Mittwoch, 20. November 2019

Ganz schön ausgekocht

Auch das Private ist politisch. Das lehrte mich jetzt die Historikerin Daniela Rüther mit ihrem Vortrag zur Reihe der Mülheimer Geschichte. Im Haus der Stadtgeschichte war ihr Thema der Eintopfsonntag. Alte Mülheimer werden sich erinnern. Unter den Nazis mussten die Volksgenossen, die froh waren, wenn sie was zu beißen hatten, an Sonntagen im Herbst und Winter ihren Eintopf löffeln und die vermeintliche Ersparnis für den ausgefallenen Sonntagsbraten der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt spenden. Doch das so eingenommene Volksvermögen wurde von den Satansbraten an der damaligen Staatsspitze eben nicht nur für die armen Volksgenossen, sondern auch für die aufzurüstende Wehrmacht verwendet. Jeder weiß heute wie diese Geschichte ist geendet. Deshalb tun wir nicht nur am Vorabend des Volkstrauertages gut daran, auf keinen Fall anzubeißen, wenn uns politisch  extrem scharfe Rattenfänger den süßen Apfel der vermeintliche leichten politischen Erkenntnis als angeblich schmackhafte Alternative zum vermeintlichen Einheitsbrei der Demokratie anbieten, um damit ihr ganz eigenes Süppchen zu kochen. Ja. Die Demokratie ist, wie schon der Feinschmecker und britische Premierminister Winston Churchill wusste, die schlechteste Staatsform außer aller anderen. Sie ist kein Zuckerschlecken und lässt uns manch bittere Pille schlucken, um dafür zu sorgen, dass am Ende alle ein Stück vom Kuchen abbekommen. 

Dieser Text erschien in der NRZ vom 16. November 2019

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