Montag, 27. Oktober 2025

Kaffeehauspolitik

In Cafes und Gasthäusern wird nicht nur gegessen, sondern auch diskutiert. Bis heute werden hier politische Karrieren geschmiedet. Während der bürgerlichen Revolution dienten die Cafés und Gasthäuser in Frankfurt am Main den Parlamentarischen Clubs der in der Paulskirche tagenden Nationalversammlung als Treffpunkte und Tagungsorte, um sich für die Plenardebatten zu positionieren.

So trafen sich im Casino am Roßmarkt die Liberalen. Sie stellten in der aus 587 Abgeordneten bestehenden Nationalversammlung die größte Fraktion. Ihr Ziel war die Errichtung einer parlamentarischen und konstitutionellen deutschen Monarchie nach britischem Vorbild. Sie saßen in der Mitte des Plenums.

Rechts von ihnen saßen die Konservativen, die sich im Steinernen Haus am Markt zwischen Römerberg und Dom und im Cafe Milani am Rossmarkt trafen. Sie verteidigten die absolute Macht der Monarchen des Deutschen Bundes und damit den politischen Status Quo. Auf der linken Seite des Plenums saßen die Demokraten, die sich unter anderem im Deutschen Hof, im Donnersberg am Mainufer und in der Westend Hall zwischen Taunus- und Main-Weser-Bahnhof trafen. Sie wollten die Monarchie durch eine parlamentarische und demokratische Republik ersetzen.

Die Abgeordneten des Paulskirchenparlaments, das 1849 eine liberale Reichsverfassung verabschiedete und dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone antrug, waren politisch selbstbewusste Wirtschafts- und Bildungsbürger, die infolge der Urbanisierung und Industrialisierung einen sozialen, aber keinen politischen Aufstieg erlebt hatten. Deshalb forderten sie: "Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland, wie es Hoffmann von Fallersleben 1841 in seinem "Lied der Deutschen" gefordert hatte.

Diese Männer, Frauen waren damals noch von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen, trafen sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts, auch jenseits von Frankfurt am Main, in Cafes und Gasthäusern, um Zeitungen zu lesen und ihre politischen Ideen zu diskutieren. Auch die Essener und Mülheimer Demokraten und Liberalen hatten 1848/49 im Kettwiger Cafe Parlament einen Treffpunkt und Tagungsort, an dem sie auch ihre Zeitung, den Wächter an der Ruhr lesen konnten.

Doch weil die Liberalen und die Demokraten die Mehrheit und das Recht, nicht aber die militärische Macht auf ihrer Seite hatten, trugen am Ende die deutschen Monarchen und die Konservativen den politischen Sieg davon. Den Worten des späteren preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelm I. folgend: "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten!", wurde die bürgerliche Revolution 1849 blutig niedergeschlagen.

Doch die Ideen von 1848/49 waren und blieben in der Welt, auch wenn diese Jahre später oft als "Tolle Jahre" politisch verharmlos und diskreditiert wurden. Immerhin gehörten 51 ehemalige Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung auch dem Reichstag des  1871 gegründeten Deutschen Kaiserreiches an. Doch die Idee einer liberalen deutschen Verfassung mit garantierten bürgerlichen Freiheiten und Grundrechten sollten erst 1919 mit der Weimarer Reichsverfassung und 1949 mit dem Grundgesetz für die Bundespublik Deutschland Wirklichkeit werden.

Sonntag, 26. Oktober 2025

Apropos Stichwahl

 Mülheimer Stichwahlen haben es in sich. Das zeigte sich auch bei der jüngsten Stichwahl, mit der Oberbürgermeister Marc Buchholz knapp und im zweiten Anlauf im Amt bestätigt worden ist.  Wie schon die erste OB-Stichwahl im September 1999, zeigte diese Stichwahl: Bei einer Wahl kommt es auf jede Stimme an, die gut abgegeben und gezählt werden will.

Denn wie schon anno '99 stand das endgültige Wahlergebnis auch diesmal erst nach einer Nächzählung fest. Und wie vor 26 Jahren konnten sich die Sozialdemokraten auch diesmal nur kurzfristig als Wahlsieger fühlen und feiern. War am 26. September 1999 der sozialdemokratische Stadtverordnete Thomas Schröer mit 33 Stimmen Vorsprung zum Wahlsieger und damit zum Oberbürgermeister ausgerufen worden, so hatte Mülheims SPD-Chefin Nadia Khalaf am 28. September 2025 auch nur kurzfristig Freude an ihrem 67-Stimmenvorsprung, der ihr die Wahl zur dritten Mülheimer Oberbürgermeisterin verhieß.

