Montag, 19. März 2018

Wie gewonnen, so zerronnen

Am eiskalten Samstag konnte ich mich am Anblick eines Webeplakates erwärmen. Es war ein doppelseitiges Plakat und hing an der Haltestelle, an der ich auf meinen Bus wartete. Es war eine Werbung zum Anbeißen. Denn auf den Werbeträgern strahlten mich glückliche Menschen an. Ihr Glücksgefühl kam nicht von ungefähr. Denn vor ihnen stand eine  ansehnliche  Mahlzeit.  Während ich noch darüber nachdachte, welche Mahlzeit ich wohl auf meinem Mittagstisch vorfinden würde und ob sie mir einen Glücksmoment bescheren werde, fiel mein Blick auf die Plakatzeilen: „Deine Zeit!“ und „Unsere Zeit!“

Bei dem köstlich anzuschauenden Plakat handelte es sich offensichtlich um die Werbung für einen Lieferservice, der mir, Ihnen und uns allen Zeit ersparen will. Das ist ja sehr löblich. Doch während ich darüber nachdachte, ob die Mahlzeit nach ihrer Anlieferung bei mir wirklich noch so frisch und lecker aussehen werde, wie auf dem Plakat, wurde mir schlagartig klar. Wahrscheinlich ist es ein Nullsummenspiel, wenn ich auf der einen Seite, dank des Lieferservice, die Zeit der Zubereitung einspare, die ich vorher in meine Arbeitszeit investieren musste, um mir den Service des Lieferdienstes zu verdienen.

Dieser Text erschien am 19. März 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

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