Zehn Prozent
der derzeit 170.000 Mülheimer haben eine Schwerbehinderung. 6500
schwerbehinderte Mülheimer sind im erwerbsfähigen Alter. 327 von ihnen (5,3
Prozent) suchen zur Zeit einen Arbeitsplatz.
Damit liegt der
Arbeitslosenanteil unter den schwerbehinderten und erwerbsfähigen Mülheimern
deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 7,4 Prozent. Aber nur 4,9 Prozent der
296 Mülheimer Arbeitgeber erfüllen aktuell ihre gesetzliche Verpflichtung,
mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Arbeitnehmern
zu besetzen. Außerdem brauchen Arbeitssuchende mit Handicap im Durchschnitt
deutlich länger (918 statt 800 Tage), um einen Arbeitsplatz zu finden. Die
meisten Arbeitgeber zahlen lieber eine Ausgleichsabgabe von jährlich 320 Euro
pro nicht besetztem Arbeitsplatz, als schwerbehinderten Arbeitssuchenden eine
Chance zu geben.
Diese Zahlen
nannte der Chef der für Mülheim und Oberhausen zuständigen Agentur für Arbeit,
Jürgen Koch. Im Moment mit Blick auf eine Aktionswoche, mit der die
Agentur vom 2. bis 6. Dezember verstärkt die Bedürfnisse, Chancen und
Potenziale von arbeitssuchenden Menschen thematisieren will.
"Man kann
nicht das Fehlen von Fachkräften beklagen. Man muss auch Menschen eine Chance
geben, die ein Potenzial haben, das zum gegenseitigen Vorteil entdeckt, gehoben
und gefördert werden muss. Dafür brauchen wir Brückenbauer", betont Koch.
Einen solchen
Brückenbauer, Sascha Preusse, hat Koch jetzt mit einem Zertifikat
ausgezeichnet, das ihm bescheinigt, einen Blick für die viel zu oft ungenutzten
Potenziale zu haben, die Menschen mit Handicap als Arbeitnehmer einbringen
können. Der Diplom-Kaufmann Sascha Preusse, der sein Berufsleben mit 16 als
Parkplatzeinweiser begonnen hat, betreibt seit 2005 eine inzwischen bundesweit
aktive Promotion- und Eventagentur, zu deren Kunden unter anderem namhafte
Kaufhäuser und Einkaufszentren gehören.
Nicht nur die Defizite sehen
"Der Mann
ist zwar gehbehindert, Aber er kann hervorragend rechnen und
telefonieren", sagt Preusse über einen schwerbehinderten Mitarbeiter.
"Ich habe
nicht auf ihre Defizite geschaut, sondern sie als Menschen gesehen und schnell
gemerkt: Das passt. Die sind motiviert, fleißig, flexibel, zuverlässig,
pünktlich und freundlich", beschreibt Koch
seine Mitarbeiter Alexander und Maximilian Blasius. Die 23-jährigen
Zwillingsbrüder aus Styrum sind in diesem Jahr, wie sie selbst sagen, bei der
Preusse GmbH und ihren 118 Kollegen "gut angekommen!" Trotz ihrer
Lernbehinderung stehen sie heute ihren Mann, wenn sie im Auftrag ihres Chefs mit
Kollegen quer durchs Land fahren, um in diesen Tagen zum Beispiel als
Lebkuchenmänner auf Weihnachtsmärkten unterwegs zu sein, riesige
Weihnachtsbäume aufzurichten, großformatiges Dekor auf- und abzubauen, als
Parkplatzeinweiser zu agieren oder Absperrungen auf- und abzubauen.
"Wir
kommen aus einer Arbeiterfamilie und wir wollen arbeiten. Deshalb sind wir sehr
glücklich, dass wir jetzt einen festen Arbeitsplatz gefunden haben, an dem wir
als Menschen und nicht als Maschinen behandelt werden. Und wir wollen anderen
Menschen, denen es ähnlich ergeht, wie es uns ergangen ist, durch unser
Beispiel Mut machen, nicht aufzugeben, sondern weiterzumachen", sagen Alexander
und Maximilian Blasisus.
Finanzielle Starthilfe
Besonders
dankbar sind die beiden Männer ihren Eltern, bei denen sie noch leben, dass sie
den Glauben an ihre Kinder nicht verloren haben und sie immer wieder ermutigt
haben. Genau das hat auch Agentur-Beraterin Anett Schwoy getan, die sie seit
dem Ende ihrer Förderschulzeit an der Dümptener Wilhelm-Busch-Schule bei ihrer
Odyssee auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt begleitet hat. Trotz
berufsvorbereitender Lehrgänge, etwa bei der Kurbel, in der Ruhrwerkstatt und
bei der BBWE, und einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Beikoch
(Maximilian) und Maler und Lackierer (Alexander) konnten die Blasius-Brüder
erst bei ihrem jetzigen Arbeitgeber dauerhaft Fuß fassen und ihre Talente
entfalten.
"Es war
für mich sehr hilfreich, dass ich Alexander und Maximilian Blasius durch eine
von der Agentur für Arbeit finanzierte dreimonatige Probebeschäftigung
kennenlernen konnte", betont Sascha
Preusse.
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