|
Archivfoto Walter Neuhoff |
„Ja, wo fahren sie
denn?“ Ein Hauch von Monte Carlo in Mülheim. Das alte Foto stammt aus den
frühen 1950er Jahren und zeigt ein Seifenkistenrennen. Die tollkühnen Piloten
flitzen in ihren selbstgebauten Rennpappen über die Reichspräsidentenstraße und
den Hagdorn. „Von 1949 bis 1952 lud das Handelshaus Tengelmann lud junge
Mülheimer der Jahrgänge 1936 bis 1939 publikums- und werbewirksam dazu sein,
sich mit einem Auto Marke Eigenbau beim Seifenkistenrennen, das später
Schokoladenkistenrennen genannt wurde einen Kurzurlaub im Sauerland zu
verdienen, in den sie einen Elternteil mitnehmen durften“, erinnert sich der
1936 geborene Mülheimer Walter Neuhoff. Die Idee der Seifenkistenrennen war
nach dem Zweiten Weltkrieg aus den USA nach Westdeutschland gekommen. Doch
Tengelmann beendete seine beliebten Schokoladenkistenrennen zwischen Reichspräsidentenstraße,
Werdener Weg, Lohscheidt und Hagdorn, nachdem sich zwei der
Schokoladenkisten-Piloten beim Rennen 1952 überschlagen hatten und dabei zu
Tode gekommen waren.
Neben den Schaulustigen am Straßenrand sehen wir auf dem
Foto aus den frühen Fünfzigern Polizeibeamte mit ihrem bis Ende der 1960er
Jahre üblichen Tschako als Streckenposten am Straßenrand. Der von einem
Husarenhelm inspirierte Tschako war ein Symbol für die militärischen
Traditionslinien in der deutschen Polizei. Denn bis zum Ende des Kaiserreiches
1918 hatten alle Polizeibeamte vorher beim Militär gedient. Erst mit der
Ausrufung der Weimarer Republik, setzte der damalige deutsche und preußische
Innenminister Carl Severing eine vom Militär unabhängige Einheitslaufbahn der
Polizeibeamten durch.
Die Tradition der Seifenkistenrennen wird bis heute – mit
Schutzhelmen - im Rahmen der Pfarrfeste von Sankt Barbara am Schildberg in
Dümpten sicher fortgesetzt. An der Schildbergschule gibt es seit 1996 sogar
eine Arbeitsgemeinschaft für Seifenkistenbau.
Dieser Text erschien am 16. April 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen