Dieser Text erschien am 12. Februar 2020 in der Neuen Ruhrzeitung
Mittwoch, 12. Februar 2020
Von Hugo lernen
In meinem historischen Kalender schaut mich heute ein
berühmter Mülheimer an. Der Industrielle Hugo Stinnes würde heute seinen 150.
Geburtstag feiern, wäre er nicht schon mit 54 Jahren, an den Folgen eines
Operationsfehlers gestorben. Auch sein nicht minder unternehmungslustiger
Großvater Mathias hatte in diesem Alter das Zeitliche gesegnet. Der Blick auf
Hugo Stinnes lohnt sich. Er lehrt uns, dass auch kein noch so großes Finanzkapital
das wichtigste Kapital unseres Lebens, die Lebenszeit, verlängern kann und dass
jeder gesunde und glückliche Tag unbezahlbar ist. Der Mülheimer, von dem man sagte,
dass er Unternehmen sammle wie andere Leute Briefmarken, wusste um die Vergänglichkeit
und Relativität des materiellen Reichtums. Seine Erben, denen er einen Konzern
mit mehr als 1500 Firmen hinterließ, mahnte er: „Meine Kredite sind eure Schulden.“
Er ahnte, dass sein Imperium ihn nicht lange überleben sollte. Stinnes, den
seine Zeitgenossen unter anderem als „König von der Ruhr“ hochjubelten und ihm mit
der Redensart: „Das walte Hugo!“ Allmacht zuschrieben, firmierte lieber als „Kaufmann
aus Mülheim.“ Denn er wusste, dass man im Leben besser damit fährt, mehr zu
sein als zu scheinen. Und auch das lehrt uns das Lebensbeispiel des Hugo
Stinnes. Man ist nie zu alt, um klüger zu werden und dazuzulernen. Ausgerechnet
der als Gewerkschaftsfresser verschriene Industrielle Hugo Stinnes erkannte im
revolutionären November 1918 die Zeichen der Zeit und handelt mit dem Gewerkschaftsführer
Carl Legien ein Abkommen aus, das den Achtstundentag einführte, die Rechtmäßigkeit
der Gewerkschaften anerkannte und damit die Grundlagen der bis heute geltenden und
immer wieder unterlaufenen Tarifautonomie legte. Denn Stinnes war klug genug,
um zu wissen: „Wäre ich ein Arbeiterkind, wäre ich jetzt Arbeiterführer.“
Dieser Text erschien am 12. Februar 2020 in der Neuen Ruhrzeitung
Dieser Text erschien am 12. Februar 2020 in der Neuen Ruhrzeitung
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Kultur macht stark
Ist Kultur Luxus oder ein Lebensmittel, wie es einst Bundespräsident Johannes Rau formuliert hat? Letzteres haben jetzt die jahrgangsüberg...
-
Der 30. und 31. Januar ist in meinem Kalender rot angestrichen", erzählt Familienforscherin Bärbel Essers. Dass das so ist, hat mit der...
-
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.” Auch dieses Volkslied dürfte die Schildberger Sing- und Spielschar ...
-
Gisela Lentz im Kreise ihrer Gratulanten Gisela Lentz ist ein Fleisch gewordenes Wunder. Auch mit 90 mag sie nicht auf der Couch sitzen...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen