Die aktuelle Berichterstattung über die Sechsjährigen, die jetzt
schon als Fünfjährige die Schulbank drücken müssen, weil sie zu früh sechs
Jahre alt werden, hat mich daran erinnert, dass ich selbst erst mit sechs
Jahren eingeschult wurde und ein Jahr länger, als vorgesehen die Schulbank
gedrückt habe. Irgendwie war ich immer schon spät dran. Und dennoch habe ich
nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Überfüllte Klassen, überforderte
Lehrer, überfüllte Arbeitsmärkte, überzogene Leistungsanforderungen, unterirdische
Arbeitsbedingungen, hochfliegende Pläne und brutale Bruchlandungen. All das und
das Gegenteil davon habe ich, nach meinem Gefühl, noch früh genug erlebt. Auch
wenn wir heute in der digital beschleunigten Welt mit dem permanent schlechten
Gewissen leben, nicht früh und schnell genug auf der Höhe der Zeit zu sein und
deshalb zu spät zu kommen, lehrt mich meine Lebenserfahrung, dass jeder, jede
und alles seine Zeit hat und wir gerade dann gut daran tun, uns Zeit zu nehmen,
wenn wir glauben, es eilig haben zu müssen. Denn am Ende haben wir nur Zeit,
wenn wir sie uns nehmen.
Dieser Text erschien am 27.02.2020 in der NRZ
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