Demokratie braucht eine ganze Menge. Das stellte jetzt eine Mülheimerin
fest als sie ihre Stimme für den Bürgerentscheid zum Standort der Heinrich Töne
Volkshochschule im Briefwahllokal des Rathauses abgab. Sie wusste wofür sie
stimmte und sie hatte auch einen Stift dabei um, um ihr Kreuz auf dem Wahlzettel
zu machen. Was ihr allerdings in ihrer Wahlkabine fehlte, waren ein Klebestift oder
ein feuchtes Schwämmchen mit dessen Hilfe sie ihren Wahlbrief hätte
verschließen können. Natürlich hätte sie als Staatsbürgerin der Tat nach guter alter
Väter und Mütter Sitte die Sache auch mit ein bisschen Spucke regeln können. Aber
das war ihr dann doch etwas zu viel des Körpereinsatzes. Schon befürchtete sie,
dass ihre Stimme ungültig werden könne, wenn sie den Briefumschlag mit ihrem
Stimmzettel unverschlossen in die Wahlurne werfen würde. Die Mitarbeiterin des
Wahlamtes erkannte ihr Unbehagen und half ihr mit einem Klebstreifen aus.
Die besorgte Bürgerin darf unbesorgt sein. Wie eine Anfrage
im Rathaus ergab, ist die Gültigkeit ihrer abgegebenen Stimme auf keinen Fall vom
Verschluss ihres Wahlbriefes abhängig, egal ob sie nun mit oder ohne Spucke, Klebestift
oder Schwämmchen bei der Willensbildung in der Wahlkabine Hand angelegt hat. Man
sieht: Auch in der Demokratie steckt der Teufel im Detail und es stellt sich in
ihr immer wieder die Frage nach dem Klebstoff, der unsere Gesellschaft
zusammenhält und den Treibstoff, der unsere Demokratie im Kleinen wie im Großen
in Gang hält. Wir wissen nicht, ob die Finanzsituation der Stadt ist schon so
dramatisch schlecht ist, dass ihr der Klebstoff ausgeht. Sicher ist aber, dass die
Kosten, die der Bürgerentscheid zum VHS-Standort, unabhängig von seinem
Ausgang, in jedem Fall verursachen wird, ob mit oder ohne Klebestift in der
Wahlkabine. Und diese Kosten werden auf der Soll-Seite der Stadtkasse, die
unser aller Kasse ist, kleben bleiben. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie
unseren Stadtkämmerer und hoffen Sie mit mir, dass wir in unserer Stadt am Ende
nicht nur in der Frage des VHS-Standortes angeschmiert, gelackmeiert und
festgeklebt dastehen.
Dieser Text erschien am September 2019 in der NRZ
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