Samstag, 23. November 2019

Von kleinen und großen Abschieden

„So viele Zuhörer wünscht sich mancher Geistliche, wenn er predigt“, sagt die ehrenamtliche Leiterin der Saarner Klosterbücherei, Henny Reinke. Pfarrer Christian Böckmann gibt mit Blick auf die fast überfüllte Klosterkirche St. Mariä Himmelfahrt zu: „So voll ist es hier sonst nur an Weihnachten.“ Und Buchhändlerin Ursula Hilberath freut sich als Mit-Initiatorin des Saarner Bücherherbstes: „Wir hätten auch den Kölner Dom ausverkaufen können!“ 310 Kirchenbesucher finden an diesem Abend Platz auf Bänken und Stühlen. Sie sind gekommen, um Christine Westermann zu erleben. Die Journalistin, Autorin und Moderatorin stellt ihr Buch: „Manchmal ist es federleicht“ vor. Es geht um die kleinen und großen Abschiede im Leben. Das ist ein Thema wie gemacht für eine Predigt. Wenn sie ganz gegenwärtig vor dem Altar von St. Mariä Himmelfahrt von den Abschieden und Neuanfängen ihres Lebens liest und erzählt, kommt die Botschaft an. Die Menschen im Kirchenschiff hören gespannt zu. Aber es darf und wird auch geklatscht oder gelacht. 


Vor allem als Westermann einfühlsam und glaubwürdig von ihrer frühkindlichen Flucht aus der DDR, der Scheidung ihrer Eltern und dem viel zu frühen Tod ihres kulturell und politisch engagierten Vaters oder vom Krebstod einer lebenshungrigen und lebensbejahenden Freundin berichtet, bekommt ihre Lesung eine seelsorgerische Qualität, die man sich von so mancher Predigt und Liturgie wünschen würde. „Als Menschen schwanken wir angesichts der unausweichlichen Veränderungen in unserem Leben zwischen der Furcht vor eben diesen Veränderungen und dem Mut, sie anzunehmen. Ich habe gelernt, dass es im Leben keinen Mut ohne Angst gibt, aber dass es herrlich befreiend und federleicht sein kann, wenn man den Mut findet, sich von seinen Erwartungen, Vorsätzen und Verstrickungen zu trennen und sie einfach über Bord zu werfen.“


Und auch diese Botschaft gibt Christine Westermann ihren Zuhörern, Zuschauern und Lesern mit auf den Heimweg, ehe sie ihre an einem Büchertisch reichlich verkauften Bücher signiert: „Der liebe Gott hat es gut eingerichtet, dass uns die lebendige Erinnerung an einen geliebten Menschen bleibt, von dem wir uns verabschieden mussten. Und ich selbst verteidige meinen Kinderglauben mit aller Macht, dass ich behütet und beschützt werde.“ 


Nach der Lesung steht für Pfarrer Christinan Böckmann fest: „Das Kloster Saarn war und ist ein Ort der starken Frauen!“ Die Zisterzienserinnen haben hier gewirkt. Und jetzt sind die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen der 1849 gegründeten Klosterbücherei ebenso in ihre Fußstapfen getreten wie etwa ihre Kolleginnen von der Gemeinde-Caritas, die tatkräftigen Saarner Buchhändlerinnen Ursula Hilberath und Brigitta Lange oder jetzt auch Christine Westermann. 

Dieser Text erschien am 27. Oktober 2019 im Neuen Ruhrwort

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