Donnerstag, 18. April 2019

Flotte Flitzer


 
Archivfoto Walter Neuhoff
„Ja, wo fahren sie denn?“ Ein Hauch von Monte Carlo in Mülheim. Das alte Foto stammt aus den frühen 1950er Jahren und zeigt ein Seifenkistenrennen. Die tollkühnen Piloten flitzen in ihren selbstgebauten Rennpappen über die Reichspräsidentenstraße und den Hagdorn. „Von 1949 bis 1952 lud das Handelshaus Tengelmann lud junge Mülheimer der Jahrgänge 1936 bis 1939 publikums- und werbewirksam dazu sein, sich mit einem Auto Marke Eigenbau beim Seifenkistenrennen, das später Schokoladenkistenrennen genannt wurde einen Kurzurlaub im Sauerland zu verdienen, in den sie einen Elternteil mitnehmen durften“, erinnert sich der 1936 geborene Mülheimer Walter Neuhoff. Die Idee der Seifenkistenrennen war nach dem Zweiten Weltkrieg aus den USA nach Westdeutschland gekommen. Doch Tengelmann beendete seine beliebten Schokoladenkistenrennen zwischen Reichspräsidentenstraße, Werdener Weg, Lohscheidt und Hagdorn, nachdem sich zwei der Schokoladenkisten-Piloten beim Rennen 1952 überschlagen hatten und dabei zu Tode gekommen waren.

Neben den Schaulustigen am Straßenrand sehen wir auf dem Foto aus den frühen Fünfzigern Polizeibeamte mit ihrem bis Ende der 1960er Jahre üblichen Tschako als Streckenposten am Straßenrand. Der von einem Husarenhelm inspirierte Tschako war ein Symbol für die militärischen Traditionslinien in der deutschen Polizei. Denn bis zum Ende des Kaiserreiches 1918 hatten alle Polizeibeamte vorher beim Militär gedient. Erst mit der Ausrufung der Weimarer Republik, setzte der damalige deutsche und preußische Innenminister Carl Severing eine vom Militär unabhängige Einheitslaufbahn der Polizeibeamten durch.

Die Tradition der Seifenkistenrennen wird bis heute – mit Schutzhelmen - im Rahmen der Pfarrfeste von Sankt Barbara am Schildberg in Dümpten sicher fortgesetzt. An der Schildbergschule gibt es seit 1996 sogar eine Arbeitsgemeinschaft für Seifenkistenbau. 

Dieser Text erschien am 16. April 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

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