Am 9 Juni sind 350 Millionen Menschen in Europa zur Wahl des Europäischen Parlaments
aufgerufen. Wahlberechtigt sind diesmal alle Bürgerinnen und Bürger der EU, die
16 Jahre und älter sind. Gewählt werden kann man aber erst ab 18.
Früher wählen
Mit der Absenkung des Wahlalters steigt die Zahl der
Wahlberechtigten um rund eine Million Menschen. Mehr Menschen sind nur bei den
Parlamentswahlen in Indien, 790 Millionen, aufgerufen.
Anders, als bei Landtags- und Bundestagswahlen haben wir
diesmal nur eine Stimme. Denn das EU-Wahlrecht, des seit 1979 direkt gewählten
Europäischen Parlaments kennt keine Wahlkreise, auch wenn dies die
Sozialdemokraten für die nächste Europawahl 2029 fordern. Anders als in
Frankreich oder Tschechien gibt es in Deutschland zurzeit keine 5% Sperrklausel.
0,5% der Stimmen reichen, um mit einem Mandat ins Europäische Parlament
einzuziehen und eine Wahlkampfkostenerstattung der öffentlichen Hand in Höhe
von 0,83€ zu erhalten.
Eine Chance für kleine Parteien
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass bei der
letzten deutschen Europawahl 2019 mit der Tierschutzpartei, mit der
Satirepartei Die Partei, mit den Piraten und mit dem Wahlbündnis Volt sowie mit
der wertkonservativen Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP) auch Parteien ins
Europäische Parlament eingezogen sind, die bei Bundestags- und Landtagswahlen
aufgrund der dort angewendeten Fünfprozent-Sperrklausel keine Chance auf einen
Parlamentssitz haben.
Bei der Europawahl stimmen die Wählerinnen und Wähler, 61
Millionen von ihnen kommen aus Deutschland und etwa 130.000 aus Mülheim, über
eine Parteiliste ab. Gewählt wird nach dem reinen Verhältniswahlrecht, bei dem
jede Stimme zählt. Dieses sehr demokratische Wahlrecht wurde in Deutschland
auch während der Weimarer Republik von 1918 bis 1933 angewendet und wird heute
auch in zahlreichen europäischen Staaten und in Israel praktiziert.
96 Abgeordnete kommen aus Deutschland
96 der 720 zu wählenden Mitglieder des Europäischen
Parlaments, werden aus Deutschland kommen. Da die Bundesrepublik Deutschland
ist das bevölkerungsreichste Land der EU und
stellt deshalb auch die größte Abgeordnetengruppe, gefolgt von
Frankreich, dass 81 Abgeordnete ins Europäische Parlament entsendet. Doch
einmal ins Europäische Parlament gewählt, die Wahlperiode dauert jeweils 5
Jahre, schließen sich die nationalen Abgeordneten zu transnationalen Fraktionen
zusammen.
Seit 1979 direkt gewählt, geht das Europäische Parlament,
mit dieser Wahl in seine 10. Wahlperiode. In der jetzt abgelaufenen neunten
Wahlperiode stellten die europäischen Christdemokraten der Europäischen
Volkspartei mit 176 Abgeordneten die stärkste Fraktion, gefolgt von den
Sozialdemokraten mit 139 Abgeordneten, den Liberalen mit 102 Abgeordneten, den
Grünen mit 72 Abgeordneten den europäischen konservativen Reformern mit 69
Abgeordneten und der Fraktion Identität und Demokratie mit 49 Abgeordnete.
Weitere 29 Abgeordnete gehören zurzeit keiner Fraktion im Europäischen
Parlament an. Das schränkt ihre parlamentarischen Rechte und
Arbeitsmöglichkeiten stark ein.
