Sonntag, 15. September 2019

Very british

Mutter hat Ideen. Als sie gestern auf der Titelseite der NRZ Die Nachricht las, dass 106 britische Firmen aufgrund der ungewissen wirtschaftlichen Zukunft nach einem möglichen No-Deal-Brexit nach Nordrhein-Westfalen kommen, kommentierte sie: „Wenn alle Stricke reißen, kann Boris Johnson die Insel vielleicht noch in ein Freilichtmuseum verwandeln, das wir dann gegen Eintritt besichtigen können.“ Tatsächlich hat man im Vereinigten Königreich bereits Erfahrungen damit. Viele Lords und Ladies, die ein altes Gemäuer mit Geschichte am Hals haben, finanzieren dessen Unterhalt mit regelmäßigen Besucherführungen, Happenings und Hotelgästen. Da fällt mir ein, dass wir in Mülheim als ehemaliger Bestandteil der britischen Besatzungszone, die heute als Land Nordrhein-Westfalen 1500 britische Unternehmen beherbergt, 6 % ihres Exportes ins Vereinigte Königreich schickt und damit jährlich 22 Milliarden € umsetzt, ja auch unsere britischen Momente haben. Wenn man die Entwicklung der Stadt betrachtet, hat man manchmal das Gefühl, dass man im Rathaus very british Tee trinkt und abwartet. Auch an alten Gemäuern mit Geschichte mangelt es uns in Mülheim nicht. Aber die Rechnung der schönen neue Zukunft als Freilichtmuseum, das sich an der Ruhr oder an der Themse allein durch seine Schönheit und mit den Eintritt in seiner Besucher finanzieren kann geht nur dann auf, wenn wir noch genug Flecken um uns herum haben, auf denen noch ganz gegenwärtig das Bruttosozialprodukt gesteigert und Geld verdient wird, das dann zum Beispiel mit einem Besuch im Freilichtmuseum Mülheim oder im Freilichtmuseum auf der Insel konjunkturfördernd ausgegeben werden kann.

Dieser Text erschien am 13.09.2019 in der Neuen Ruhrzeitung

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