Samstag, 17. August 2024

Erste Wahl

 Vor 75 Jahren sind 102.000 Mülheimerinnen und Mülheimer zur Wahl des ersten Deutschen Bundestages aufgerufen. Sechs Kandidaten stehen auf ihrem Wahlzettel, sechs Männer, keine Frau. Am Ende des ersten Bundestagswahltages haben 77 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Und sie haben gegen den Bundestrend gewählt. Denn in Mülheim liegt die CDU Konrad Adenauers nicht knapp vor der SPD, sondern genau umgekehrt. Mit 34,9 Prozent der Stimmen wird der Sozialdemokrat Otto Striebeck. Der Christdemokrat Heinz Langner landet mit 28,2 Prozent der Stimmen auf Platz 2, gefolgt vom Liberalen Wilhelm Dörnhaus, für den sich 13,1 Prozent der Wahlberechtigten entscheiden. Aber auch der Kommunist Friedrich Müllerstein, dessen Partei 1956 vom Bundesverfassungsgericht vcrboten wird, kann bei der ersten Bundestagswahl noch 10,1 Prozent der Stimmen erreichen. Und 7,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler entscheiden sich für den Bewerber der Deutschen Konservativen Partei, Wolfgang Kujath.

Anders, als heute, wählen die Menschen in Mülheim nur ein westdeutsches Teilparlament. Eine Zweitstimme ist damals ebenso noch Zukunftsmusik, wie die Möglichkeit der Briefwahl. Nicht nur die KPD, sondern auch das katholische Zeentrum und die Radikalsoziale Freiheitsunion, die bei der ersten Bundestagswahl noch auf dem Wahlzettel stehen und einige 1000 Stimmen auf sich vereinigen können, werden schon in wenigen Jahren aus dem politischen Spektrum der Bonner Republik verschwinden. Am Ende bleibt ein Dreiüarteiensystem aus Christ- Sozial- und Freidemokraten für Jahrzehnte politisch bestimmend, ehe ab 1980 die Grünen auf den Plan treten.

Westbindung contra Deutsche Einheit und Marktwirtschaft contra Sozilaisierung und Planwirtschaft. Das sind die für den ersten Bundestagswahlkampf bestimmenden Themen und Konfliktlinien.

Nach der Wahl vom 14. August zieht der Mülheimer Otto Striebeck (1894-1972) als einer von 402 Abgeordneten in den ersten Deutschen Bundestag ein. Der Bergmann, der sich zum Redakteur weitergebildet hat, sitzt für die SPD im Stadtrat und leitet bis zu seinem Einzug ins Parlament die Lokalredaktion der 1946 von seinem Parteifreund Dietrich Oppenberg gegründete Neuen Ruhr Zeitung. Striebeck, der unter den Nationalsozialisten im Gefängnis gesessen hat, wird dem Deutschen Bundestag, mit kurzen Unterbrechungen, bis 1965 angehören.


Mülheimer Geschichtsverein

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mahnung für heute und morgen

  Stolpersteine sind ein Ärgernis. Sie können aber auch ein Anstoß zum Nachdenken und Erinnern sein. Das fand auch der Kölner Künstler Gunte...