Samstag, 13. April 2019

Ein besonderer Blick auf Jesus von Nazareth


Eugen Drewermann in der Immanuel-Kirche
In der Styrumer Immanuel Kirche ließen sich rund 100 Zuhörer – trotz Schnee und Eis – von Eugen Drewermann inspirieren und für das neue Jahr seelisch aufrüsten. Ausgehend von seinem Buch: „Das Geheimnis des Jesus von Nazareth“ und auf der Basis biblischer Gleichnisse wie dem vom Gelähmten, der von Jesus geheilt wird, in dem er ihm zusagt: „Deine Sünden sind dir vergeben“ machte der Ex-Katholik und Ex-Priester seinem ökumenischen Publikum Mut, sich von bürgerlichen Moralvorstellungen des Belohnens und des Strafens freizumachen.

Die bürgerliche Rechtsmoral, so der Theologe und Psychoanalytiker, habe nichts mit der Ethik des versöhnenden Jesus von Nazareth zu tun. Beispielgebend wies Drewermann auf das Jesu-Gleichnisse von der Ehebrecherin hin, deren Richtern Jesus sagt: „Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.“ Das, was Theologen und Juristen Sünde, Schuld und Straftat nennen, ist für den 1940 in Bergkamen geborenen Drewermann kein Ausdruck bewusster Entscheidung zum Falschen, sondern Ergebnis einer oft sozial motivieren Verirrung. Ausgehend vom Jesu-Gleichnis des Hirten, der sein verirrtes Schaf sucht und zur Herde zurückträgt, hält es Drewermann aus christlicher Sicht für kontraproduktiv mit Begriffen wie Sünde und Moral zu operieren, da gerade Menschen, deren Leben durch Verirrungen aus den Fugen geraten sei, keine Strafe und Abgrenzung, sondern im Gegenteile eine besonders intensive Zuwendung und ein besonders intensives Erleben von Gemeinschaft bräuchten, um auf ihren Lebensweg zurückzufinden.

Aus seiner Beratungs- und Seelsorge-Praxis berichtete er davon wie Menschen etwa durch eine plötzliche Arbeitslosigkeit, durch traumatische Kindheitserfahrungen und einen durch den Kapitalismus aufgezwungenen Konkurrenzkampf seelisch deformiert und daran gehindert würden, der oder die zu werden, die sie seien. Vor diesem Hintergrund sieht Drewermann die „über Golgatha hinausweisende Perspektive der Religion“ nicht als „eine Vertröstung auf ein Jenseits“, sondern als „Quelle der Kraft und der Hoffnung“, die Menschen erst in die Lage versetze für eine friedlichere, freiere und solidarischere Gesellschaft einzutreten und zu arbeiten. „Mit der Perspektive, die über Golgotha hinaus auf ein ewiges Leben bei Gott hinweist“, so Drewermann, „brauchen wir uns als Christen nicht fragen, ob wir in dieser Welt belohnt oder bestraft werden. Wir werden als auf Gott vertrauende Menschen nur fragen, was bei Gott gilt.“ Am Beispiel des durch die Bergpredigt Jesu überlieferten Vater-Unsers machte Drewermann deutlich, dass jeder Mensch Vergebung braucht und deshalb auch vergeben kann, wenn er sich deutlich macht, „dass auch ich der andere sein könnte, wenn ich unter anderen Lebensumständen geboren worden wäre, die nicht mit eigener Leistung, sondern nur mit Glück zu tun haben.“


Dieser Text erschien am 26. Januar 2019 im Neuen Ruhrwort




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