Donnerstag, 19. März 2020

Schule in Zeiten von Corona

Auch wenn die Schulen vorerst bis zum 19. April geschlossen sind, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen, muss der Schulunterricht irgendwie weitergehen. Das gilt auch für die 709 Schüler und 56 Lehrer der Realschule Stadtmitte. "Wir wollen Kontakt halten und unsere Schüler und ihre Eltern zuhause nicht alleine lassen", sind sich Rektorin Sabine Dilbat und der didaktische Leiter der Realschule, Jan Hansen, einig.
Mitte der vergangenen Woche wurden die beiden Pädagogen aktiv, als bereits öffentlich über mögliche Schulschließungen spekuliert wurde, ehe am Freitagnachmittag die Entscheidung der Landesregierung kam. Auf der Internet-Plattform des Messenger-Dienstes Schulmanager-Online.de richteten sie ein digitales Klassenzimmer für ihre vom Corona-Virus ausgebremste Schulgemeinschaft ein.
"Wir sind dem Betreiber des Dienstes dankbar dafür, dass wir diese Plattform, so wie insgesamt 300 Schulen in Deutschland, bis zum 19. April kostenlos nutzen können, da uns eine vergleichbare digitale Lernplattform, an der das Land arbeitet, noch nicht zur Verfügung steht",
erklärt Hansen.

Auch Binnendifferenzierung ist möglich

Via Smartphone, Computer, Smart-TV, Tablet-PC oder Notebook können die Schüler daheim mithilfe eines Login-Codes die digitale Lernplattform betreten, um dort mit ihren Lehrern zu kommunizieren, Nachfragen zu stellen, die von ihnen eingestellten Aufgaben zu bearbeiten und auch gleich eine Resonanz auf ihre Arbeitsergebnisse zu bekommen. Wie im analogen Schulleben, bilden die Klassengemeinschaften auf der digitalen Lernplattform Lerngruppen und auch pädagogisch binnendifferenzierte Untergruppen.

Online diskutieren möglich

Online-Diskussionen oder die Bearbeitung von Inhalten, die mithilfe einer Film- oder Audiodatei in den Unterricht einfließen, sind im digitalen Klassenzimmer ebenso möglich, wie das klassische Herunterladen von Arbeitsblättern und Tests. "Das wir den Übergang ins digitale Lernen ohne große Vorerfahrungen geschafft haben, ist der Tatsache zu verdanken, dass wir ein sehr aktives und engagiertes Kollegium haben", betont Schulleiterin Sabine Dilbat. Der didaktische Leiter Jan Hansen findet es bemerkenswert, "dass die Schüler zurzeit täglich mehr Aufgaben bearbeiten, als vorher im Präsenzunterricht." Dass die Schüler-Lehrer-Kommunikation und die Vermittlung von Lerninhalten auch online funktioniert, führt Hansen auch darauf zurück, "dass sich auch die Kollegen, die nur eine halbe Stelle haben, derzeit fast Vollzeit in das Projekt einbringen, um den Lernfluss aufrechtzuerhalten."
Doch der aus Nordfriesland stammende Pädagoge, der jetzt an der Ruhr unterrichtet, lässt keinen Zweifel daran, dass die Online-Schule mit all ihren Möglichkeiten mit dem 1:1-Unterricht in der analogen Schulwirklichkeit nicht zu vergleichen ist.
"Schule bedeutet im richtigen Leben nicht nur, Lernstoff zu vermitteln, abzufragen und zu vermitteln. Hier geht es immer auch um Kommunikation, soziale Beziehungen und Interaktion",
unterstreicht Hansen. Konkret bedeutet das für ihn, "dass wir zurzeit nur bestehende Unterrichtsinhalte vertiefen, aber keine neuen Unterrichtsinhalte einführen können."

Sehr hilfreich, aber keine Ideallösung

Auch Sabine Dilbat weiß:
"Wenn wir den regulären Schulbetrieb wieder aufnehmen können, müssen wir vor allem mit Blick auf die zentralen Abschlussprüfungen der Zehntklässler intensiv und gezielt nacharbeiten."
Eigentlich sollen die zentralen Abschlussprüfungen in der ersten Mai-Hälfte stattfinden. Doch die Pädagogen der Realschule Stadtmitte gehen derzeit davon aus, dass es wie bei den Abiturprüfungen zu einer Verschiebung kommen wird.
Auch wenn das digitale Klassenzimmer keine pädagogische Ideallösung sein kann, lässt der Schulpflegschaftsvorsitzende, Andreas Wildoer, dessen Tochter die siebte Klasse der Realschule Stadtmitte besucht, keinen Zweifel daran, "dass die Eltern sehr dankbar dafür sind, dass unsere Kinder auf diesem Weg weiter unterrichtet werden und so eine sinnvolle Tagesstruktur bekommen können." Befürchtungen  vieler Eltern, dass ihr Nachwuchs nach der Schließung des Schulbetriebs: "zuhause die Bude auf links drehen und vor allem mit der Playstation arbeiten" werde, haben sich schon nach den ersten Tagen des Online-Unterrichts zerschlagen. Überhaupt hat Wildoer mit Blick auf das Home-School-Office seiner Tochter das Gefühl, "dass sie keineswegs froh über den Schulausfall, sondern angesichts der Corona-Krise sehr nachdenklich und dankbar dafür ist, dass sie mithilfe des Online-Schulmanagers mit ihren Mitschülern und Lehrern chatten und Aufgaben herunterladen und bearbeiten kann."
Jan Hansen zitiert Rückmeldungen über die Erfahrungen, die Schüler, Lehrer und Eltern mit dem Online-Manager gemacht haben:
"Die Tools der digitalen Plattform sind einfach und intuitiv zu handhaben. Toll ist auch die Möglichkeit, dass die Arbeitsergebnisse der gestellten Aufgaben sofort zurückgespielt werden können."
Besonders verblüfft und gefreut hat den Pädagogen eine an einem der letzten Online-Schultage um 8.02 Uhr über Schulmanager Online eingegangene Klassen-Nachricht: "Können wir schon mal Aufgaben erledigen. Uns ist langweilig." Dafür, dass bei den daheim lernen Schülern keine Langeweile aufkommt, sorgen auch die Mitarbeiter des offenen Ganztagsschulbetriebs. Sie stellen täglich Tipps für eine sinnvolle Freizeitgestaltung auf die digitale Lernplattform.
Dieser Text erschien am 18. März 2020 im Lokalkompass der Mülheimer Woche

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