Katharina Jestaedt
Foto Katholisches Büro Berlin
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In einem Gespräch, das ich für die katholische Wochenzeitung Neues Ruhrwort geführt habe, äußert sich die stellvertretende Leiterin des Katholischen Büros in Berlin, Katharina Jesteadt zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes über das Verhältnis zwischen Kirche, Politik und Staat.
Vor 70 Jahren entstand im Parlamentarischen
Rat das Grundgesetz. Welchen Einfluss nahm die Katholische Kirche auf die
damaligen Beratungen?
Der Kölner Domkapitular Wilhelm Böhler, wurde 1948 vom Kölner Erzbischof und
Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Kardinal Joseph
Frings beauftragt, die im Zuge der Beratungen des parlamentarischen
Rates eventuell notwendigen mündlichen Verhandlungen mit den katholischen
Parlamentariern zu führen. Das war praktisch die Geburtsurkunde des institutionalisierten
Kontaktes zwischen der katholischen Kirche und staatlich-politischen Instanzen.
Man sagt, dass Prälat Böhler sehr engagiert und durchaus überzeugend agiert
hat. So soll es etwa durchaus auch seinem Einfluss zu verdanken seien, dass
Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes in staatlichen Schulen grundsätzlich einen
bekenntnisorientierten Religionsunterricht vorsieht.
Warum brauchen wir auch heute katholische
Büros in der Bundeshauptstadt und in den Landeshauptstädten?
Es gibt so
viele politische Themen, bei denen wir als Kirche jenen eine Stimme geben, die
sonst kaum Gehör finden. Ich nenne nur die Fragen von Flucht und Vertreibung,
von globaler Gerechtigkeit, den Schutz der Schöpfung oder den Lebensschutz. Auf
all diesen und vielen weiteren Feldern ist unsere Stimmen wichtig, nicht
zuletzt, weil wir uns hier als Kirchen glaubwürdig engagieren.
Die Zahl der Kirchenmitglieder geht zurück.
Schwächt das den politischen Einfluss der katholischen Kirche und ihrer
evangelischen Schwesterkirche?
Natürlich ist der Rückgang
kirchlicher Bindungen in den Verwaltungen und im Deutschen Bundestag auch in
unserer Arbeit spürbar, auch wenn in den politischen Eliten unseres Landes die
religiöse Bindung der Politiker noch sehr deutlich spürbar ist. Wir führen
übrigens auch sehr fruchtbare Diskussionen mit Politikern, die gar nicht
religiös verankert sind.
Ob unser Einfluss im
politischen Diskurs noch erheblich ist, hängt in erster Linie davon ab, ob wir
überzeugend argumentieren und selber glaubwürdig sind. Für Letzteres ist etwa
die Frage unseres Umgang mit dem sexuellen Kindesmissbrauch in der katholischen
Kirche ganz entscheidend.
Man hört gelegentlich die Kritik, die
katholische Kirche kümmere sich oft zu sehr um politische Fragen und
vernachlässige die Aufgabe der Glaubensvermittlung. Was sagen Sie zu solcher
Kritik? Früher gab es eine enge Koalition zwischen der Katholischen Kirche und
den Christdemokraten.
Diese Kritik müssen wir
natürlich ernst nehmen. Bevor wir uns zu einer politischen Frage äußern,
stellen wir uns immer die Frage, ob es notwendig ist, dass die Kirche zu diesem
oder jenem Thema Stellung bezieht. Allerdings stellen wir auch immer wieder fest,
dass Politiker dieses Argument bemühen, wenn sie unsere Haltung zu einem
bestimmten Thema einfach lästig finden.
Wie sieht es heute mit dem Verhältnis der
Katholischen Kirche zu den politischen Parteien aus?
Das Katholische Büro ist
mit allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien im Gespräch. Die
Intensität der Kontakte ist je nach Thema mit der einen oder der anderen Partei
größer oder kleiner. Und natürlich gibt es Parteien, für die das christliche
Menschenbild stärker handlungsleitend ist als für andere.
Wie hat Ihre Arbeit in Berlin Ihren Blick auf
Politik geprägt und verändert? Ist Politik ein dreckiges Geschäft, ein
notwendiges Übel, eine Ansammlung von Weltverbesserern und Lobbyisten, das
Machtzentrum der Nation, eine Erfüllungsgehilfin der Wirtschaft oder die
Ideenschmiede der Nation?
Der enge Kontakt zu den
politischen Verantwortungsträgern hat bei mir in erster Linie dazu geführt,
dass ich mehr Respekt vor der Arbeit unserer Volksvertreter habe. Das gilt
nicht nur für das Arbeitspensum, was jeder Einzelne zu bewältigen hat. Das gilt
auch angesichts der inhaltlichen Komplexität der politischen Fragestellungen,
nehmen sie nur solche Megathemen wie die Digitalisierung, eines nachhaltigen
Lebensstils oder auch den Umgang mit weltweiten Flucht- und
Migrationsbewegungen. Hinzu kommt, dass sich der politische Diskurs nicht
zuletzt durch die gewachsene Bedeutung der sozialen Medien stark verändert und
beschleunigt hat. Es bleibt oft kaum Zeit zum Nachdenken und Diskutieren. Und
die Abgeordneten sind heute in sehr viel stärkerem Maße aggressiven, oft
anonymen Angriffen ausgesetzt. Das alles sollte man im Kopf haben, bevor man
das nächste Mal über „die Politiker“ schimpft.
Was würden Sie gerne durchsetzen, wenn Sie zur
Bundeskanzlerin gewählt würden?
Ein
ambitioniertes Klimaschutzgesetz und ein Rüstungsexportgesetz, um mal zwei ganz
konkrete Anliegen zu benennen.
Katharina Jestaedt, Stellvertreterin des Leiters des Kommissariats der
deutschen Bischöfe
1969 geboren in
Lissabon/Portugal, 1988-1993 Studium der
Rechtswissenschaft in Bonn und Freiburg, Erstes juristisches Staatsexamen, 1993-1995
Mitarbeiterin im Bundeskanzleramt (politische Planung, Reden), 1995-1997
Rechtsreferendariat, Zweites juristisches Staatsexamen, 1997-1999 Referentin im
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Europa) und im
Bundeskanzleramt (politische Planung, Reden), 1999-2009 Richterin am
Verwaltungsgericht Köln und am Oberverwaltungsgericht NRW mit zeitweiligen
Abordnungen an die Staatskanzlei NRW (Medien) und das Justizministerium NRW (Leitung
Ministerbüro), 2009-2011 Referatsleiterin im Justizministerium NRW (Personal, Justiziariat). Seit August 2011
Stellvertreterin des Leiters des Kommissariats der deutschen Bischöfe.
Dieser Text erschien am 11. Mai 2019 im Neuen Ruhrwort
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