Mittwoch, 21. Dezember 2022

Aufwind im Advent

 Dass an diesen Tagen vor Weihnachten auch an sie gedacht wird, erlebten etwa 50 sozial benachteiligte Menschen aus Mülheim, die von der 2002 ins Leben gerufenen christlichen Aktion Aufwind ins Gemeindehaus der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an der Auerstraße eingeladen wurden, um bei gutem Essen, guten Gesprächen und guter Live-Musik (letztere von Keyboarder Dirk Biesgen und Sängerin Sandra Schmidt) für einige Stunden von der Schatten- auf die Sonnenseite des Lebens zu wechseln.

Mit-Organisator Norbert Tischmeyer ließ sich in seinem geistlichen Grußwort von der Weihnachtsgeschichte inspirieren und verglich die Hirten auf dem Felde, die als erstes von der Geburt Jesu erfuhren mit den Menschen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen, weil sie zum Beispiel durch Krankheit, Drogen, Arbeits- und Wohnungslosigkeit aus ihrer Lebensbahn geworfen sind. Der Automobilingenieur Tischmeyer, der nach eigener Aussage „in einer schweren Lebenskrise Menschen gefunden hat, die mich an die Hand genommen und wieder aufgerichtet haben,“ sagte seinen Gästen: „Die Frohe Botschaft Jesu richtet sich gerade an euch, die ihr gefallen, aber wieder aufgestanden seid. Sie kann euch für Euer Leben Mut machen, immer wieder neu anzufangen und nicht zu verzweifeln, auch wenn wir in beängstigenden und frustrierenden Zeiten von Corona, Krieg, Energiekrise und Inflation alle nicht wissen, wohin das alles führen wird.“.

Diese Zeitung nutzte die Adventsfeier der Aktion Aufwind, deren Name nicht nur zur Weihnachtszeit Programm ist, um mit deren Gästen darüber ins Gespräch zu kommen, was sie auf ihrem Lebensweg von 2022 nach 2023 für sich und für uns alle hoffen und wünschen.

Ein 56-jähriger Mann mit Wollmütze und leicht ergrautem Haar sagt: „Die heutige Einladung ist in meiner bescheidenen Situation eine schöne Ablenkung in meinem harten Alltag, aber auch nicht mehr. In Deutschland muss sich viel ändern, vor allem die Politik. Sie kümmert sich zu viel um arme Menschen, die zu uns kommen und zu wenig, um die vielen Leute, die hier schon ihr ganzes Leben verbracht haben und denen es echt dreckig geht.“

Renate (73) wünscht sich, „dass ich weiterhin die Kraft habe nach vorne zu schauen, weil es anders nicht geht und dass ich hier weiter eine Gemeinschaft finde, in der man zusammenhält, sich zuhört und sich auch hilft.“ Von der Politik fühlt sie sich auf allen Ebenen im Stich gelassen. „Der Oberbürgermeister und die Regierung müssten mal was für unsere Kreise, zum Beispiel für Obdachlose und arme Rentner tun. Im reichen Süden der Stadt sind die Straßen und Häuser noch ganz gut. Aber im armen Norden tut sich nichts. Für die armen Menschen bewegt sich nichts. Die sind für die Politik nicht wichtig und interessant.“

Annika (35) berichtet bei Kaffee und Gebäck: „Ich habe lange als Teilzeitkraft und Kassiererin im Einzelhandel gearbeitet. Aber das war für mich zu stressig und hat mich psychisch krank gemacht. Jetzt suche ich nach einer Langzeitreha nach einer betreuten Wohngemeinschaft, in der Menschen, wie ich an die Hand genommen und wieder fit gemacht werden. Aber solche WGs gibt es leider viel zu wenig. Umso schöner sind solche Aktionen wie die von Aufwind, die an Menschen denken und sie sehen, denen es nicht gut geht“

Jürgen (75) wünscht sich vor allem, „dass es Frieden in der Ukraine gibt und die Preise wieder runtergehen, damit es allem besser geht.“ Außerdem fände er es schön, wenn an kalten Tagen U-Bahnhöfe, Einkaufszentren und Turnhallen mit Feldbetten auszustatten und so als winterfeste Übernachtungsmöglichkeit für Obdach- und Wohnungslose zur Verfügung zu stehen. Menschen in der Krise, wünscht er vor allem „den Mut und die Klugheit, Hilfe anzunehmen, Veränderung zu wagen, auf gute Menschen zuzugehen und schlechten Menschen aus dem Weg zu gehen.“

Hermann (57) wünscht sich für 2023 vor allem „Gesundheit und Menschen, die einem ab und zu helfen.“ Außerdem würde er sich über „mehr Schlafplätze für Obdachlose und über mehr Streetworker freuen, die einen Blick für Menschen haben, die auf der Straße leben und denen es schlecht geht!“

Christel (68), die von sich sagt: „Ich war schon mal fast tot“, wünscht sich 2023 viele Stunden mit netten Menschen, wie sie sie an diesem Samstag beim Aufwind erlebt und sie hofft, „dass die Menschen wieder freundlicher und hilfsbereiter miteinander umgehen und dabei den Wert der Gemeinschaft wiederentdecken und erleben.“ Diesem Wunsch schließt sich Helmhard (71) gerne an und ergänzt ihn noch um den Wunsch, „dass es wieder mehr bezahlbaren Wohnraum und gute Nachbarschaft“ geben möge, „damit niemand mehr Wohnungs-Punk erleben muss.“

Und Jörg (57), der nach einer 35-jährigen Drogenkarriere seit 2018 wieder clean ist und jetzt zum Mitarbeiterteam der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an der Auerstraße gehört, wünscht sich nicht nur für 2023, „dass viele Menschen in einer Lebenssituation, wie ich sie erlebt habe, Gott und Menschen kennenlernen, die wohlwollend auf sie zugehen und sie so ermutigen, ihr Leben zum Besseren zu verändern.“

 

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