Heinrich Krosse 1919-2017
Archivfoto Sigrid Krosse
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Den Neu- und Ausbau
der A52 und der Ruhrtalbrücke würde er wohl mit Interesse und Wehmut verfolgen.
Denn es war seine Ruhrtalbrücke, die der vor 100 Jahren in Styrum geborene Brückenbauingenieur Heinrich
Krosse für seinen Arbeitgeber
Krupp in den 50er und 60er Jahren entwarf.
Fast hätte der
Ingenieur, dessen Elternhaus auf der Neustadtstraße stand, seinen 100.
Geburtstag am 27. April 2019 noch erlebt, wenn er nicht vor eineinhalb Jahren
am 18. November 2017 gestorben
wäre. „Mein Vater war in seinem Herzen nicht nur ein Bauingenieur, sondern auch
ein Künstler, der hervorragend zeichnen konnte und sich für die Natur begeisterte“, erinnert sich Sigrid Krosse an
ihren Vater.
Die Mülheimer
Naturwissenschaftlerin und Verlegerin kann sich noch gut an die Zeichnungen
erinnern, die ihr Vater für den Bau der 1966 eröffneten Ruhrtalbrücke
angefertigt hatte. „Und bevor er mit den Zeichnungen begann, machte er sich vor Ort ein genaues
Bild und fotografierte viel. Denn er
wollte, dass sich de Brücke gut in die Landschaft einfügen sollte“,
berichtet Krosse. Sie war elf Jahre alt, als ihr Vater im September 1966 in ihrer Gegenwart
Mitgliedern des Geschichtsvereins vor Ort den Bau der Autobahnbrücke erläuterte, über die ab Dezember 1966 täglich rund
20.000 Autos zwischen Düsseldorf und Essen pendeln sollte. Der Bau der
Ruhrtalbrücke brachte dem Ingenieur Heinrich Krosse nicht nur Glück und
Anerkennung. „Meinen Vater hat es sehr
bedrückt, dass drei Arbeiter während der Errichtung der Ruhrtalbrücke ums Leben
kamen. Auch die Geiselnahme, die sich während der 1990er Jahre im Brückenbau
abspielte, hat er damals mit viel Anteilnahme verfolgt, weiß Sigrid
Krosse zu berichten.
Heute sind auf der
1830 Meter langen, 65 Meter hohen und 28 Meter breiten Ruhrtalbrücke jeden Tag
viermal so viele Fahrzeuge unterwegs. Tendenz steigend. Das erklärt die
Planungen für einen Neu- und Ausbau der A52.
Heinrich Krosse gehörte zu der Generation, die
während der NS- und Kriegszeit erwachsen wurde. 1937 machte er an der städtischen Oberrealschule in Mülheim sein Abitur. Nach einigen Praktika begann er im gleichen
Jahr ein Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule Aachen, von dem er
im 3. Semester in das Studium des Bauingenieurwesens wechselte und mit
Auszeichnung 1939 sein Vorexamen abschloss.
Nach dem Reichsarbeitsdienst begann der Zweite Weltkrieg, der am 1. September 1939
mit dem deutschen Überfall auf Polen begann.
Aus
dem Krieg nach einer Verwundung zurückgekehrt, setzte er sein Studium an
der Technischen Hochschule Hannover im Fach Bauingenieurswesen fort und wurde begeisterter Brückenbauer. Mit dem Diplom in der Tasche fand er zunächst bei der Bahndirektion in
Essen eine Anstellung. 1950 begann
er schließlich für die Fa. Krupp tätig zu werden. Obwohl Krosse für Krupp in der halben Welt
unterwegs war, sollten ihn diese zwei
großen Brückenbauprojekte, der Neubau der Schloßbrücke (1960) und der
1966 vollendete Bau der Ruhrtalbrücke beruflich mit seiner Heimatstadt
verbinden.
Eine besondere Herausforderung
bereitete ihm der Auftrag für den Neubau der Mülheimer Schloßbrücke. Den
Zuschlag für dieses Projekt bekam die Fa. Krupp wegen seines genialen
verkehrstechnischen Lösungsvorschlages, bei dem der Verkehr zu keiner Zeit
vollständig gesperrt werden musste.
Dabei wurde der Neubauteil auf Verschubbahnen neben der alten Brücke
montiert und nach Fertigstellung und Abriss des alten Bauteils an dessen Stelle
verschoben. Am 3. September 1960 fand also in Mülheim an der Ruhr die erste
Brückenverschiebung in dieser Form statt.
Beide Brückenbauten, deren Planung bereits in den 1950er
Jahre begonnen hatte, brachten ihrem geistigen Vater weit über die Grenzen von
Stadt und Region große Anerkennung ein. „Wenn wir spazieren gingen und die
Schloß- oder die Ruhrtalbrücke in Sicht kam, habe ich oft zu ihm gesagt“:
„Schau mal, Papa! Da ist deine Brücke“, erinnert sich seine Tochter.
Dieser Text erschien am 27. April 2019 in NRZ & WAZ
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