Eugen Drewermann in der Immanuel-Kirche |
In der Styrumer Immanuel Kirche ließen sich rund
100 Zuhörer – trotz Schnee und Eis – von Eugen Drewermann inspirieren und für
das neue Jahr seelisch aufrüsten. Ausgehend von seinem Buch: „Das Geheimnis des
Jesus von Nazareth“ und auf der Basis biblischer Gleichnisse wie dem vom
Gelähmten, der von Jesus geheilt wird, in dem er ihm zusagt: „Deine Sünden sind
dir vergeben“ machte der Ex-Katholik und Ex-Priester seinem ökumenischen
Publikum Mut, sich von bürgerlichen Moralvorstellungen des Belohnens und des
Strafens freizumachen.
Die bürgerliche Rechtsmoral, so der Theologe und Psychoanalytiker,
habe nichts mit der Ethik des versöhnenden Jesus von Nazareth zu tun.
Beispielgebend wies Drewermann auf das Jesu-Gleichnisse von der Ehebrecherin
hin, deren Richtern Jesus sagt: „Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den
ersten Stein.“ Das, was Theologen und Juristen Sünde, Schuld und Straftat
nennen, ist für den 1940 in Bergkamen geborenen Drewermann kein Ausdruck bewusster
Entscheidung zum Falschen, sondern Ergebnis einer oft sozial motivieren
Verirrung. Ausgehend vom Jesu-Gleichnis des Hirten, der sein verirrtes Schaf
sucht und zur Herde zurückträgt, hält es Drewermann aus christlicher Sicht für
kontraproduktiv mit Begriffen wie Sünde und Moral zu operieren, da gerade
Menschen, deren Leben durch Verirrungen aus den Fugen geraten sei, keine Strafe
und Abgrenzung, sondern im Gegenteile eine besonders intensive Zuwendung und
ein besonders intensives Erleben von Gemeinschaft bräuchten, um auf ihren
Lebensweg zurückzufinden.
Aus seiner Beratungs- und Seelsorge-Praxis berichtete er
davon wie Menschen etwa durch eine plötzliche Arbeitslosigkeit, durch
traumatische Kindheitserfahrungen und einen durch den Kapitalismus aufgezwungenen
Konkurrenzkampf seelisch deformiert und daran gehindert würden, der oder die zu
werden, die sie seien. Vor diesem Hintergrund sieht Drewermann die „über Golgatha
hinausweisende Perspektive der Religion“ nicht als „eine Vertröstung auf ein
Jenseits“, sondern als „Quelle der Kraft und der Hoffnung“, die Menschen erst
in die Lage versetze für eine friedlichere, freiere und solidarischere
Gesellschaft einzutreten und zu arbeiten. „Mit der Perspektive, die über Golgotha
hinaus auf ein ewiges Leben bei Gott hinweist“, so Drewermann, „brauchen wir
uns als Christen nicht fragen, ob wir in dieser Welt belohnt oder bestraft
werden. Wir werden als auf Gott vertrauende Menschen nur fragen, was bei Gott
gilt.“ Am Beispiel des durch die Bergpredigt Jesu überlieferten Vater-Unsers
machte Drewermann deutlich, dass jeder Mensch Vergebung braucht und deshalb
auch vergeben kann, wenn er sich deutlich macht, „dass auch ich der andere sein
könnte, wenn ich unter anderen Lebensumständen geboren worden wäre, die nicht
mit eigener Leistung, sondern nur mit Glück zu tun haben.“
Dieser Text erschien am 26. Januar 2019 im Neuen Ruhrwort
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