Damals wie heute waren die Christdemokraten, 1999 mit ihrem Kandidaten Dr. Jens Baganz und 2025 mit dem Amtsinhaber Marc Buchholz die glücklichen Gewinner. Dabei fiel ihr, im zweiten Anlauf, amtlich festgestellter Vorsprung mit 2025 mit 201 Stimmen deutlicher aus als bei der ersten OB-Direktwahl, als der Jurist Jens  Baganz nach der Nachzählung am Ende mit einem Plus von 58 Stimmen als erster direktgewählter Oberbürgermeister Mülheims feststand. "Das war eine Achterbahn der Gefühle, die man niemandem wünscht", hat sich der inzwischen bei den Grünen politisch aktive Baganz vor der jüngsten Stichwahl an den Wahlkrimi des Jahres 1999 erinnert.

Mit der Direktwahl des Oberbürgermeister wurde das nordrhein-westfälische Kommunalwahlrecht demokratischer, weil die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger jetzt über die hauptamtliche Stadt- Rats- und Verwaltungsspitze mitbestimmen konnten, wie das außerhalb unseres 1946 von den Briten gegründeten Bundeslandes, bereits seit Jahrzehnten der Fall war.

Dass es bis 1999 eine vom Rat der Stadt gewählte Doppelspitze gab, die aus einem ehrenamtlichen Oberbürgermeister und einem hauptamtlichen Oberstadtdirektor gab und damit die Spitzen von Stadt, Rat und Verwaltung personell getrennt waren, war dem Vorbild der britischen Kommunalverfassung, die die britische Militärregierung im Rahmen ihrer Reeducation 1946 in ihrer Besatzungszone einführte, zu der auch Mülheim an der Ruhr gehörte.

Apropos Stichwahl. Stichwahlen kannten die Mülheimer auch schon zu Kaisers Zeiten. Auch damals wurde der Oberbürgermeister vom Stadtparlament gewählt, das sich aber auf der Basis eines steuerzensusbasierten und damit undemokratischen. Dreiklassenwahlrechtes gewählt wurde. Wie seit 1999 waren Mülheims Oberbürgermeister auch bis 1945 hauptamtliche Stadtoberhäupter, Ratsvorsitzende und Verwaltungschefs.

Doch wer zwischen 1871 und 1918 als Abgeordneter in den Deutschen Reichstag einziehen wollte, musste in seinem Wahlkreis die absolute Mehrheit der Stimmen gewinnen, die damals allerdings ausschließlich von den mit 21 Jahren volljährigen Männer abgegeben werden konnten. Das Frauenwahlrecht sollte erst 1918 mit der Weimarer Republik eingeführt werden. Man(n) staunt noch heute über diese späte Demokratisierung der Politik, die inzwischen Oberbürgermeisterinnen, Ministerinnen, Ministerpräsidentinnen und Bundeskanzlerinnen hervorgebracht hat. Denn ohne Frauen ist keine Stadt und kein Staat zu machen.

Das sah man(n) bis 1918 aber anders und sah sich mit dem allgemeinen und freien Reichstagswahlrecht schon an der Spitze des demokratischen Fortschritts. Dieses absolute Mehrheitswahlrecht, wie es heute noch in Frankreich praktiziert wird, führte im Mülheimer Wahlkreis der Kaiserzeit zu Stichwahlentscheiden, die in der Regel von nationalliberalen Kandidaten gewonnen wurden.

Nur bei der Reichstagswahl 1907 wurde mit dem Tischler Clemens Hengsbach ein Sozialdemokrat in den Reichstag gewählt. Kein Wunder. Denn erst ab 1906  erhielten Reichstagsabgeordnete Diäten. Bis dahin hatten sich nur gutbetuchte Wirtschafts- und Bildungsbürger die Ausübung eines Reichstagsmandates leisten können.

Närrischer November

  Ist denn schon wieder Karneval? Wer so fragt, zeigt, dass er den Karneval nicht kennt. Denn natürlich starten die Jecken am Elften im Elft...