Dieser Text erschien am 6. Februar 2020 in der NRZ
Donnerstag, 6. Februar 2020
Der Blick fürs Wesentliche
Als mir gestern die
Vorsitzende des Mülheimer Blinden- und Sehbehindertenvereins, Maria St. Mont, begeistert von der Blindensitzung des Kölner
Karnevals berichtete, musste ich spontan an Antoine de Saint-Exupérys zeitlos
wahren und schönen Satz denken: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die
Augen unsichtbar“ Wir kennen ihn aus seiner Geschichte vom „Kleinen Prinzen“,
die uns auch schon im Theater an der Ruhr vor Augen geführt worden ist. Apropos
Prinz. Maria St. Mont und ihre Freunde aus dem Blinden- und Sehbehindertenverein
erlebten jetzt die kölschen Dreigestirne tatsächlich als närrische Regenten zum
Anfassen im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Bericht zeigte mir, das blinde und
stark sehbehinderte Menschen einen ganz anderen Blick auf das närrische Treiben
dies- und jenseits der Fünften Jahreszeit haben. Sichtbare Äußerlichkeiten und
visuelle Showeffekte sind für sie uninteressant. Dafür hören sie genau hin, was
auf der Bühne des Karnevals und des Lebens gesagt oder gesungen wird. Für sie
kommt es nicht auf die Verpackung, sondern auch den Inhalt an. Auch das Fühlen steht
bei ihnen hoch im Kurs. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet Menschen, die in
ihrer Sehkraft gehandicapt sind, so manchem normalsichtigen Zeitgenossen, der zuweilen
offenen Auges kurzsichtig oder gar blind durchs Zeitgeschehen geht, den Blick
für das Wesentliche im Leben voraushaben. Es stimmt tröstlich und inspiriert
zur heiteren Gelassenheit, dass es das Leben manchmal versteht, aus der Not
eine Tugend und aus der Schwäche ein Stärke zu machen, und das Gott sei Dank nicht
nur zur Fünften Jahreszeit.
Dieser Text erschien am 6. Februar 2020 in der NRZ
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