Freitag, 8. Februar 2019

Was will das Bundesteilhabegesetz?

Bei der Infoveranstaltung im Dorfrathaus (von links)
Stiftungsvorstand Carsten Bräumer, MdB Uwe Schummer und 
Paul Heidrich vom Eltern und Betreuerverein der
Thehodor-Fliedner Stiftung
Welches Ziel verfolgt der Gesetzgeber mit dem Bundesteilhabegesetz? Das wollte der Eltern- und Betreuerbeirat der Theodor-Fliedner-Stiftung wissen und lud deshalb des Sozialpolitiker und CDU-Bundestagsabgeordneten Uwe Schummer ins Dorfrathaus ein.
Von diesem Gesetz sind alle Menschen mit Handicap betroffen, die in einer beschützenden Einrichtung wie der Theodor-Fliedner-Stiftung leben. Allein in deren Selbecker Dorf leben derzeit rund 170 Menschen mit einer Behinderung, die dort von Fachkräften betreut werden.
"Das Bundesteilhabegesetz setzt die von Deutschland unterschriebene UN-Menschenrechtskonvention um, die ein gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben fordert", erklärte Schummer den Ausgangspunkt der aktuellen Gesetzgebung. Künftig solle sich die finanzielle Förderung nicht  mehr an den Strukturen der beschützenden Einrichtungen, sondern an den persönlichen Bedürfnissen der Betroffenen orientieren. Diese müssten zum Beispiel die Option und die Wahlfreiheit haben, ob sie in einer beschützenden Werkstatt oder an einem inklusiven Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt berufstätig sein wollten.
Stiftungsmitarbeiter Friedhelm Tissen sprach mit Blick auf das Bundesteilhabegesetz, dass 2020 in Kraft treten soll "von einer großen Unsicherheit unter den gesetzlichen Betreuern und Angehörigen." Tissen forderte eine größere Transparenz bei den finanziellen Förderkriterien. Diese müssten der Tatsache, Rechnung tragen, dass die Teilhabechanchen schwerbehinderter Menschen wesentlichen von den Fachkräften abhingen, die sie täglich betreuten.
"Das hört sich alles gut an. Aber für uns ist entscheidend, ob die Versorgung unserer Kinder am Ende besser oder schlechter wird", brachte es die Mutter auf den Punkt. Und ein Vater, dessen Tochter im Fliednerdorf lebt, stellt vor allem an den Wochenenden einen akuten Personalmangel fest. "Deshalb holen wir unsere Tochter am Wochenende immer nach Hause, damit sie raus und auf die Beine kommt", schilderte der Vater seine persönliche Konsequenz.
Der Vorsitzende des Eltern- und Betreuer-Beirates Paul Heidrich wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vom Bundesteilhabegesetz geforderte Erhöhung der Einzelzimmer-Quote in der Praxis vor Ort zur Bildung neuer Wohngruppen geführt habe, für die jetzt aber kein Personal da sei. "Wir ringen um Fachpersonal und um eine bestmögliche Betreuung der Bewohner, Aber das hat alles natürlich auch seine Grenzen", räumte Stiftungsvorstand Carsten Bräumer ein.
Uwe Schummer, der als Abgeordneter dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales angehört ermutigte seine Zuhörer, über ihre Abgeordneten auf die Gesetzgebung einzuwirken. Er betonte: "Dieses Gesetz ist kein Einsparungsgesetz. Allein in Nordrhein-Westfalen werden vor Ort 500 zusätzliche Teilhabe-Beratungsstellen aufgebaut. Dafür hat der Bund den Kommunen über eine Entlastung bei den Unterbringungskosten und bei der Grundsicherung sowie durch zusätzliche Anteile an den Mehrwertsteuereinnahmen  um insgesamt 5,8 Milliarden Euro entlastet."
Derweil plant der von Paul Heidrich geleitete Eltern- und Betreuerbeirat der Theodor-Fliedner-Stiftung zwei weitere Informationsveranstaltungen zum Bundesteilhabegesetz, zu denen die Behinderten- und Patientenbeauftragte der Landesregierung Claudia Middendorf und der für Mülheim, Essen und Oberhausen zuständige Abteilungsleiter des Landschaftsverbandes Rheinland, Jürgen Langenbucher erwartet werden.

Dieser Text erschien am 6. Februar 2019 in der Mülheimer Woche

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