"Solange man neugierig ist, kann einem das Alter nichts anhaben." Dieser Satz des amerikanischen Filmschauspielers und Filmproduzenten Burt Lancester (1913-1994) steht nicht von ungefähr auf der Internetseite des Wohnprojektes LINA. "Wer bei uns wohnt, muss sich schon wohlwollend auf andere Menschen einlassen", sind sich Jürgen Thiele, Renate Görke, Gudrun Kohler und Günter Möckel einig. Sie sind vier der 19 Wohngenossen, die sich mit viel Energie und Kreativität zusammen mit der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft MWB im alten Pfarrhaus von St. Mariä Himmelfahrt ein gemeinsames Zuhause geschaffen haben, dass keiner der reifen Bewohner der Generation 55 Plus heute noch mal missen möchte.
Die Geburtsstunde von Lina, das steht für Leben in Nachbarschaft Alternativ, schlug 2007 bei einem Seminar, das Ragnhild Geck für das Netzwerk der Evangelischen Kirchengemeinde Saarn organisiert hatte. Dessen Teilnehmer fragten sich damals: "Wie will ich im Alter leben und wohnen?" Jürgen Thiele, Gudrun Kohler und Renate Görke gehörten zu der Fraktion, die schnell entschlossen war, ein Gemeinschaftswohnprojekt zu realisieren. "Wir wollten damals sofort bauen und ahnten nicht, dass trotz kontinuierlicher Planungsarbeit noch einmal zehn Jahre ins Land ziehen sollten, ehe wir 2017 in unser gemeinsames neues Zuhause einziehen konnten", berichtet die heute 79-jährige Renate Görke.
Nach zweieinhalb Jahren in dem von der MWB gekauften und barrierearm umgebauten Haus an der Klosterstraße 60 bis 62 sagt Görke: "Ich fühle mich hier gut aufgehoben." Ihre Hoffnung, "dass ich hier individuell, aber nicht alleine in einer anregenden und inspirierenden Gemeinschaft leben kann", ist für sie "voll eingetroffen." Obwohl das LINA-Haus, dass aus einem Alt- und einem Neubauteil besteht und durch seinen modernen Erweiterungsbau mit einem Aufzug ausgestattet werden konnte, an der Klosterstraße, gleich gegenüber des alten Zisterzienserinnenklosters Mariensaal, gelegen ist, hat es in seinem Inneren so gar nichts vom klösterlichen Gemeinschaftsleben der Jahre 1214 bis 1808.
19 Hausgenossen in 13 Wohnungen
Die 13 barrierearmen Wohnungen sind zwischen 48 und 109 Quadratmeter groß und glänzen mit modernem Wohnkomfort. "Die Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft hat uns die Möglichkeit gegeben den Grundriss unserer Wohnungen im vorgegebenen Rahmen der Versorgungsleitungen und der tragenden Wände mitzugestalten", erinnert sich Gudrun Kohler. Mit ihrem Hausnachbarn Jürgen Thiele ist sie sich einig: "Man kann hier individuell und gemeinschaftlich wohnen. Niemand steht hier unter Rechtfertigungsdruck, an gemeinsamen Aktivitäten teilzunehmen, die nicht nach dem eigenen Geschmack sind. Aber alle haben die Chance sich mit ihren Talenten in die Gemeinschaft einzubringen." Günter Möckel, der durch seine Lebensgefährtin Heike Glass ins LINA-Haus gekommen ist, beschreibt das dortige Lebensgefühl so: "Man läuft hier nicht aneinander vorbei und darf sich morgens am Briefkasten auch schon mal drücken und der Wäschekeller ist unsere Kommunikationszentrale." Doch Gemeinschaft und Kommunikation werden nicht nur im Wäschekeller gepflegt. Denn dafür gibt es ja auch den Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss. Hier trifft sich die Gemeinschaft, isst (nicht täglich, aber regelmäßig) zusammen, feiert Feste, lädt zu Hauskonzerten, zum Literaturkreis, plant die Einsätze der Gartengruppe oder versammelt sich in einer IT-Runde zum Fachsimpeln über Smartphone, Tablet und Co. Dabei entscheidet jeder LINA-Hausgenosse, wieviel Privatissimo und wie viel Gemeinschaft es für ihn oder sie sein darf.
Die Tatsache, dass die MWB als Bauherr und Hauseigentümer neben LINA in Saarn vergleichbare Gemeinschaftswohnprojekte an der Friedhofstraße in Speldorf und am Fünter Weg in Heißen realisiert hat, zeigt das der demografische Wandel und die damit verbundene Zunahme alleinstehender Senioren, die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens im Alter für immer mehr Menschen attraktiv macht. Dabei lässt LINA-Haus-Genossin Gudrun Kohler mit Blick auf eine Quadratmeter-Miete zwischen neun und elf Euro auch keinen Zweifel daran, dass die Investitionen, die notwendig sind, um einen Altbau modern und barrierearm zu machen, durch die Mieten refinanziert werden müssen. Und auch wenn Nachbarschaftshilfe bei LINA selbstverständlich ist, macht Gudrun Kohler klar, dass die Bewohner im Fall der Fälle keine Pflege leisten könnten, sondern dies einem ambulanten Pflegedienst überlassen müssten und wollten. Und für Jürgen Thiele ist zudem wichtig, dass die hinterbliebenen Hausgenossen bei einem Todesfall durch den Kooperationsvertrag zwischen LINA e.V. und MWB ein Mitspracherecht haben, wenn es um den Einzug eines neuen Mieters oder einer neuen Mieterin gehen sollte.
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