbaren Gewissheiten herauszureißen, um dem Kern des
eigenen Seins zu erkennen. Weitere Informationen zur Volxbühne und ihrer
aktuellen Produktion, die vom NRW-Kulturministerium, von der Mülheimer
Entsorgungsgesellschaft und von der Rheinenergie-Kulturstiftung gefördert wird,
finden sich im Internet unter: www.volxbuehne.de
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