Montag, 25. Februar 2019

Ohne Frauen ist kein Staat zu machen

Demografisch sind die Frauen in der Mehrheit. 50,4 Prozent der Deutschen sind Frauen. Doch im Deutschen Bundestag sind Frauen mit einem Mandatsanteil von 30,9 Prozent eine Minderheit. Seinen höchsten Frauenanteil hatte der Bundestag zwischen 2013 und 2017, als 36,5 Prozent seiner Abgeordneten weiblich waren. Noch schlechter sieht es in unserer Stadt aus. Von den 55 Ratsmitglieder sind nur 11 Frauen. Das entspricht einem Mandatsanteil von 20 Prozent, während 51,3 Prozent aller Mülheimer weiblich sind.

100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechtes in Deutschland hat der brandenburgische Landtag ein Gesetz verabschiedet, wonach die Wahllisten aller Parteien, die künftig zu Landtagswahlen antreten paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sein müssen. Der Deutsche Frauenrat und die Bundeskonferenz der deutschen Gleichstellungsbeauftragten sehen in diesem ostdeutschen Landesgesetz auch ein wegweisendes Vorbild für den Bund.

Auch Mülheims Gleichstellungsbeauftragte Antje Buck sagt: „Wir sollten diesen Versuch. Das hätte eine positive Strahlkraft. Es würde das Vertrauen in unsere Demokratie und deren Repräsentativität stärken, weil es gut ist, wenn möglich viele unterschiedliche Frauen und Männer ihre biografischen Erfahrungen in die politische Arbeit einbringen.“ Buck ist zuversichtlich, dass sich mit einem solchen politischen Rückenwind auch mehr Frauen für die parlamentarische Arbeit gewinnen ließen. Die seit 20 Jahren in ihrem Amt aktive Gleichstellungsbeauftragte weist darauf hin, dass regionale Quotierungen in Parlamenten und Parteien längst gang und gebe seien. Darüber hinaus wüscht sich Buck eine selbstkritische Reflektion erstarrter und zeitraubender Parlamentsrituale, die der Tatsache Rechnung trage, „dass die Sitzungszeiten im Parlamentsbetrieb immer auch Lebenszeit sind.“

Bürgermeisterin Margarete Wietelmann (SPD) sieht das genauso wie Buck. Auch wenn sie keine begeisterte Verfechterin von Frauenquoten ist, sieht die Sozialdemokratin, „eine gesetzlich vorgeschriebene Geschlechterparität ein notwendiges Vehikel, um mehr Frauen in die Parlamente zu bringen.“ Grundsätzlich sieht sie die politischen Parteien vor der Herausforderung mehr junge Menschen an die Politik und die Parlamente heranzuführen. Wietelmanns Amtskollegin Ursula Schröder sagt dagegen: „Ich bin keine Quotenfrau“. Sie ist davon überzeugt, dass Frauen auch ohne Quotierung Mandate gewinnen und ausfüllen können. Allerdings sieht sie, dass vor allem jüngere Frauen, die noch mit der Familien- und Existenzgründung beschäftigt seien, oft keine Zeit für die aktive Politik in Parteien und Parlamenten hätten.

Die Fraktionssprecherin der Grünen, Franziska Krumwiede-Steiener sagt: „Das Partitégesetz, wie es in Brandenburg eingeführt worden ist und in weiteren Bundesländern aktuell diskutiert wird, begrüße ich voll und ganz. Nur so wird sich der Frauenanteil in den Parlamenten verbessern.“ Ein Paritätsgesetz für die Parlamente wird nach Ansicht Krumwiedes die Parteien dazu zwingen, nach qualifizierten  Frauen zu suchen, Sitzungen effizienter zu gestalten und Männerseilschaften zu öffnen. Eine rein männliche Verwaltungsspitze wie sie derzeit in Mülheim amtiert ist für die Grüne ein „No Go“.

Für die Vize-Vorsitzende der Mülheimer FDP, Meike Maass, die bis 2017 dem Rat der Stadt angehörte, ist das brandenburgische Paritätsgesetz verfassungswidrig. Die Liberale warnt vor einer Geschlechterteilung des Wahlvolkes und vor einem Angriff auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Gleichzeitig hält Maass hält einen „höheren Frauenanteil in den Parlament für wünschenswert und angezeigt“.- Dies hält die Büroleiterin der NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer aber nur für erreichbar, wenn Parteien und Parlamente ihre Arbeitsabläufe zeitlich so gestalten, „dass sie familienfreundlicher werden.“ 

Mülheims erste Parlamentarierinnen


 
Die Lehrerin Maria Büßmeyer und die Hausfrauen Katharina Havermann und Luise Blumberg zogen vor 100 Jahren als erste Frauen in den Mülheimer Stadtrat ein. Büßmeyer und Blumberg gehörten der katholischen Zentrumspartei und Blumberg der liberalen Deutschen Volkspartei an. Mit ihnen saßen 1919 69 Männer im Stadtparlament. Unter den 39 Stadtverordneten, die am 13. Oktober 1946 in den ersten Nachkriegsstadtrat gewählt worden, waren mit den Christdemokratinnen Anna Maria Rodenbüsch und Maria Riebartsch und den Sozialdemokratinnen Katharina Meyer, Luise Foshagen, Änne Kleinbekes fünf Frauen. 1953 wurde mit der Christdemokratin Gisela Prätorius erstmals eine Frau für Mülheim in den Bundestag gewählt. Ihr sollten 1967 die Christdemokratin Helga Wex und 1998 die Liberale Ulrike Flach nachfolgen. Vor Nordrhein-Westfalens erster Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und der NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) wurde Mülheim bereits in den 1960er Jahren von der Christdemokratin Anni Seelbach im Landtag vertreten. Mit der Sozialdemokratin Eleonore Güllenstern wurde 1982 erstmals eine Oberbürgermeisterin gewählt. Ihr sollte 2003 ihre Parteifreundin Dagmar Mühlenfeld (als Nachfolger des Christdemokraten Jens Baganz) in dieses Amt folgen.
Dieser Text erschien am 25. Februar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

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