Ein Schülerleben dauert 10 bis 13 Jahren. Die Schüler und Lehrer kommen und gehen. Doch die Realschule Stadtmitte hat es bereits auf 90 Schuljahre gebracht. Das wird am 12. September gefeiert. Zur Feier des Tages lädt die Schulgemeinde, zu der 700 Schüler und 52 Lehrer gehören, um 18.30 Uhr zu einem Fest in ihre Aula. Aus Platzgründen müssen sich Teilnehmer vorab im Schulsekretariat unter der Rufnummer 0208-455-4870 oder per E-Mail an: rsstadtmitte@muelheim-ruhr.de anmelden.
Bei diesem Anlass werden Schüler Ausschnitte aus einem vom Deutschen Museumsbund geförderten Theaterstück aufführen, das die Lebens- und Leidensgeschichte von Arthur Brocke erzählt. Der Bauingenierur Brocke war zwischen 1919 und 1933 Beigeordneter der Stadt Mülheim und zeichnete 1929 für den Schulbau zwischen Oberstraße, Von-Bock-Straße und Gaußstraße verantwortlich. 1933 gehörte der damals 49-jährige Beamte zu den ersten Opfern der Nationalsozialisten, die nach der Kommunalwahl im März 1933 mit ihren Kreisparteileiter Karl Camphausen und ihrem Oberbürgermeister Wilhelm Maerz auch in Mülheim die Macht übernommen hatten.
Nachdenkliches zum Jubiläum
Die NSDAP sorgte dafür, dass der ihr politisch missliebige Brocke unter dem Vorwand von Begünstigung, Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung angeklagt, von der SS bedroht und in der gleichgeschalteten Lokalpresse verleumdet wurde. Unter diesem massiven Druck nahm sich Brocke am 18. September 1933 das Leben, ohne das die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bewiesen werden konnten. Schon in ihrem 75. Jubuliäumsjahr hat die damals noch von Judith Koch geleitete Schulgemeinschaft einen nachdenklichen Akzent gesetzt. Damals hatten Schüler im Stadtarchiv die Biografien jüdischer Schüler recherchiert und dokumentiert, die unter dem Druck des NS-Regimes ihre Schule hatten verlassen müssen und ab 1941 in die Vernichtungslager des Holocaust deportiert wurden. Das war in Mülheim der Gründungsimpuls für die Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine, deren Mitglieder seit dem mehr als 120 Mülheimer Opfer-Biografien auf der Internetseite des Stadtarchivs www.stadtarch-mh.de veröffentlicht und zusammen mit dem Künstler Gunter Demnig vor den jeweils letzten Wohnsitzen Stolpersteine verlegt haben, um an die örtlichen Opfer der NS-Diktatur zu erinnern.
"Die Weimarer Republik war eine Zeit der politischen und pädagogischen Reformen", weiß Geschichtslehrerin Hildegard Krane zu berichten. "Deshalb unterrichtete die im Bauhausstil errichtete Schule damals auch schon in Fachräumen und Schulküchen. Hier wurden Jungen und Mädchen unter einem Dach und ab 1974 auch in gemeinsamen Klassen unterrichtet." Zum Schulgeburtstag wünscht sich die Geschichts- und Deutschlehrerin vor allem "mehr Zeit und mehr Lehrer für politisches und Soziales Lernen."
Schülerin Hannah Wildoer, die auch in dem von Lehrerin Anne Oeckinghaus und vom Museumspädagogen Dr. Jörg Schmitz geschriebenen Theaterstück über Arthur Brocke mitspielt, findet es gut, "dass ich in einer relativ kleinen Klasse lernen kann, in der wir uns gegenseitig helfen und viel Gruppenarbeit machen." Sie besucht eine der Klassen, in denen Schüler mit und ohne Handicap, oft unter der Anleitung von zwei Lehrkräften lernen.
Ihr Vater Andreas Wildoer, der sich als Elternvertreter und als Mitglied des Fördervereins engagiert, schätzt die unkomplizierte Zusammenarbeit von Lehrern und Eltern, den beruflichen Praxis-Bezug und den Unterrichtsschwerpunkt in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Wünsche für die Zukunft
"Wir haben es heute an unserer Ganztagsschule mit einer multikulturellen Schülerschaft zu tun und müssen als Lehrer nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Erziehungsarbeit leisten", beschreibt Rektorin Sabine Dilbat, die die Realschule Stadtmitte seit 2014 leitet, den Wandel der schulischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit. Für die Zukunft wünscht sie sich eine Schule mit "mehr Lehrern und kleineren Klassen, die technisch so ausgestattet sind, dass wir unsere Kinder auf den digitalen Wandel unserer Gesellschaft vorbereiten können."
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