Noch vor nicht
allzu langer Zeit hetzte ich zur Haltestelle, um dort die abfahrbereite
Straßenbahn zu erreichen. Ich drückte alle Knöpfe und klopfte gegen das Bahnfenster.
Doch keine Tür tat sich mir auf. Ich wollte schon in Wut über die vermeintliche
Ignoranz des Straßenbahnfahrers geraten. Doch dann sah ich beim Blick auf den
Zielanzeiger der Tram, dass ich selbst ignoriert hatte, was dort stand: „Fahrschule“.
Als ich jetzt
an einem der letzten Sonnentage auf dem Weg zur Haltestelle eine Straßenbahn
ankommen sah, ließ ich es ruhiger angehen. Nur keine falsche Eile. Dicht an
dicht in der Bahn stehen oder sitzen ist in Corona-Zeiten keine verlockende
Aussicht. Ich nahm mir also die Zeit, schön langsam noch etwas durch die
frische Luft zu gehen und den Sonnenschein zu genießen. Ich dachte: „Was soll’s?
Zu Fuß erreiche ich mein Ziel vielleicht etwas später, aber dafür entspannter
und angenehmer, Sicherheitsabstand inklusive.
So bringt
einen die Fahr-Schule und der Fahrplan der Krise auf eine neue Spur. Sie bringen
uns ab von der ansonsten bevorzugten Überholspur und zwingen uns zur Entschleunigung
oder gar zum Stillstand. Brauchen wir Menschen auf unserer Lebensreise
eigentlich immer eine Krise, um etwas dazuzulernen, was uns am Ende vielleicht
weiter und zu neuen Zielen bringt? Wie dem auch sei. Ich freue mich schon jetzt
auf den Tag, an dem ich wieder bedenkenlos in eine überfüllte Straßenbahn einsteigen
kann und dann ist es mir garantiert auch ganz egal, ob sie mich pünktlich oder
verspätet an mein Ziel bringen wird.
Dieser Text erschien am 21.03.2020 in der Neuen Ruhrzeitung
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