Auf dem Podium: Von links:Elmar Brok, Martin Schulz, Franz-Josef Overbeck
Tobias Henrix und Thomas Schlenz
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Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat bei einer Veranstaltung in der
Katholischen Akademie Die Wolfsburg darauf hingewiesen, dass das europäische
Projekt nicht ohne Toleranz funktionieren könne. „Dafür müssen wir auch als
Kirche einstehen“, sagte Overbeck am Dienstagbend in einer Diskussion mit dem
CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok und dem ehemaligen Präsidenten des
Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD).
Beide
Europapolitiker stimmten darin überein, dass die bevorstehende Wahl des
Europäischen Parlaments am 26. Mai 2019 angesichts der Herausforderungen, vor
der die Europäische Union stehe als Schicksalswahl anzusehen sei. „Ich habe
geglaubt, dass die Systemdebatte gelaufen ist und ich in meinem politischen
Leben Demokratie und Rechtsstaat nicht mehr verteidigen muss. Aber ich habe
mich von der politischen Realität eines Besseren belehren lassen müssen“, sagte
der langjährige Europa-Abgeordnete Brok mit Blick auf die politischen Zugewinne
für rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien in Europa. Der 2017
gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat wies darauf hin, „dass zwei Drittel der
rechtsextremen und rechtspopulistischen Abgeordneten, die im Europäischen
Parlament sitzen, dieses Parlament und die Europäische Union abschaffen
wollen.“ Die eigentliche Gefahr für die EU, so Schulz, gehe aber nicht von
diesen Abgeordneten, „sondern von jenen aus, die genauso denken und in den
Regierungen in Wien und Rom sitzen.“
Der
Christdemokrat Brok kritisierte, dass einige Bischöfe in Polen offen mit der
nationalkonservativen Regierung Kaczynski paktierten, die die Rechtsstaatnormen
der Europäischen Union ablehnten, aber gleichzeitig von den Fördermitteln der
EU und von dem mit ihrer Hilfe generierten Wirtschaftswachstum profitieren
wollten. Brok: „Wenn ich das sehe, wird mir richtig übel.“
Beide
Europapolitiker zeigten sich bei der Veranstaltung, zu der der Sozial- und
Wirtschaftsrat des Ruhrbistums eingeladen hatte, davon überzeugt, dass die EU
nur mit Hilfe eines europäischen Steuerrechtes und mit Hilfe von
Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat der EU-Regierungen die EU
politische Dynamik entwickeln könne, um das regionale Armutsgefälle innerhalb
der Europäischen Union zu überwinden und verbindliche rechtsstaatliche
Prinzipien innerhalb der EU flächendeckend durchzusetzen. Dies sehen Brok und
Schulz als Voraussetzung dafür an, den Zulauf zu rechtspopulistischen und
rechtsextremen Parteien zu stoppen.
„Wenn wir
wollen, dass sich die Demokratie und der Rechtsstaat in Europa behaupten,
müssen wir dafür kämpfen. Die Zeit der Gemütlichkeit, in der man ein paar
Extremisten an den politischen Rändern einfach so mitlaufen lassen konnte, sind
vorbei“, betonte Martin Schulz. Gleichzeitig machte er deutlich, „dass
Demokratie Zeit für eine sorgfältige Gesetzgebung und für Beteiligung aller
Bürger an den politischen Entscheidungen braucht.“
Ruhrbischof
Overbeck räumte ein, dass es auch innerhalb der europäischen Bischofskonferenz
schwierig sei, mit Blick auf die Europawahl im Mai einen aussagekräftigen
Wahlaufruf zu formulieren, weil Themen wie die Ausgestaltung von
Rechtsstaatlichkeit, Ökumene und Religionsfreiheit, von den Bischöfen zum Teil
sehr unterschiedlich gesehen würden. Overbeck sieht die christlichen Kirchen in
der Europäischen Union zu einer ökumenischen Kraftanstrengung aufgefordert:
„Wir sind da als Kirche oft zu harmlos, wenn es darum geht die Wirkmächtigkeit
des europäischen Projektes hervorzuheben und die gesellschaftlichen Fragen nach
kultureller Identität und sozialer Solidarität aufzugreifen. Wenn wir das
konsequent tun würden, hätten wir sicher schnell mehr Erfolg als wir das jetzt
haben“, zeigte sich der Bischof selbstkritisch. Besonderen Handlungsbedarf
sieht Overbeck im Gesundheits- und im Bildungssektor. „Es ist nicht hinnehmbar,
wenn Menschen in vielen Ländern nur dann gut genesen können, wenn sie reich
sind“, kritisierte er. Mit Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit in
südeuropäischen Ländern ist in seinen Augen Überzeugungsarbeit zu leisten, dass
sich auch dort wie in Deutschland, Arbeitgeber aus ihrem eigenen Interesse
heraus an der Finanzierung beruflicher Bildung beteiligten.
Viel wäre
für Elmar Brok gewonnen, „wenn die Kirchen in der öffentlichen Diskussion
Politik und Parteien nicht in einen Topf werfen, sondern die konstruktiven und
destruktiven politischen Akteure klar benennen würden.“ Die Bundesregierung
forderte Brok auf, jährlich einen Kosten-Nutzen-Bericht der deutschen
EU-Mitgliedschaft vorzulegen, um deutlich zu machen wie sehr Deutschland,
dessen Exporte zu 75 Prozent in Länder der EU gingen, von der Europäischen
Union und ihrem Binnenmarkt profitiere. „Mehr als 50 Prozent der weltweiten
Sozialleistungen werden innerhalb der EU ausgezahlt“, unterstrich Brok.
Ausdrücklich warnte der Christdemokrat davor, die anderen EU-Länder nur als
Markt anzusehen und deren berechtigte Interessen nicht in die eigene Politik
mit einzubeziehen.
Bericht für KNA vom 26. Februar 2019
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