Auf dem Podium im Auditorium der Bank im Bistum Essen:
Von links: Dr. Franz-Josef Overbeck, Dr. Judith Koch und Dr. Heribert Prantl.
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Das Geld kein Selbstzweck ist, sondern eine
dienende Funktion haben sollte, macht der Vorstandssprecher der 1966
gegründeten Bank im Bistum Essen, Dr. Peter Güllmann, mit dem Hinweis auf die
700 Millionen Euro deutlich, die sein Haus als Mikrokredite an Existenzgründer
in 37 Ländern ausgegeben hat, um sie damit aus der Armut heraus- und in die
wirtschaftliche Selbstständigkeit hinein zu holen. Bildung und Sicherheit,
daran lässt Güllmann keinen Zweifel, sind für ihn die wichtigsten Bausteine für
eine gute Zukunft.
Doch was hält unsere Gesellschaft zusammen? Dazu befragen die
Bank im Bistum Essen und ihre Ko-Gastgeberin, die Katholische Akademie des
Bistums an diesem Abend Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und den Heribert
Prantl von der Süddeutschen Zeitung in einer von Judith Wolf moderierten
Diskussion.
Der Journalist und der Kirchenmann sind sich einig, dass wir
eine solidarische und in Europa eingebettete Gesellschaft brauchen. „Gehen Sie
bei der Europawahl am 26. Mai wählen und sorgen Sie wählen. Sorgen Sie mit
ihrer Stimme dafür, dass die extremistischen Populisten die Europäische Union
politisch nicht in den Griff bekommen“, fordert Prantl seine Zuhörer auf. „Was
kann ich denn tun, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern“, fragt eine
Frau? „Sie müssen dort, wo Sie in ihren Berufs- und Privatleben stehen, aktiv
werden und Farbe bekennen gegen Rassismus und vermeintlich einfache Lösungen.
Und wenn Sie sich in ihrem Umfeld auch nur für eine bedürftige Person einsetzen,
ist das besser als wenn Sie sich für niemanden stark machen“, legt Prantl nach.
„Wir sind die Mehrheit. Aber wir sind oft zu vornehm und
müssen uns deshalb lauter und verständlicher in die gesellschaftspolitische
Diskussion einbringen“, räumt Overbeck ein. Er müsse von seinem Generalvikar
nicht weit gehen, so Overbeck, um ganz arme und ganz reiche Menschen zu
treffen, die oft gar nichts voneinander wüssten.
Politik und Wirtschaft sieht der Bischof gefordert, wenn es
„darum geht das soziale Nord-Süd-Gefälle zu überwinden, auf das man sowohl beim
Arbeitsplatzangebot wie bei der medizinischen Versorgung in allen Städten des
Ruhrgebietes trifft.“ Mit besonderer Sorge sieht Overbeck, dass die
Ruhrgebietsstädte keinen gemeinsamen und attraktiven Öffentlichen
Personennahverkehr organisiert bekommen und damit die Mobilitäts- und
Arbeitsplatz-Chancen der Menschen an der Ruhr verminderten.
Heribert Prantl machte deutlich, dass auch die christlichen
Kirchen gefordert seien, sich an ihren eigenen Wertmaßstäben messen zu lassen,
wenn es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt gehe. Beispielhaft nennt der
Journalist die fehlende Gleichberechtigung der Frauen in der katholischen
Kirche und die auch in christlichen Altenheimen anzutreffende Tatsache, „dass
eine Altenpflegerin in der Nachtschicht manchmal für 50 Bewohner alleine
verantwortlich ist.“ Prantl: „Christliche Nächstenliebe muss man auch spüren.
Da hilft es nicht, dass ein Kreuz an der Wand hängt.“
Overbeck räumte mit Blick auf die 64 katholischen Altenheime
und die 22 katholischen Krankenhäuser des Ruhrbistums ein, „dass unsere
finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind.“ Er sieht aber auch, „dass der
besondere Geist und das haupt- und ehrenamtliche Engagement in diesen Häusern
von deren Bewohnern und Parienten geschätzt wird.“ Dazu sagt ein in der
Altenpflege aktiver Zuhörer: „Menschenwürdige Pflege kann nur durch die
Beseitigung des Fachkräftemangels erreicht werden. Und dieses Problem kann die
Kirche nicht alleine lösen. Hier ist unsere gesamte Gesellschaft gefordert.“ Angesichts der nicht erst seit gestern
geführten Diskussion über den Zugang von Frauen zum katholischen Priesteramt stellte
Moderatorin Judith Koch illusionslos fest: „Das wird unsere Kirche noch vor
eine Zerreißprobe stellen.“
Aus dem Publikum heraus wird darauf hingewiesen, dass der
Nationalstaat auch im gemeinsamen Europa und in einer globalisierten Welt nichts
von seiner kultur- und sinnstiftenden Funktion verloren habe. Und eine Frau
betont, die Kirche könne vor allem dadurch den gesellschaftlichen Zusammenhalt
fördern, in dem sie Menschen zum Glauben an Jesus Christus führe und sie damit
vor geistiger Verwirrung bewahre. Dem stimmt Heribert Prantl zu, in dem er
feststellt: „Wer die Bibel liest und ihre mehrdeutigen Texte interpretiert, der
kann kein Extremist und Populist werden.“
INFO
Dr. Franz-Josef Overbeck (54) steht seit 2009 als Bischof an
der Spitze des Bistums Essen. Seit 2010 ist er als Adveniatbischof auch für die
Lateinamerika-Kontakte der Deutschen Bischofskonferenz zuständig. Gleichzeitig
gehört er der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika an. 2011 wurde er zum
deutschen Militärbischof berufen. Und seit 2014 leitet der Theologe und
Philosoph als Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz deren Kommission für
soziale und gesellschaftspolitische Fragen.
Dr. Judith Wolf (50) hat Theologie, Geschichte und
Philosophie studiert. Nach ihrem Studium arbeitete sie zunächst am Institut für
christliche Sozialwissenschaft der Universität Münster, ehe sie 1998 zur
katholischen Akademie wechselte. Seit 2010 ist sie stellvertretende Direktorin
der Akademie, deren Leitung sie zum 1. Juli (als Nachfolgerin von Dr. Michael
Schlagheck) übernehmen wird.
Dr. Heribert Prantl (65) ist Jurist, Journalist und
Buchautor. Als Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung leitet er
seit 2011 deren Meinungsressort. Prantl hat nicht nur Rechtswissenschaft,
sondern auch Geschichte und Philosophie studiert und neben seinem Jura-Studium
auch eine journalistische Ausbildung als Stipendiat des katholischen Institutes
zur Förderung des publizistischen Nachwuchses absolviert. Nach seinem Studium
war er zunächst am Landgericht Regensburg tätig, ehe er 1988 als
innenpolitischer Redakteur zur süddeutschen Zeitung wechselte.
Dieser Text erschien am 16. Februar 2019 im Neuen Ruhrwort
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