Vater bekam jetzt Post von der Stadtverwaltung. Das bekommt
er nicht gerne. Denn meistens geht es an sein Portemonnaie, wenn ihm die Stadt
schreibt. Vorzugsweise bereichert Vater die Stadt- und Staatskasse mit
Strafgebühren für falsches Parken oder für zu schnelles Fahren. Doch jetzt
konnte Vater entspannen. Denn der Briefumschlag mit dem Verwaltungsabsende
enthielt keine teure Überraschung, sondern die Wahlbenachrichtigung für die
Wahlen zum Europäischen Parlament. Bleibt nur die Frage, ob sich Vater zu früh
entspannt hat und seine Wahlentscheidung wirklich ein billiges Vergnügen wird.
Denn auch hinter einer harmlos daherkommenden Wahlbenachrichtigung kann sich
eine teure Überraschung verbergen. Etwa zwei Drittel unserer nationalen
Gesetzgebung werden inzwischen durch das Europäische Parlament beeinflusst.
Allein die Durchführung der letzten Bundestagswahl hat den Steuerzahl nach
Angaben des Bundesinnenministeriums 92 Millionen Euro gekostet. Hinzu kommen die
rund 9700 Euro, die die 96 deutschen Europaabgeordneten als monatliche
Brutto-Diät vom Steuerzahler erhalt. Das Wort Diät ist dabei nicht zu wörtlich
zu nehmen. Doch ob sich die Wahlbenachrichtigung am Ende als lohnende
Investition in das Gemeinwesen oder als teure und unangenehme Überraschung
erweisen wird, erfährt man frühestens am Ende der vier- oder fünfjährigen Wahlperiode,
wenn die Entscheidungen der Parlamentarier auf dem Tisch liegen und sich
erweist, ob und wie sie sich für die Wähler und Steuerzahler auszahlen. Auch
wenn es an der Wahlurne nicht wie am Traualtar heißt: „bis das euch der Tode
scheidet“, ist es mit dem Bund zwischen Wählern und Abgeordneten doch genauso
wie mit dem Ehebund fürs Leben. Nicht die wunderschönen Worte in der Bewerbungsphase,
sondern die Tatsachen im Alltag entscheiden darüber, ob man ein Happy End oder
sein blaues Wunder erlebt.
Dieser Text erschien am 27. April 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
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