Mittwoch, 18. Dezember 2019

Revolutionärer Rückblick


Gerade mal 100 Jahre ist es her, dass Deutschland erstmals zu einer demokratischen Republik wurde. Wie sich der revolutionäre Übergang vom Kaiserreich zur Republik auf Mülheim und seine damals 112.000 Einwohner auswirkte, beleuchtet Peter Berens am kommenden Donnerstag, 19. Dezember, um 19 Uhr in seinem eintrittsfreien Vortrag im Rahmen der Reihe zur Stadtgeschichte, zu dem das Stadtarchiv in Haus der Stadtgeschichte (Von-Greafe-Straße 37) eingeladen hat.


Berens betrachtet in besonderer Weise die politische Rolle der Bergarbeiter, die vor 100 Jahren auch in Mülheim für Arbeitszeitverkürzungen und Lohnerhöhungen streikten und im Rahmen des von den linken unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) dominierten Arbeiter- und Soldatenrates für eine sozialistische Republik kämpften, dann aber von Reichswehrtruppen und rechtsnationalen Freikorps niedergekämpft wurden.


In dieser Zeit wehten auf den öffentlichen Gebäuden der Stadt die Rote Fahne und die Tageszeitung Die Freiheit unterstützte die Streiks der revolutionären Berg- und Stahlarbeiter, die sich in der Union der Hand- und Kopfarbeiter organisierten. „Anders als die Union der Hand- und Kopfarbeiter, die USPD und der Arbeiter- und Soldatenrat, lehnten die christlichen und die der Mehrheits-SPD nahestehenden Freien Gewerkschaften das politische Instrument des Streiks ab. Man muss sehen, dass die Bergarbeiter als ungelernte Arbeiter vergleichsweise gut bezahlt wurden, aber unter Tage auch vielen Risiken ausgesetzt waren. Viele Bergarbeiter litten an Silikose und Wurmerkrankungen“, berichtet Berens.


Er wird in seinem Vortrag auch auf die vom Arbeiter- und Soldatenrat gebildete Sicherheitswehr schauen, die in Mülheim gegen Plünderungen vorgingen, aber auch revolutionäre Arbeiter in anderen Städten des Ruhrgebietes unterstützte. Außerdem zeigt Berens auf wie die damals nach wie vor monarchistisch geprägte Beamtenschaft der vom nationalliberalen Oberbürgermeister Paul Lembke geführten Stadtverwaltung versuchte, den Arbeiter- und Soldatenrat auszubremsen. „Man muss nicht alles hinnehmen und kann soziale und wirtschaftliche Verbesserungen durchsetzen, wenn man sich solidarisiert und organisiert“, beschreibt Berens die für ihn wichtigste Erkenntnis aus seiner Erforschung der linken Arbeiterbewegung in der frühen Weimarer Republik. (T.E.)

Zur Person:


Der gelernte Industriefacharbeiter und promovierte Historiker Peter Berens (66) hat Bücher über den „Babcock-Bankrott“ und über den kommunistischen Widerstand in der NS-Zeit „Trotzkisten gegen Hitler“ verfasst. Seine Doktorarbeit schrieb er an der Universität Duisburg-Essen zur KPD während der Weimarer Republik. Als Lehrer unterrichtet er Deutsch als Fremdsprache. Mehr über ihn findet man auf der der Internetseite: www.berens-historiker.de



Dieser Text erschien in NRZ/WAZ vom 17. Dezember 2019

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ein Mini-Malta an der Ruhr

Wo heute der Nachwuchs bei der Arbeiterwohlfahrt seine Freizeit verbringt, schoben im alten Wachhaus der Wraxham Baracks von 1945 bis 1994 S...