Mittwoch, 22. Mai 2019

Aufforderung zur Dienstfahrt

Eigentlich komisch. Alle reden heute von Elektromobilität. Aber ausgerechnet in Mülheim denkt man darüber nach, die Straßenbahn abzuschaffen. Da waren unsere Vorfahren, die ihre Mark auch nur einmal ausgeben konnten, schon weiter. Sie entdeckten und schätzten die elektrische Straßenbahn als schnelles, umweltschonendes und platzsparendes Massenverkehrsmittel.

Autoverstopfte Straßen sollten für die Stadtplanung von heute doch eigentlich von gestern sein. Doch gerade gestern kannte man eben dieses Problem mit allen seinen Risiken und Nebenwirkungen nicht, weil man ja die Tram hatte, die Bürger schnell und preiswert von A nach B brachte und den anderen Verkehrsteilnehmern, die auf zwei und vier Beinen oder Rädern unterwegs waren, noch genügen Platz ließen, um ihrer Wege zu gehen und zu fahren.

Das Problem der heutigen Mobilität ist wohl, dass jeder für sich alleine vorankommen will und deshalb lieber allein im Stau steht als sich mit anderen zusammen in einen Bus oder eine Bahn zu setzen. Auch jene, die in unserem Land und in unserer Stadt über die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur entscheiden, fahren in der Regel, nicht Bus oder Bahn, sondern ihren Dienstwagen.

Dabei täte so manchem Politiker oder Planer, der bürgernah ist oder werden will eine Dienstfahrt mit Bus oder Bahn sicher gut. Denn jeder, der schon mehr als einmal mit Bus und Bahn unterwegs war, weiß, dass es keine sozialere und kommunikativere Form der Fortbewegung gibt, bei der man ganz nebenbei alles erfährt, was man über das wirkliche Leben wissen muss.

Dieser Text erschien am 22. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

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