Transnationale Fraktionen
Vor diesem Hintergrund ist der Ausschluss der deutschen AfD
aus der rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie eine schwere Schlappe
für die deutsche Rechtspartei, da sie sich nach einem Wiedereinzug ins
Europäische Parlament zunächst um eine neue Fraktionszugehörigkeit kümmern
müsste. Trotz der jüngsten Skandale um die beiden Listenführer der
rechtspopulistischen AFD zeigen die jüngsten Umfragen, dass die AfD 14% der
Stimmen erreichen könnte. Die in Berlin regierenden Sozialdemokraten von
Bundeskanzler Olaf Scholz werden in den aktuellen Umfragen zwischen 14 und 16%
und die Grünen bei etwa 14% gehandelt. Die FDP schwankt zwischen 4 und 5%. Die
Linken schwanken zwischen 3 und 5%. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, das sich von
der Linken abgespalten hat, und zur Zeit als Gruppe im Deutschen Bundestag
vertreten ist, kann laut den jüngsten Umfragen mit etwa 6% der Stimmen rechnen.
Stärkste Partei dürfte demnach die Union werden, der mit CDU und CSU zwischen
29 und 31% vorhergesagt werden.
Mit der Kommissionspräsidentin und Spitzenkandidatin der
Europäischen Volkspartei, Ursula von der Leyen, und dem Fraktionsvorsitzenden
der EVP Fraktion Manfred Weber stehen gleich 2 Deutsche an der Spitze der EVP
Wahlliste.
Drei Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet
Mit Jens Geier (SPD), Dennis Radtke (CDU) und Terry Reintke (Grüne)
haben 3 Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet eine sehr gute Aussicht, erneut ins
Europäische Parlament einzuziehen. Geier kommt aus Essen, Radtke aus Bochum und
Reitnke aus Gelsenkirchen. Die Mülheimer FDP Europakandidatin Alondra von Groddeck
hat aufgrund ihres Listenplatzes keine Aussicht ins Europäische Parlament
gewählt zu werden.
Sowohl bei der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments
1979 als auch bei der zweiten Direktwahl 1984 zogen mit dem Sozialdemokraten
Heinz Oskar Vetter, dem damaligen DGB-Chef, und dem christdemokratischen Juristen
Dr. Otmar Franz 2 Mülheimer ins Europäische Parlament ein. Die erste Direktwahl
des Europäischen Parlaments war in Mülheim auch die erste Wange die Mithilfe
der elektronischen Datenverarbeitung ausgezählt wurde. Das Europäische
Parlament gibt es bereits seit 1952. Damals handelte es sich allerdings nicht um
ein direkt gewähltes Parlament, sondern um eine parlamentarische Versammlung
von auf nationaler Ebene gewählten Abgeordneten, die aus den jeweiligen Parlamenten
der Mitgliedstaaten entsandt wurden. Die ersten Präsidenten des Europäischen
Parlaments, der belgische Sozialdemokrat Henri Spaak, der italienische
Christdemokrat Alcide de Gasperi und der französische Christdemokrat Robert
Schumann waren die ersten Präsidenten des Europäischen Parlaments und
gleichzeitig Gründungsväter der europäischen Integration. Sie war mit der
Gründung der Montanunion 1952 begonnen und mit der Euratom und der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft 1957/58 fortgesetzt wirden.
Mit den Christdemokraten, Dr. Wilhelm Furler und Hans Gert
Pöttering sowie den Sozialdemokraten, Klaus Hänsch, und Martin Schulz standen
später auch deutsche Parlamentarier an der Spitze des Europäischen Parlaments.
Die Rechte des Europäischen Parlaments
Anders als Bundestag und Landtage hat das Europäische
Parlament kein Initiativrecht in der Gesetzgebung. Dennoch konnte es in den
letzten 45 Jahren seine Rechte erheblich ausweiten.
Ohne die Zustimmung des des Europäischen Parlaments kann
keine Europäische Kommission ins Amt gewählt werden. Das Europäische Parlament
hat die Möglichkeit einzelne Kommissare oder auch die gesamte Kommission
abzuwählen. Außerdem können in der Europäischen Union keine Richtlinien und
Verordnungen und kein Haushaltsplan verabschiedet werden, denen das Europäische
Parlament nicht zustimmt. Das gilt auch für den Europäischen Rat, in dem die
Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten sitzen. Das Initiativrecht in
der Gesetzgebung der Europäischen Union, die aktuell etwa zwei Drittel der
deutschen Gesetzgebung beeinflusst, liegt bei der 27-köpfigen EU-Kommission.
