Samstag, 10. November 2018

Noch mal 20 sein?

Gestern war es so weit. Zum ersten Mal hat mich eine junge Dame im Bus gefragt: "Möchten Sie sitzen?" Ich lehnte dankend ab und verwies darauf, dass die nächste Haltestelle für mich schon die Letzte sei, zumindest auf meiner Busfahrt.

Gut, dass ich mich festhielt und fest stand. Sonst hätte ich mich vor Schreck hingesetzt. ich will es mal auf den Umstand zurückführen, dass ich auf die junge Dame vielleicht einen müden Eindruck machte, weil ich am Abend zuvor zu spät ins Bett gekommen war. Man ist eben keine 20 mehr. Mit 20 hat man schon mal vom Biorhythmus gehört, ohne ihn zu spüren. Das ist bei Menschen, die mit etwas Fantasie und mit Blick auf die allgemeine Alterung unserer Gesellschaft zur reifen Jugend gezählt werden dürfen, anders. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass die Nacht nicht nur, aber eben auch und das nicht zu knapp, zum Schlafen da ist, wenn wir die restlichen zwei Drittel unseres wachen Lebens nicht verschlafen wollen.

Deshalb will ich mich heute Abend bei Zeiten so betten, dass ich morgen so ausgeschlafen bin, dass ich mich wie 20 fühle, aber so gescheit wie 50 nicht nur in Bus und Bahn, sondern auch auf den anderen Wegen meiner Lebensreise meinen Mann stehe. Damm wird mich vielleicht die eine oder andere Dame fragen: "Darf ich mich zu Ihnen setzen." Sie muss ja keine 20 mehr sein.

Dieser Text erschien am 10. November 2018 in der NRZ

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