Donnerstag, 19. Dezember 2019

Ökumenischer Brückenschlag

Die beiden christlichen Stadtkirchen sind ihrer Zeit voraus. Sie laden bereits zum Beginn des Advents zu ihrem Neujahrsempfang, weil mit dem Advent das neue Kirchenjahr beginnt. Mit einem ökumenischen Neujahrsempfang haben das Stadtdekanat und der Kirchenkreis an der Ruhr jetzt Neuland betreten. Die Idee eines gemeinsamen Jahresempfangs hatte der Vorsitzende des Stadtkatholikenrates, Rolf Völker, bereits vor zwei Jahren ins Gespräch gebracht.
Mit dieser ökumenischen Neuerung geht auch eine Verschmelzung des Evangelischen Hoffnungspreises und der katholischen Nikolaus-Groß-Medaille einher. „Im kommenden Jahr wollen wir einen gemeinsamen Preis vergeben, der Menschen auszeichnet, die sich als Christen für Menschen einsetzen und uns mit ihrem Engagement Mut machen“, sagten Stadtdechant Michael Janßen und Superintendent Gerald Hillebrand beim Empfang im Altenhof, dem Haus der Evangelischen Kirche. 

Beim ersten ökumenischen Neujahrsempfang wurden beide Auszeichnungen mit einer Gesamtdotierung von 3000 Euro an die 30 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Notfallseelsorge vergeben. Die Notfallseelsorge wurde 1997 vom Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr ins Leben gerufen und bis 2014 ausschließlich von evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern getragen. Seit fünf Jahren wird das Team der Notfallseelsorger von qualifizierten Laien aus der evangelischen und katholischen Stadtkirche mitgetragen. „Zurzeit haben wir 23 evangelische und sieben katholische ehrenamtliche Notfallseelsorger, die in der Nachfolge Christi Menschen in existenziellen Krisensituationen beistehen“, berichtete der hauptamtliche Leiter der Notfallseelsorge, Pfarrer Guido Möller. „Es ist eine schwierige, aber auch sehr sinnvolle Arbeiten, die wir Gott sei Dank nicht alleine, sondern getragen von einer starken Gemeinschaft leisten und bei der wir von den Betroffenen viel Dankbarkeit zurückbekommen, weil wir für sie da sind und mit ihnen extremen Schmerz und Leid aushalten, konkrete Hilfestellung geben und ihnen so in einer Ausnahmesituation nach einem Schicksalsschlag Halt geben“, berichteten die beiden ehrenamtlichen Notfallseelsorgerinnen Sabine Magiera aus der Pfarrgemeinde St. Barbara und Christina Steinbeck aus der Kirchengemeinde Broich-Saarn. „Sie leisten eine sehr anspruchsvolle Arbeit, die Standhaftigkeit und menschliches Einfühlungsvermögen verlangt“, würdigte Superintendent Gerald Hillebrand die Preisträger. Und Stadtdechant Michael Janßen bescheinigte den ehrenamtlichen Notfallseelsorgern im Geiste des seligen Widerstandskämpfers Nikolaus Groß in der Nachfolge Christi „ihr Leben einzusetzen“!


Dem Empfang im Altenhof war eine ökumenische Vesper in der benachbarten katholischen Stadtkirche St. Mariae Geburt vorausgegangen.


Bei dieser Vesper hatte Generalvikar Klaus Pfeffer unter dem Beifall der Gottesdienstbesucher betont: „Wir werden die Herausforderungen der Zukunft als christliche Kirchen nur gemeinsam bestehen. In einer Gesellschaft, in der christlicher Glaube nicht mehr selbstverständlich ist, wissen viele Menschen gar nicht mehr, was die christlichen Konfessionen unterscheidet. Wir können Menschen nur durch unser eigenes Beispiel von der christlichen Botschaft überzeugen. Und wir müssen gemeinsam unsere Stimme erheben, wenn Hass, Hetze und gesellschaftliche Spaltung Menschenwürde und Demokratie gefährden.“ Pfeffers Dialogpartnerin aus der evangelischen Landeskirche, Oberkirchenrätin Barbara Rudolph sagte: „Wir beobachten in der katholischen Kirche einen ernsthaften Erneuerungsprozess und wir beten für seinen Erfolg. Die christlichen Kirchen müssen sich immer wieder durch das biblische Wort Jesu reformieren. Deshalb machen mir die jungen Pfarrerinnen und Pfarrer Mut, die nicht über die Krise der Kirche lamentieren, sondern nach neuen Wegen suchen, die Frohe Botschaft weiterzugeben. Die Menschen müssen sich in ihrer Kirche wieder zuhause fühlen. Und das wird uns nur gelingen, wenn wir in jedem Stadtteil ein gemeinsames christliches Gemeindezentrum haben, statt unsere evangelischen und katholischen Gemeinden immer größer werden zu lassen, so dass sie bis zu drei Stadtteile umfassen. Nicht nur unsere Kirchen, auch das Ruhrgebiet braucht neue Ideen. Und deshalb dürfen wir nicht weiter im eigenen Saft schmoren, sondern müssen als Christen Hoffnungsträger werden, die Menschen positive Geschichten vom Leben erzählen und so dazu beitragen, die Menschen miteinander zu versöhnen und die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden.

INFO: Die 1929 eingeweihte katholische Stadtkirche St. Mariae Geburt und der 1930 als Haus der Evangelischen Kirche eröffnete Altenhof sind benachbarte Gebäude an der Althofstraße auf dem Mülheimer Kirchenhügel. In diesem historischen Altstadtkern sind die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts reformierte Petrikirche und die katholischen Stadtkirche St. Mariae Geburt, deren Vorgängerinnen dort 1786 und 1872 eingeweiht wurden, unmittelbare Nachbarn. Die Kindertagesstätten von St. Mariae Geburt und der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim sind unter dem Dach eines ökumenischen Familienzentrums miteinander verbunden. In den Nachkriegsjahren, als die Petri- und die Marienkirche aufgrund ihrer Kriegsschäden nicht zu nutzen waren, diente der Altenhof zwischen der Kaiserstraße und der Altenhofstraße beiden christlichen Konfessionen als gemeinsamer Gottesdienstort. Zwischen 1907 und 1938 hatte die Synagoge am damaligen Viktoriaplatz, dem heutigen Synagogenplatz die Trias der Gotteshäuser in der Mülheimer Innenstadt komplettiert. Heute gehören noch rund 96.000 der 170.000 Mülheimer den beiden Christlichen Stadtkirchen. Vor 25 Jahren waren es noch rund 125.000 der damals etwa 190.000 Einwohner.


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