Allerdings können sowohl das Europäische Parlament als auch der Europäische Rat
die Europäische Kommission dazu auffordern zu einem bestimmten Politikfeld
einem Gesetzesvorschlag vorzulegen. Wie in Deutschland findet die zweite Lesung
der EU- Gesetzgebung in einem der aktuell 27 Fachausschüssen statt. Außerdem
gibt es die Möglichkeit eines Vermittlungsverfahrens, wenn sich Rat und
Parlament nicht einig sind, ob und wie sie einem Gesetzentwurf der Europäischen
Kommission zustimmen oder nicht zustimmen sollen.
Politischer Wanderzirkus
Das Europäische Parlament tagt mit seinem Plenum in
Straßburg, mit seinen Fraktionen und
Ausschüssen aber in Brüssel. Seine Verwaltung, das Generalsekretariat, hat
seinen Sitz in Luxemburg. Diese kosten- arbeits- und zeitaufwendige Dreiteilung
des Parlamentsbetriebs ist dem EU-Proporz geschuldet.
Zur zehnten Europawahl treten in Deutschland 35 Parteien mit
insgesamt 1400 Bewerberinnen und Bewerbern an. Die Förderung des europäischen
Binnenmarktes, die Förderung der Spitzenforschung, Freiheit Gerechtigkeit, Klimaschutz,
Bürgerrechte, Wohlstand eine engere militärische Zusammenarbeit der EU Staaten
und der gemeinsame Kampf gegen die Folgen des Klimawandels sind in
unterschiedlicher Gewichtung in fast allen Parteiprogrammen zu finden. Die
Nationalkonservativen und rechtsextremen Parteien lehnen die Europäische Union
in ihrer jetzigen Form allerdings ab und wollen sie in einem Staatenbund
souveräner europäischer Demokratien verwandeln. Der EU-Binnenmarkt soll erhalten
bleiben, die Asylpolitik allerdings in den Aufgabenbereich der nationalen
Regierung zurückgeführt werden.
Angesichts grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler
Migration wurden 1999 die EU-Polizeibehörde Europol und 2005 die EU-Grenzschutz
Agentur Frontex ins Leben gerufen. Iim Vertrag von Prüm hat die Bundesrepublik 2006
eine polizeiliche Zusammenarbeit mit ihrem östlichen und westlichen Nachbarn
innerhalb der EU vereinbart. Mit der Einführung des europäischen Binnenmarktes
1993 gelten in der Europäischen Union die 4 Freiheiten des Waren-
Dienstleistungs- Personen- und Kapitalverkehrs. Gleichzeitig verpflichten sich
die EU-Mitgliedsstaaten im Vertrag von Schengen zu einem gemeinsamen
verstärkten Schutz der Außengrenzen beim gleichzeitigen Verzicht auf
Binnengrenzkontrollen. Inwiefern vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheits-
und Migrationslage nationale Grenzschutzkontrollen wieder eingeführt werden
können oder müssen, diskutiert. Grundsätzlich sieht das Schengener Abkommen schon
jetzt Ausnahmen vor, die nationale Grenzschutzmaßnahmen bei europäischen
Großereignissen oder auch bei Gefahr im Verzug vorsieht.
Sowohl die Liberalen als auch die Grünen sprechen sich mit
Blick auf die EU für eine Legalisierung des Cannabiskonsums aus. Sowohl SPD CDU
FDP als auch Grüne sprechen sich für eine geordnete beziehungsweise rigide
Asylpolitik aus, bei der das grundsätzliche Recht auf politisches Asyl aber erhalten
bleiben soll. Dem verstärkten der Flüchtlinge setzen Linke und das Bündnis
lange Wagenknecht die Förderung einer solidarischen Willkommenskultur entgegen.
Im Gegensatz zu Union SPD FDP und Grünen kritisieren Linke und das Bündnis
Sahra Wagenknecht auch die verstärkte Rüstung und die Waffenlieferungen der
Eu-Staaten in die vom russischen Angriffskrieg bedrohte Ukraine. Sie sprechen sich für den Stopp der Waffenlieferungen,
für eine generelle Abrüstung und für
eine zivile Konfliktlösung aus.
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