Sonntag, 29. September 2019

Der Klebstoff der Demokratie

Demokratie braucht eine ganze Menge. Das stellte jetzt eine Mülheimerin fest als sie ihre Stimme für den Bürgerentscheid zum Standort der Heinrich Töne Volkshochschule im Briefwahllokal des Rathauses abgab. Sie wusste wofür sie stimmte und sie hatte auch einen Stift dabei um, um ihr Kreuz auf dem Wahlzettel zu machen. Was ihr allerdings in ihrer Wahlkabine fehlte, waren ein Klebestift oder ein feuchtes Schwämmchen mit dessen Hilfe sie ihren Wahlbrief hätte verschließen können. Natürlich hätte sie als Staatsbürgerin der Tat nach guter alter Väter und Mütter Sitte die Sache auch mit ein bisschen Spucke regeln können. Aber das war ihr dann doch etwas zu viel des Körpereinsatzes. Schon befürchtete sie, dass ihre Stimme ungültig werden könne, wenn sie den Briefumschlag mit ihrem Stimmzettel unverschlossen in die Wahlurne werfen würde. Die Mitarbeiterin des Wahlamtes erkannte ihr Unbehagen und half ihr mit einem Klebstreifen aus.

Die besorgte Bürgerin darf unbesorgt sein. Wie eine Anfrage im Rathaus ergab, ist die Gültigkeit ihrer abgegebenen Stimme auf keinen Fall vom Verschluss ihres Wahlbriefes abhängig, egal ob sie nun mit oder ohne Spucke, Klebestift oder Schwämmchen bei der Willensbildung in der Wahlkabine Hand angelegt hat. Man sieht: Auch in der Demokratie steckt der Teufel im Detail und es stellt sich in ihr immer wieder die Frage nach dem Klebstoff, der unsere Gesellschaft zusammenhält und den Treibstoff, der unsere Demokratie im Kleinen wie im Großen in Gang hält. Wir wissen nicht, ob die Finanzsituation der Stadt ist schon so dramatisch schlecht ist, dass ihr der Klebstoff ausgeht. Sicher ist aber, dass die Kosten, die der Bürgerentscheid zum VHS-Standort, unabhängig von seinem Ausgang, in jedem Fall verursachen wird, ob mit oder ohne Klebestift in der Wahlkabine. Und diese Kosten werden auf der Soll-Seite der Stadtkasse, die unser aller Kasse ist, kleben bleiben. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie unseren Stadtkämmerer und hoffen Sie mit mir, dass wir in unserer Stadt am Ende nicht nur in der Frage des VHS-Standortes angeschmiert, gelackmeiert und festgeklebt dastehen.


Dieser Text erschien am September 2019 in der NRZ

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