Mittwoch, 17. April 2019

Wie taktlos


Wo kann man heute noch Abenteuer erleben? Natürlich im Nahverkehr. Am Montag war ich so unvorsichtig, meine Heimatstadt morgens mit der Regionalbahn zu verlassen. Mittags, so mein Plan, wollte ich wieder da sein. Da hatte ich aber die Rechnung ohne eine Bombenentschärfung und unvorsichtige Bauarbeiter gemacht, die nicht nur die S- und Regional,- sondern auch die Straßenbahn mächtig aus dem Takt brachte. Lautsprecherdurchsagen wie: „Dieser Zug fällt heute aus!“ oder: „Die Bahn muss umgeleitet werden und fährt deshalb nicht über Essen und Mülheim!“ beließen die Fahrgäste, die sich derweil ratlos und ohne Beistand von Servicekräften auf den Bahnsteigen näher, aber eben nicht gemeinsam weiterkamen, im Tal der Ahnungslosen. Gerüchte statt handfeste Informationen machten die Runde. Kümmert sich den heute niemand mehr um Fahrgäste, die im Leben noch vorankommen wollen und müssen und dabei ohne unterwegs sind und damit doch einen löblichen Beitrag gegen den Stau auf unseren Straßen und gegen klima- und gesundheitsschädliche Abgase leisten? Doch es gibt da jemanden. Der liebe Gott ließ am Beginn der Karwoche die Sonne scheinen und wärmte damit die gefühlt ewig wartenden Fahrgäste. Gott kennt auch die an allen Ecken und Enden, leider nicht immer mit Verstand und Fingerspitzengefühl werkelnden Arbeiter im Weinberg des Herrn: Und deshalb weiß er: Ihre Wege sind manchmal unergründlich, aber sie führen, wenn auch zuweilen nach einer halben Ewigkeit auf wundersame Weise doch ans Ziel. Wenn das keine Einstimmung auf Ostern ist. 

Dieser Text erschien am 17. April 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

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